Aufnahme mit Hindernissen

"Carrie": ein MP3-Recorder für die HiFi-Anlage?

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Warum eigentlich noch auf CD, MD oder gar Band aufnehmen und nicht gleich digital? Mit Soundkarte und PC geht das schon und zur CeBit zeigte Terratec auch ein Gerät für die HiFi-Anlage, das nun tatsächlich lieferbar ist. Telepolis war neugierig - kann man jetzt etwa MP3s direkt aus dem Radio mitschneiden?

Mit MP3-Spielern hat Terratec inzwischen einige Erfahrung: M3PO für die HiFi-Anlage mit CD-Laufwerk und eingebauter Festplatte und M3PO go als tragbare Variante mit CD-Laufwerk sind bereits einige Zeit auf dem Markt. Der Stil der Handbücher verrät, dass die Firma auch durchaus ihre Clientel kennt und weiß, was die wünschen. Das neueste Gerät kann nun ähnlich PC-Software wie Musicmatch Jukebox oder Feurio über eine CD-Datenbank die Titel auf eingelegten CDs erkennen und diese in MP3 wandeln. Es kann aber vor allem auch von analogen und digitalen Signalquellen direkt aufnehmen: Die zeitgemäße Lösung, um Bandgeräte und auch die MD zu ersetzen, ohne einen Flüster-PC ins Wohnzimmer stellen zu müssen?

Die Bezeichnung "C.A.R." steht nicht für englisch "Auto" sondern für "Compressed Audio Recording". Manche sagen auch "Carrie" zu der flachen Kiste. Direkte MP3- oder WAV-Aufnahme - C.A.R. 4000 kann auch im unkomprimierten WAV-Format aufnehmen - wäre der Hit: Man könnte dann gleich jeder Aufnahme den passenden Filenamen geben und sie beliebig in Software weiterverarbeiten, beispielsweise um fertige Mixe oder Rundfunksendungen zusammenzustellen. Klassische analoge Speichermedien wie Platte, Band und auch die MD, die ihre Daten ja zwar als SPDIF, aber nicht in einem digitalen Dateiformat bereit stellt, müssen an dieser Stelle dagegen immer noch einmal umständlich 1:1 auf MP3 oder WAV überspielt und anschließend neu mit Namen von Titel und Interpret oder einer anderen Kennzeichnung der Aufnahme versehen werden. Carrie bietet alle MP3-Qualitätsstufen von Sprachaufzeichnung über Internetqualität (128 kbit/s) bis HiFi (192, 256 oder gar 320 kbit/s und eben unkomprimiert WAV), das klingt erst mal vielversprechend.

CD-Datenbank eingebaut

Bei der Wiedergabe von CDs überzeugt das Gerät: Dank eingebauter Graceland-CD-Datenbank (CDDB) erkennt es alle CDs, die älter als ein halbes Jahr sind und zeigt deren Inhalt an. Später kann man die Datenbank auch aus dem Web aktualisieren. So lassen sich dann direkt einzelne Titel nach Namen auswählen, diese in Playlisten übernehmen und auch auf die eingebaute Festplatte überspielen, sodass man die Playlists aus mehreren CDs zusammenstellen kann, ohne diese dann ständig im Betrieb wechseln zu müssen. Besonders nett ist dabei die Funktion, die Titel mit persönlichen Wertungen ("Daumen rauf"/"Daumen runter" versehen zu können, um dann später nur die Titel mit "zwei Daumen nach oben" oder auch einer bestimmten Musikrichtung abzuspielen. Das erspart die Kuschelrock-CD.

Dank mitgelieferter CD-Datenbank erkennt Carrie die eingelegten CDs...

Auch kopiergeschützte CDs verspricht das Gerät, abspielen zu können - wenn auch noch nicht in der getesteten Version. Allerdings ist dann - wohl aufgrund empörter Äußerungen einiger Journalisten auf den ersten Pressekonferenzen - das Speichern auf Festplatte gesperrt, um sich nicht mit der Plattenindustrie anzulegen. Diese fertigt die CDs mit Kopierschutz ja bekanntlich extra, um auch die Privatkopie zu verhindern. Eine Original-CD im Auto erhöht schließlich die Attraktivität für Autoknacker und kurbelt so den Umsatz an.

Lästig sind gelegentliche Systemabstürze. Das Gerät reagiert dann auf keinen Tastendruck an Fernbedienung oder Gerätefront mehr. Da der Netzschalter ebenfalls softwaregesteuert ist, um versehentliches Abschalten mitten in einer Aufnahme zu verhindern - dies würde ja das Dateisystem beschädigen -, lässt sich ein solcher Absturz auch nicht mit dem bekannten Schema "Ausschalten - Wiedereinschalten" beheben: Das Gerät lässt sich ja gerade nicht mehr ausschalten, wenn es abgestürzt ist. Man kann immerhin das glücklicherweise gesteckte Netzkabel abziehen. Das Kriechen hinters HiFi-Rack oder gar der Gang zum Sicherungskasten sind nach einem Absturz zumindest nicht nötig.

...außer sie sind brandneu

So nett die Abspiel- und Archivfunktionen auch sind, so interessierten die Aufnahmefunktionen wesentlich mehr, da diese ja die eigentliche Neuigkeit darstellen. Dabei kann das Gerät sowohl analog über Line- und Mikrofon-Eingänge als auch digital über einen optischen Eingang von SPDIF-Quellen aufnehmen. Letzteres erspart einem die Kontrolle der richtigen Aussteuerung - dafür muss allerdings die richtige Taktfrequenz eingestellt sein, da das Gerät diese nicht selbst erkennt.

Aufnahme mit Hindernissen

Bei der Aufnahme überzeugt Carrie in der jetzigen Softwareversion leider nicht so. Zum klassischen spontanen "Mitschneiden" beispielsweise von Radiosendungen oder auch aus dem Fernsehen ist das Gerät viel zu langsam: Nicht nur das Einschalten entspricht in der Dauer fast schon einem PC-Bootvorgang, es ist auch viel zu langwierig, eine Aufnahme zu starten. Die richtige Aussteuerung muss neben der gewünschten Quelle bereits vor Beginn der Aufnahme eingestellt werden und lässt sich während der Aufnahme nicht mehr nachjustieren, wenn Übersteuerungen auftreten. Beide Einstellungen werden zudem nur bis zum Ausschalten des Geräts gespeichert. Und schließlich ist die Aufnahme futsch, wenn das Gerät während der Aufnahme oder in den Sekunden nach deren Abschluss abstürzt.

Geht es dagegen darum, Bänder oder Platten ohne Eile zu digitalisieren, schaut es besser aus. Einzige Einschränkung: MP3-Aufzeichnung in variabler Bitrate (VBR) gibt es nicht. Aber sowohl Autostart der Aufnahme beim Einsetzen des Signals als auch automatische Unterteilung der Tracks anhand der Pausen zwischen den Stücken sind möglich. Die Fleißarbeit ist es dann aber, später die Aufnahmen mit Namen zu versehen. Dies kann man entweder über die Fernbedienung von C.A.R. 4000 ähnlich den SMS am Mobiltelefon tun - dicken Daumen inklusive. Wer es mag...

Oder aber man lädt die Dateien auf einen PC und ändert dort die Filenamen mit einem Tool wie Renamer. Da Festplatten kaputt gehen können, ist der Transfer auf den PC ab einem bestimmten Punkt ohnehin sinnvoll, um CD-ROMs von den MP3-Dateien brennen zu können, die sich dann auch wieder im C.A.R. 4000 abspielen und abspeichern lassen. Für diesen Zweck hat C.A.R. 4000 einen USB-Anschluss und es wird eine PC-Software mitgeliefert.

Software: noch etwas mau

Leider zeigte sich diese PC-Software beim Testgerät noch nicht ausgereift. Man kann mit ihr den C.A.R. 4000 zwar fernsteuern, also Dateien auf dem Gerät abspielen ebenso wie solche auf dem PC. Ebenso kann in beide Richtungen überspielt werden - dank des nicht gerade superschnellen aber an allen modernen PCs vorhandenen USB übrigens in durchaus akzeptabler Geschwindigkeit. Ferngesteuert mit Carrie aufnehmen kann man über die Software allerdings nicht, und der Datentransport ist alles andere als transparent: Die selbst aufgenommenen Stücke ohne Namen erhalten nach dem Überspielen auf den PC stets den Namen "TRACK000.MP3" und überschreiben sich so gegenseitig. Man muss also umständlich jeweils ein Stück überspielen, es umbenennen und aus dem zum Überspielen verwendeten Verzeichnis entfernen, dann das nächste Stück überspielen...

Das "Fernsteuerprogramm" für Carrie mit der Möglichkeit, aufgenommene CDs auf den PC zu überspielen

Stücke von CD lassen sich dagegen ohne Probleme auf den PC überspielen - sie sind ja bereits mit den richtigen Namen versehen, wenn sie in der CD-Datenbank stehen. Eine transparente Datenübertragung, in der die C.A.R. 4000-Festplatte nach dem Laden eines Treibers einfach als zusätzliches Laufwerk auf dem PC erscheinen würde, so wie es bei besseren Digitalkameras üblich ist, wäre jedoch wesentlich sinnvoller. Die jetzige Software zickt dagegen auch beim Installieren, erkennt später nicht immer die USB-Verbindung und ließ sich im Test nicht mal richtig beenden - bei einem Neustart erschien stets die Fehlermeldung "CARMM läuft schon" und nur die Brutalmethode (CTRL-ALT-DEL und Task abschießen) half weiter.

Wenn Terratec die Probleme der PC-Software und auch die Bedienungsungeschicklichkeiten beim Aufnehmen nachbessert, kann C.A.R. 4000 gerade bei MP3-Usern den klassischen aufnehmenden HiFi-Geräten wie Kassette und MD durchaus Konkurrenz machen. Geht es nur ums Abspielen, also die Zusammenstellung von Hintergrundmusik oder auch die Partybeschallung, für die Carrie einen speziellen DJ-Modus mitbringt, ist das Gerät auch jetzt schon ein Treffer. Allerdings wird der durch die aufwendige Entwicklung und die bislang noch geringen Stückzahlen bedingte Preis von 999 Euro bei technisch versierten Usern bislang doch dazu führen, lieber einen PC als Musikbox abzukommandieren.