"Aufruhr" in Katalonien?

Seite 2: Wahllokale sollen zum Schutz vor der Polizei besetzt werden

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Man muss sich fragen, ob die spanische Regierung und ihre Helfer in der Justiz, nun auch einen Aufstand in den Protesten von vielen tausenden Schülern und Studenten sieht, die am Donnerstag gestreikt haben und auf die Straßen in Barcelona, Girona, Tarragona und anderen Städten gegangen sind. Es waren mit fast 20.000 Teilnehmern allein in Barcelona die größten Proteste von Schülern und Studenten, die bisher von ihnen allein veranstaltet wurden. "Verlassen wir die Aulen und verteidigen wir das Referendum", lautete das Motto. "Votarem" (Wir werden abstimmen) wurde immer wieder in Sprechchören angestimmt, dass man sich dieses Grundrecht nicht nehmen lassen werde.

Auf die Tatsache, dass die katalanische Polizei, die Nationalpolizei und die Guardia Civil inzwischen auch vom Obersten Gerichtshof in Katalonien angewiesen wurden, die Wahllokale zu versiegeln, antwortet die Demokratiebewegung mit dem Aufruf, die Lokale zu besetzen. Man solle sich aber von den Sicherheitskräften nicht provozieren lassen, lautet die Parole für Sonntag. Spanien hat inzwischen weitere 4000 Nationalpolizisten und Paramilitärs nach Katalonien verlegt. Ob das reicht, um die vielen Wahllokale abzuschirmen oder zu räumen, darf bezweifelt werden, selbst wenn die Mossos d'Esquadra mitwirken würden. Doch die Regionalpolizei verspürt dazu offensichtlich wenig Lust. Und die Regionalregierung weigert sich weiter, die Mossos unter die Kontrolle der Guardia Civil zu stellen, auch der Mossos-Chef lehnt das ab, weil damit die Kompetenzen der Regionalregierung ausgehebelt würden.

Da Spanien immer weiter zuspitzt, tritt inzwischen auch die UNO auf den Plan. In einer Stellungnahme fordert sie angesichts der Repression und der Drohungen von Spanien unzweideutig in einer Erklärung im Rahmen des Referendums die Grundrechte in Katalonien zu wahren. "UN experts have called on the Spanish authorities to ensure that measures taken ahead of the Catalan referendum on 1 October do not interfere with the fundamental rights to freedom of expression, assembly and association, and public participation." Hingewiesen wird darauf, dass das spanische Verfassungsgericht das Referendum ausgesetzt hat, doch abgesehen von der Frage, ob das Referendum als illegal verurteilt werden wird, "hat Spanien die Verantwortung, die Rechte zu wahren, die in demokratischen Gesellschaften zentral sind".

Benannt hat die UNO konkret die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Teilnahme an öffentlichen Vorgängen. Nicht ohne Grund sorgt man sich um die Meinungsfreit, wenn im Internet schon massive Zensur ausgeübt wird. Mehr als 140 Webseiten wurden gesperrt und Zeitungen von Paramilitärs gestürmt, katalanischen Medien ist es verboten, ganz nach inhaltlichen Kriterien über das Referendum zu berichten oder sogar Werbung von Befürwortern zu akzeptieren.

Verhandlungen oder Gang in die Unabhängigkeit

Unklarer ist am Donnerstag geworden, wie mit dem Ergebnis der Abstimmung am Sonntag in Katalonien umgegangen werden wird. Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont erklärte im Interview: "Eine einseitige Erklärung der Unabhängigkeit ist nicht auf der Tagesordnung." Dass die Abstimmung durch das Versiegeln der Wahlbüros verhindert werden könnte, hält er für kaum durchsetzbar. Nach der Abstimmung werde man das Ergebnis und die Lage analysieren und Entscheidungen treffen, zeigte er sich offen für einen "Dialog und Verhandlungen".

Etwas anders hörte sich der katalanische Außenminister Raül Romeva in Brüssel an. Er sprach am Donnerstag davon, dass man bei einem Sieg des Nein das Ergebnis akzeptieren werde. Dann werde es Neuwahlen geben und das Leben gehe weiter: "Wenn aber das Ja gewinnt, dann wird das Parlament innerhalb von 48 Stunden die Unabhängigkeit erklären", meinte er und bezieht sich damit auf das Übergangsgesetz, das kürzlich im Parlament beschlossen wurde. Er kritisierte in Brüssel die spanische Repression und verwies darauf, dass sich der "katalanische Weg" stets durch "Friedfertigkeit und den Aufruf zum Dialog" ausgezeichnet habe. Er forderte Brüssel auf, sich zu positionieren. "Die EU-Kommission kann nicht weiter davon sprechen, dass es sich um einen internen Vorgang in Spanien handelt." Er bekräftigte, dass Referendum sei legal und es sei auch in Spanien kein Verbrechen, ein Referendum durchzuführen, auch wenn die PP-Regierung versuche, es so darzustellen.