Auch Marx und Engels haben in der Ukraine Haus- und Bilderverbot
Die ukrainische Regierung kommt bei der Korruptionsbekämpfung kaum voran, dafür aber bei der politischen Säuberung
Die ukrainische Regierung hatte ordentlich wie in einem kommunistischem Regime mit einer Liste von Künstlern angefangen, die in der Ukraine unerwünscht sind, weil sie sich "zugunsten der Verletzung der ukrainischen territorialen Integrität und Souveränität geäußert haben" (Künstler bedrohen die nationale Sicherheit der Ukraine).
Im September folgte eine weitere Liste mit Personen und Unternehmen, die ebenfalls vom rührigen Geheimdienst SBU erstellt und vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat (NSDC) überprüft worden war. Beschuldigt werden sie u.a. der "realen oder potentiellen Bedrohungen der nationalen Interessen, der nationalen Sicherheit, der Souveränität und territorialen Integrität, der Förderung terroristischer Aktivitäten". Allerdings hatte man dort auch einige Journalisten aus dem Westen, u.a. von der BBC, aufgenommen. Die strich man dann nach Protesten eher widerwillig von der Liste (So versteht Kiew Pressefreiheit).
Politisch hatte man schon einmal das Land mit vier Gesetzen im April von Traditionen sowjetischer Vergangenheit gesäubert, die im Mai in Kraft traten. Gerne hätte man auch die Kommunistische Partei verboten, aber soweit hat man es noch nicht geschafft (Ein Überlebensversuch: Die stille ukrainische Opposition). Verboten wurden aber schon einmal die kommunistische Ideologie und die kommunistischen Symbole, zusammen mit denen des Nationalsozialismus (Ukraine: Verbot der Propaganda sowjetischer Symbole). Selbst Fahnen anderer kommunistischer Staaten wie die der DDR sind nun ebenso verboten wie alle Darstellungen von Hammer und Sichel und kommunistische Lieder, Denkmäler aus der Zeit müssen abgerissen werden, es sei denn sie haben auch etwas mit dem ukrainischen Widerstand zu tun.
Ein Gesetz sieht denn auch die Ehrung der Unabhängigkeits- und Widerstandskämpfer vor, wozu auch die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) der rechtsnationalistischen "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) gehört, die zeitweise mit den Nazis kooperiert und gegen die Russen, aber auch gegen Polen gekämpft hatten. Deren Chef war Stepan Bandera, der gefeierte Held der Rechtsnationalisten.
Beschlossen wurde die Öffnung der Archive aus der Zeit der Sowjetherrschaft. Und es gibt nun auch ein Gesetz, das das Andenken an den Sieg über den Nazismus regelt. Der ukrainische Sieg wird vom sowjetischen entkoppelt, während man "Fälschungen" der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Forschung, Politik, Medien, Schulbüchern etc. verhindern will. Zudem wurde ein "Institut für das Nationalandenken" eingerichtet, das die Geschichte des Landes verwalten, propagieren und kontrollieren soll. Die Erinnerung an Personen, die mit der Sowjetunion oder der Kommunistischen Partei zu tun hatten, muss nun durch Lösung aller entsprechenden Namen von Straßen, Plätzen, Parks etc. ausgelöscht werden.
Das Institut hat nun eine Liste von einigermaßen willkürlich ausgewählten 520 historischen Personen veröffentlicht, deren Namen nun zum Zwecke der Entkommunisierung des Landes vor dem 21. November in allen Städten und Gemeinden entfernt werden müssen. Man macht schon darauf aufmerksam, dass die Liste noch nicht vollständig ist, die Institutsmitarbeiter werden also weiter daran arbeiten, neue Namen hinzuzfügen. Aus dem Gedächtnis gelöscht werden sollen nicht nur russische oder ukrainische Personen wie Lenin, Molotow, Stalin, Breschnew und viele mehr oder weniger bedeutsame Politiker oder Parteiangehörige, sondern auch manche Gründer und Generalsekretäre kommunistischer Parteien in Europa.
Auch der französische Schriftsteller und Politiker Henri Barbusse muss verschwinden, ebenso wie Friedrich Engels. Er war, so die Anmerkung, Mitbegründer der marxistischen Ideologie, hat mit Marx das Kommunistische Manifest verfasst, sein Gesicht wurde verwendet, um die kommunistischen totalitären Regime zu unterstützen. Und folgerichtig fällt auch mit derselben Begründung Karl Marx unter das Verdikt. Sie würden eigentlich nicht direkt unter das Gesetz fallen, aber ihre Ehrung und die Erinnerung an sie sei direkt mit der Errichtung der Sowjetmacht und der Tätigkeit der Kommunistischen Partei verbunden. Auch Ernst Thälmann und Rosa Luxemburg sind von nun an verpönt.