Aus für Mobbing-Minister in London

Seite 2: Dominic Raab und das Mobbing

Raab legte am heutigen 21. April einen Rücktrittsbrief vor, der frei von eigenem Schuldbewusstsein oder gar Eingeständnissen ist. Eher sieht er sich als Opfer unsinnig hoher Anti-Mobbing-Standards, mit denen ein gefährliches Exempel statuiert werde.

In einem Punkt ist dem ehemaligen Vize-Premierminister, der kurzfristig während Boris Johnson schwerer Covid-Erkrankung Premierminister war, zuzustimmen: Verfahren über Beschwerden von Mitarbeitern müssen transparent sein und sachlich bewertet werden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen des Anwalts Adam Tolley liegen der Öffentlichkeit noch nicht vor. Raab selbst sah aber anscheinend keinen Grund mehr, diese abzuwarten. Das Urteil über seinen Charakter und seine Fähigkeiten als Vorgesetztem scheinen bereits gefällt zu sein. Raab räumt ein, dass sich zumindest zwei Vorwürfe nicht entkräften ließen, ohne zu sagen, welche dies sind.

Seine nicht wenigen politischen Gegner meinen, zum ausreichenden Beleg für Raabs mangelnde Eignung zu höheren Ämtern würde allein sein Schreiben zum Rücktritt ausreichen. Darin zeige Raab deutlich, dass er schlicht nicht verstehe, was ihm vorgeworfen wird.

Raab sieht sich als Opfer, weil Informationen aus der Untersuchung gegen ihn durchgestochen wurden und an die Öffentlichkeit kamen. Ein typischer Schachzug. Der Skandal liegt nicht in den Vorkommnissen, sondern darin, dass sie überhaupt bekannt wurden.

Er habe nie geflucht, geschrien oder gar mit Dingen nach Mitarbeitern geworfen. Wenn er Menschen – ohne dies zu wollen – eingeschüchtert habe, dann tue ihm dies leid. Damit impliziert Raab das bekannte "Schneeflocken-Argument", das von Donald Trump oder dem ehemaligen "Brexit-Minister" Jacob Rees-Mogg gerne angeführt wird: Die Menschen sind heute einfach verweichlicht.

Dominic Raabs berüchtigte Kontrollsucht würde ihm nie erlauben, in dieser offenen Weise auszurasten. Dass das meiste Mobbing stattfindet ohne eklatantes Fehlverhalten wie Beschimpfungen, müsste einem Minister aber eigentlich klar sein. Ein "sinnlos aggressives Verhalten", wie es Raab vorgeworfen wird, braucht keine Schimpfworte. Die sind trivial, der Druck wird anders aufgebaut.