Audiovisionen // Vor und nach dem Kino

Seite 5: Resümee & Ausblick

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Medienhistorisch stellt sich die Entwicklung neuzeitlicher Audiovisualität vor und nach dem Kino so dar als ein Medien wie Darstellungsformen akkumulierendes Fortschreiten:

  1. vom Realismus der Bühne
  2. über den Fotorealismus des industriellen Kinos
  3. zum virtuellen Hyperrealismus des digitalen Transmediums.

Realistische Bilder und Audiovisionen wurden und werden mit handwerklichen Mitteln als imitierende Komposition produziert, fotorealistische Bilder und Audiovisionen mit industriellen Mitteln als kopierende Selektion (und Hardware-Montage), hyperrealistische Bilder und Audiovisionen mit digitalen Mitteln als arbiträre Konstruktion (und Software-Montage).

Kulturgeschichtlich zeigt sich dabei die audiovisuelle Produktion als gleichermaßen ästhetisch, technisch und soziokulturell determiniert. An ihrem Anfang stand das Interesse, Leben so realistisch abzubilden, wie es sich vor dem Spiegel reflektierte. Im Theater verband sich diese Sehnsucht mit den Möglichkeiten mechanischer Technologie sowie dem bürgerlichen Wille zu Selbstrepräsentation und Selbstreflexion. Im analogen (Ton-) Film adaptierte die fortdauernde ästhetische Sehnsucht das gesteigerte Potenzial industriell produzierter Medien wie das Bedürfnis, die Erfahrungen der Industrialisierung, großstädtisches Leben und tayloristisches Arbeiten, audiovisuell zu verarbeiten. Eine vergleichbare Aufgabe stellt sich nun: die Erfahrung der Digitalisierung, des virtuellen Lebens und Arbeitens, im digitalen Transmedium adäquat zu gestalten. Neue, genuin transmediale Genres audiovisueller Produktion kündigen sich denn auch in den ästhetischen Neuerungen des Digitalfilms, den technischen Experimenten digitaler Spiele und nicht zuletzt in der Popularisierung virtueller Akteure an.

Ähnlich der Steigerung analoger Audiovisualität vom Realismus zum Fotorealismus mittels Hardware-Automatisierung könnte die ästhetische Innovation aus der Software-Automatisierung des – bis dato eher von Hand und Maus – gefertigten Hyperrealismus resultieren. Die medientechnische Basis: dass laufende Bilder von nahezu hyperrealistischer Qualität sich aus je subjektiver Perspektive in Echtzeit generieren lassen, jedenfalls ist gelegt. Audiovisuelle Fiktionen, die unter den Bedingungen des Realismus als handwerklich-materielle Imitation herzustellen sind, unter denen des Fotorealismus als automatisiert-materielle Reproduktion und beim aktuellen Stand des Hyperrealismus als handwerklich-virtuelle Konstruktion, könnten damit demnächst als automatisiert-virtuelle Simulation entstehen – vor den Augen ihrer Produzenten / Zuschauer / Nutzer / Mitspieler.