Ausländer in den USA können zu feindlichen Kämpfern erklärt werden
Während der ehemalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld wegen der Folter von Gefangenen in Deutschland angezeigt wurde, versucht die US-Regierung ein kurz vor den Wahlen verabschiedetes Gesetz möglichst auszuweiten
Noch schnell vor den Kongresswahlen hat das Weiße Haus ein Gesetz durchgesetzt, das den Umgang mit den zu „feindlichen Kämpfern“ erklärten Gefangenen nachträglich legalisiert und weiterhin garantiert, dass die US-Regierung willkürlich Menschen weitestgehend außerhalb des Rechtssystems festnehmen, unbegrenzt gefangen halten und „alternativen Verhörmethoden“ unterziehen kann (Jeder kann zum "feindlichen Kämpfer" erklärt werden). In einem Fall scheint nun das US-Justizministerium auszutesten, wie weit diese Regelung auch für Menschen umgesetzt werden kann, die in den USA selbst festgenommen wurden.
Mit dem Machtumschwung im Kongress könnten womöglich einige der Praktiken der US-Regierung, die zu der Schaffung des außerrechtlichen Gefängnissystems in Guantanamo und anderswo, zur Einführung der Folter und zur Kategorie der „feindlichen Kämpfer“ in einem rechtlichen Vakuum geführt haben, trotz der Absolution durch den Military Commissions Act aufgearbeitet werden.
Bürgerrechtler und ehemalige Gefangene haben inzwischen eine Klage gegen Donald Rumsfeld in Deutschland wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Dem von seinem Posten nach der Wahlschlappe zurückgetretenen Rumsfeld wird vorgeworfen, für die Folter und Misshandlungen von Gefangenen in Abu Ghraib oder Guantanamo verantwortlich zu sein. Deutschland ist dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten und daher können hier Klagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angezeigt werden, auch wenn sie im Ausland begangen wurden, sofern die Verbrechen nicht vom zuständigen Staat verfolgt werden. Nach den Klägern kann der irakische Staat nicht gegen US-Bürger rechtlich vorgehen, weil diese Immunität genießen, während in den USA die eigentlich Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Die USA sind allerdings nicht dem Statut von Rom beigetreten und lehnen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ab. Es wurde sogar ein Gesetz verabschiedet, dass es dem Präsidenten erlauben würde, angeklagte US-Bürger unter Anwendung militärischer Gewalt zu befreien.
Janis Karpinski, die ehemalige Kommandantin von Abu Ghraib, die wegen der Misshandlungen zurückgetreten ist, wurde den Klägern als Zeugin gewonnen. Sie wirft Rumsfeld und anderen hohen Pentagon-Angehörigen vor, die harten Verhörmethoden angeordnet zu haben. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU berichtet, dass die CIA erstmals in einem Verfahren eingeräumt hat, dass es eine Anordnung des Präsidenten gibt, die der CIA die Einrichtung von Gefängnissen und das Festnehmen und Verhören von Terrorverdächtigen im Ausland genehmigt hat. Eingeräumt worden sei auch, dass es ein Memo des Justizministeriums gebe, das die erlaubten Verhörmethoden erklärt. Zuvor hatte die CIA die Existenz dieser Dokumente bestritten. Allerdings will die CIA dem Gericht bis zum 30.11. Gründe vorlegen, warum diese Dokumente nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Immerhin hat die ACLU nach dem noch immer weitgehend funktionierenden Informationsfreiheitsgesetz bislang Dokumente im Umfang von 100.000 Seiten im Zusammenhang mit den Verhörmethoden erhalten.
Auch in den USA selbst inhaftierte Verdächtige sollen als „feindliche Kämpfer“ behandelt werden können
Vor einem Berufungsgericht in Richmond wird gerade der Fall Ali Saleh Kahlah al-Marri, der im Dezember 2001 in den USA verhaftet wurde, wo der aus Katar stammende studierte. Zunächst wurde er beschuldigt, Kreditkartenbetrug und andere finanzielle Vergehen begangen zu haben. Sein Bruder wurde 2002 in Pakistan festgenommen und befindet seitdem in Guantanamo. 2003 ließ man die Klage gegen Ali al-Marri fallen und bezeichnete ihn als „feindlichen Kämpfer“. Es wird ihm vorgeworfen, ein al-Qaida-Schläfer zu sein, der einen neuen Angriff vorbereiten wollte. Al-Marri blieb allerdings weiter in US-Gefängnissen und legte Beschwerde gegen seine Inhaftierung ein.
Diese Beschwerde wurde abgelehnt, derzeit findet die Berufungsverhandlung statt. Noch jetzt legt das US-Justizministerium keine Beweise vor, sondern beruft sich lediglich darauf, dass der US-Präsident als Oberkommandierender das Recht habe, Menschen als „feindliche Kämpfer“ zu kennzeichnen, die in Umkehrung des normalen Rechts beweisen müssen, keine solchen zu sein, um als unschuldig zu gelten:
On June 23, 2003, the President of the United States determined that, based on all the information available to him at that time from all sources, al-Marri “is, and at the time he entered the United States in September 2001 was, an enemy combatant.”
Das Justizministerium argumentiert, al-Marri sei korrekt als „feindlicher Kämpfer“ inhaftiert worden. Gegenüber den anderen Gefangenen in Guantanamo und anderswo unterscheidet sich sein Fall jedoch darin, dass er nicht nur in den USA gefangen gehalten, sondern auch dort inhaftiert wurde. Normalerweise haben Ausländer, die in den USA inhaftiert werden, das Recht, ihre Inhaftierung vor amerikanischen Gerichten anzufechten. Das Justizministerium will diese Möglichkeit aber „feindlichen Kämpfern“ verweigern und sieht nun eine Chance in dem im Oktober in Kraft gesetzten Military Commissions Act, nicht nur Ausländer, die im Ausland inhaftiert wurden, sondern alle Ausländer, auch wenn sie in den USA verhaftet werden, als „feindliche Kämpfer“ zu behandeln. Für sie sollen nicht die amerikanischen Gesetze gelten, sie haben nur Anspruch darauf, vor einem Militärgericht zu erscheinen, ansonsten können sie den „alternativen Verhörmethoden“ der CIA unterzogen und unbegrenzt inhaftiert werden. Da der Military Commissions Act ein rechtliches Schwarzes Loch oder ein Willkürsystem schafft, das die CIA-Agenten schützt und den wie auch immer willkürlich oder begründet verschleppten und inhaftierten Menschen kaum eine Chance lässt, werden Verschleppungen, Misshandlungen und willkürliche Inhaftierung von Menschen weiter praktiziert werden.
The Military Commissions Act of 2006 (MCA), Pub. L. No. 109-366, which took effect on October 17, 2006, removes federal court jurisdiction over pending and future habeas corpus actions and any other actions filed by or on behalf of detained aliens determined by the United States to be enemy combatants.
Aus der Begründung des US-Justizministeriums
Bei dem Prozess geht es damit nicht nur um al-Marri, sondern eigentlich darum, wie sicher sich Ausländer noch in den USA fühlen können. Das US-Justizministerium will nämlich durchfechten, dass alle Ausländer, die als Terroristen verdächtigt werden, zu „feindlichen Kämpfern“ erklärt werden können, womit ihnen fast alle Rechte entzogen werden. Vor einem normalen Gericht muss die Inhaftierung nicht durch eine Anklage und Beweise gerechtfertigt werden. Dem Inhaftierten bleibt höchstens der Gang vor Militärgerichte möglich. Sollte das Gericht diese Position übernehmen, sollte man sich vielleicht genau überlegen, ob man die USA noch besuchen will. Als Rechtsstaat könnte man das Land dann kaum mehr bezeichnen.
Janet Reno, Justizministerin unter Präsident Clinton, und sieben weitere ehemalige Angehörige des Justizministeriums haben jetzt in einer Mitteilung davor gewarnt, dass die Regierung einen gefährlichen Schritt macht, wenn auch verdächtige Terroristen, die im Land verhaftet werden, außerhalb des amerikanischen Rechtssystems vor Militärgerichten der Prozesse gemacht wird.
The government is essentially asserting the right to hold putative enemy combatants arrested in the United States indefinitely whenever it decides not to prosecute those people criminally - perhaps because it would be too difficult to obtain a conviction, perhaps because a motion to suppress evidence would raise embarrassing facts about the government's conduct, or perhaps for other reasons.
The existing criminal justice system is more than up to the task of prosecuting and bringing to justice those who plan or attempt terrorist acts within the United States - without sacrificing any of the rights and protections that have been the hallmarks of the American legal system for more than 200 years.