Ausbildung für den Cyberwar
Die Hochschule Bremen schließt trotz Zivilklausel einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr
Die einzig wahre Friedenskraft in diesem Land ist die Bundeswehr (BW). Jedenfalls nach Lesart des Justizressorts der Hansestadt Bremen. Und Krieg ist demnach quasi in deren Konzept von Frieden inbegriffen.
Das ist der Antwort des Justizressorts auf eine Nachfrage des Bremer Bürgerschafts-Abgeordneten Magnus Buhlert (FDP) zu entnehmen, die dieser dem Wissenschaftsausschuss der Bremischen Bürgerschaft vorlegte.1 Dort sollte beraten werden, ob eine Kooperation der Hochschule Bremen mit der Bundeswehr der Zivilklausel des Bremischen Hochschulgesetzesentspricht.
Das erläuterte der Freidemokrat in einem Bericht für den Wissenschaftsausschuss der Bremischen Bürgerschaft. Dort sollte beraten werden, ob eine Kooperation der Hochschule Bremen mit der Bundeswehr der Zivilklausel des Bremischen Hochschulgesetzes entspricht. Darin verpflichtet sich die Hochschule zu "Studium, Lehre und Forschung … ausschließlich zu friedlichen Zwecken".
Um die besagte Kooperation, in deren Rahmen die Bundeswehr an der Uni etwa 10 Studienplätze für Studentinnen im IT-Bereich sozusagen least, gab es heftige Debatten in Bremen: In der Bürgerschaft, in den Medien und an der Hochschule selbst formierte sich Protest. Ein Lehrbeauftragter kündigte sogar deswegen. Denn im Gegensatz zur Justizbehörde vermögen andere den Friedenscharakter der Bundeswehr nicht so recht zu erkennen und verweisen auf die Selbstverpflichtung zur Friedens-Lehre und -Forschung.
Trotzdem unterzeichnete Karin Luckey, Direktorin der Hochschule, Anfang Mai 2016 den Vertrag. Am kommenden Donnerstag soll das Thema auf Antrag der Fraktion der Linkspartei noch einmal in der Bremischen Bürgerschaft diskutiert werden. Die Fraktion fordert, dass die Bürgerschaft sich gegen diesen Kooperationsvertrag ausspricht .
Verpflichtung zum Frieden
"Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke. Die den Hochschulen vom Land und von Dritten zur Verfügung gestellten Mittel sollen ausschließlich für Vorhaben verwendet werden, die diesen Zwecken dienen", so steht es in § 4 des Bremischen Hochschulgesetzes.
Die Hochschule Bremen gab sich am 12. Juni 2012 ebenfalls eine Zivilklausel: "Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Hochschule auf, derartige Forschungsthemen und -mittel abzulehnen."
Das ist also die Grundlage, nach der Lehre und Forschung in dem Stadtstaat ausgerichtet sind. Oder es zumindest sein sollte. Eine Kooperation mit der Bundeswehr sollte demnach an sich ausgeschlossen sein. Das strittige Projekt ist der "Internationale Frauen-Studiengang Informatik-Dual", im Rahmen dessen künftig ca. 10 Studentinnen der Bundeswehr den Hochschulgrad "Bachelor of Science" erlangen können.
Der Vertrag gilt zunächst für drei Jahre. "Dual" bedeutet, dass die fraglichen Studentinnen mit dem Status als "Beamte auf Widerruf" einsteigen. Sie sind also Angehörige der Armee, werden von ihr als Staatsdienerinnen besoldet und verbringen einen Teil ihrer Ausbildung an der Hochschule Bremen und den anderen beim Militär. Die Absolventinnen sind Anwärterinnen für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst der Fachrichtung "Wehrtechnik".
Die Bundeswehr entrichtet einen Obolus für die Studentinnen an die Hochschule. Von beiden Seiten wird indes bestritten, dass sich das Militär an der Hochschule einkaufe. Genau da setzt die Kritik an, u.a. der Linken, des allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) und auch des Lehrbeauftragten Ralf E. Streibl, der den Studiengang mit aufbaute und jetzt seinen Lehrauftrag öffentlich kündigte. Außerdem wird bemängelt, dass nicht die Hochschule für die Vergabe der Studienplätze zuständig ist, sondern die Bundeswehr.
Aus eins mach zwei
Der Studiengang besteht seit dem Wintersemester 2000/01 als "Internationaler Frauen-Studiengang Informatik". Jetzt wird er um ein zweites Seminar, den "Internationale Frauen-Studiengang Informatik-Dual" ergänzt.
Allerdings nur formal, denn: "Die Interessentinnen bewerben sich getrennt: bei der Hochschule für den 'Internationalen Frauen-Studiengang Informatik', und bei der Bundeswehr für den 'Internationale Frauen-Studiengang Informatik-Dual'", erläuterte Miriam Strunge, Sprecherin für Kultur, Ausbildung, Wissenschaft, Medien und Datenschutz der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft gegenüber Telepolis. "Beide wählen dann ihre Kandidatinnen aus. Die dann aber letztendlich in denselben Seminarräumen sitzen. D. h., der zivile Studiengang und der für die Anwärterinnen für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst der Fachrichtung 'Wehrtechnik', also der militärische, ist in der Praxis ein und derselbe."
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