Aus Drei mach Zwei

Neue Berechnungen von Astronomen weisen daraufhin, dass die in Partnerschaft lebenden Objekte im Kuiper-Gürtel wahrscheinlich ursprünglich zu dritt waren - der Kleinste musste gehen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.
Modelle der Entstehung binärer Systeme, c) zeigt das Funato und Kollegen vorgeschlagene Modell, bei dem letztlich zwei ungefähr gleiche Partner einander umkreisen, Bild: Nature/Joseph Burns

Nach dem Planeten Neptun beginnt die Region der Kuiper-Gürtels (vgl. Die folgenschwere Wanderung des blauen Gasplaneten). Dort findet sich Pluto, der inzwischen von vielen Astronomen nicht mehr als Planet, sondern als eines der vielen Trans-Neptun-Objekte (TNO) oder Kuiper-Belt-Objects (KBO) klassifiziert wird (Pluto bekommt Konkurrenz aus der direkten Nachbarschaft).

Jenseits des umstrittenen neunten Planeten umkreisen am Rand unseres Sonnensystems eine Vielzahl kleinerer gefrorener Gesteinsbrocken unser Zentralgestirn. Dahinter erstreckt sich noch die Oortsche Wolke, die uns wie eine Hülle umgibt und aus der Kometen zur Sonne ziehen (Kometen mit Gefrierbrand). Wo genau die Grenze zum interstellaren Raum verläuft, ist noch umstritten (Jenseits des Sonnenwindes).

Im Kuiper Gürtel, auch Kuiper-Disk genannt, bewegen sich wahrscheinlich hunderttausend Objekte aus Eis und Stein in einer Entfernung von mehr als 4 Milliarden Kilometer mit Umlaufzeiten von circa 300 Jahren rund um die Sonne. Wahrscheinlich sind die meisten dieser tiefgekühlten Relikte aus der Anfangszeit unseres Sonnensystems sehr klein, zumindest einer ist aber größer als 1.000 Kilometer im Durchmesser (Quaoar zeigt Pluto die rote Karte).

Dieses Band aus offiziell auch Klein- und Kleinstplaneten genannten Himmelskörpern wurde theoretisch bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts von den Astronomen Kenneth Edgeworth (1880-1972) und Gerard P. Kuiper (1905-1973) vorausgesagt. Effektiv entdeckt wurde das erste Objekt im Kuiper-Gürtel allerdings erst 1992. Heute sind die Positionen und Umlaufbahnen von mehr als 800 Trans-Neptun-Objekten bekannt (vgl. List Of Transneptunian Objects).

Wenn Pluto kein Planet, sondern ebenfalls ein Kuiper-Gürtel-Objekt ist, dann ist er zusammen mit seinem 1978 entdeckten Mond Charon das erste binäre System der Region. Seit Dezember 2000 beobachten die Astronomen auch andere Doppelobjekte: Vereiste Felsbrocken, die einander umkreisen und zusammen ihre Bahn um die Sonne ziehen. Inzwischen sind ein Dutzend bekannt und im Gegensatz zu den im Sonnensystem bisher bekannten binären Systemen, bei denen ein oder mehrere Monde um einen größeren Körper kreist, stellen sie sehr gleichberechtigte Partner ungefähr gleicher Größe dar. Die Distanz zwischen den beiden Objekten ist dabei normalerweise hunderte bis tausende Mal größer als ihr eigener Radius.

Wie sind sie entstanden? Dieser Frage, über die schon viel spekuliert wurde (vgl. Doppelte Kuiper-Gürtel-Objekte), ging nun ein internationales Forscherteam nach, das seine Ergebnisse im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlichte. Yoko Funato und Junichiro Makino von der Universität Tokio, Piet Hut vom Institute for Advanced Studies in Princeton, Elichiro Kokubo vom japanischen National Astronomical Observatory sowie Daisuke Kinoshita von der National Central University in Taiwan berechneten in mehr als 750.000 Testläufen verschiedene Szenarien und kamen zu dem Schluss, dass wahrscheinlich bei der Partnerschaft der Trans-Neptun-Objekte ursprünglich jeweils ein dritter, kleinerer Himmelskörper beteiligt war.

Durch ihre Gravitation zogen sie einen dem größeren Partner ähnlichen Gesteinsbrocken an und in dem folgenden Schwerkrafttanz wurde der Kleinste im Bunde von den beiden Großen vertrieben. Dabei ist es unwichtig, ob das mondartige, kleine Objekt ursprünglich durch Kollision oder durch Einfangen mittels der Schwerkraft zum Trabanten wurde. Das neue Modell bietet eine elegante Erklärung für die Häufung dieser Form des Tandem-Zusammenlebens im Kuiper-Gürtel.

In seinem begleitenden News&Views-Artikel gibt Joseph Burns von der Cornell University aber zu bedenken, dass bisher insgesamt sehr wenig über die Trans-Neptun-Objekte bekannt ist und speziell über die Duos unter ihnen. Mindestens ein bis zwei Prozent - neueste Forschungen zeigen aber, dass es vielleicht viel mehr sind, eventuell sogar zehn Prozent - der Tiefkühlbrocken im Kuiper-Gürtel kreisen zu zweit. Die Objekte sind so klein, dass ihre Beobachtung im Grenzbereich der Möglichkeiten hochauflösender Teleskope auf der Erde oder des Weltraumteleskops Hubble liegen.

Sehr eng beieinander kreisende Himmelskörper werden bisher möglicherweise nur als einer und nicht als zwei individuelle Objekte wahrgenommen. So betrachtet ist es nicht erstaunlich, dass nur relativ weit voneinander entfernt kreisende Duos aus ungefähr gleich großen Partnern entdeckt wurden. Burns kommt zu dem Schluss:

Die Umlaufbahnen dieser steigenden Anzahl binärer Systeme müssen jetzt genau definiert werden. Die Information, die sich daraus ergibt, wird dafür ausschlaggebend sein, wie diese Objekte überhaupt entstanden sein könnten und dann zu bestätigen, bis zu welchem Ausmaß der von Funato und Kollegen vorgeschlagene Mechanismus eine Rolle spielt.