Ausschreitungen in Athen - Jagd auf Journalisten

Seite 2: Friedliche Demonstration? In Athen stets von der Polizei verhindert

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Große, gegen eine um ihr politisches Überleben kämpfende Regierung gerichtete Demonstrationen werden in Griechenland traditionell in Tränengas erstickt. An diesem Vorgehen der Einsatzpolizei hat sich auch unter Tsipras nichts geändert.

Am Ende eines Demonstrationstags vermelden die Nachrichten siebenundzwanzig verletzte Polizisten, zum Teil mit Knochenbrüchen, zahlreiche Bürger, darunter auch Kleinkinder mit schwerer Atemnot und die Geschichte eines bewusstlosen zweijährigen Kindes, das eilig ins Krankenhaus gebracht wurde.

Wieder einmal war es in Athen nicht möglich, friedlich gegen eine Regierungsentscheidung zu demonstrieren. Erneut wettert die Opposition, diesmal ist die Nea Dimokratia in dieser Rolle, gegen die übermäßige Polizeigewalt und verlangt den Rücktritt der verantwortlichen Ministerin für Bürgerschutz. In Anlehnung an den Silvesterklassiker des deutschen Fernsehens, dem "Neunzigsten Geburtstag" ist ein "same procedure as every year" angebracht.

Denn die Gewalt bei der Demonstration ging erneut von einer kleinen Gruppe Extremisten aus. Die Polizei hatte eine linke Gegendemonstration abgeriegelt, so dass es von dort kein Durchkommen gab. In der großen Demo am Syntagma-Platz hatten sich, wie aus den Umfragewerten zum Vertrag deutlich ablesbar ist, nicht nur Rechtsextreme und verwirrte Nationalisten, sondern zahlreiche gemäßigte Bürger und Politiker eingefunden. Allerdings wirkte die Demonstration auch als Magnet für Extremisten, diesmal des mutmaßlich rechtsextremen Lagers.

In Schwarz gekleidete Personen mit griechischen Fahnen, dem Keltenkreuz, dem byzantinischen Doppeladler grölten rechtsextreme Parolen. Sie griffen auch die frühere Regierungssprecherin der Nea Dimokratia und aktuelle Parlamentarierin, Sofia Voultepsi, an. Der Mob richtete seine Gewalt aber vor allem auf Medienmitarbeiter.

Ein Kameramann des Staatssenders ERT verlor beinahe seine Zähne, einer der Mitautoren und Kameraleute von "Goldene Morgenröte - eine persönliche Angelegenheit" wurde von den Angreifern identifiziert, auf seine Mitarbeit am Film explizit angesprochen und schwer verprügelt. Die Gewalt richtete sich auch gegen Mitarbeiter des Senders SKAI, der sich in Sondersendungen mit durchaus nationalistischen Parolen gegen den Kompromiss positioniert.

Allerdings gibt es innerhalb der Gegner des Kompromisses durchaus die Erkenntnis, dass sich viele lediglich aus parteipolitischen Interessen und nicht aus einer eigenen Überzeugung heraus gegen den Vertrag positionieren. Es ist eine Meinung, die als eine der wenigen von Anhängern nahezu des gesamten politischen Spektrums in Griechenland geteilt wird.

Schlimmer als die Angriffe auf die Politiker und Journalisten gestalteten sich jedoch die Attacken auf Pressefotografen. Fünf von ihnen befanden sich vor Ort, als eine der oben beschriebenen Kleiderordnung entsprechende Gruppe Vermummter über eine Treppe in den Vorplatz des Parlaments stürmen wollte. Die Fotografen zückten ihre Kameras und wurden umgehend von den Vermummten bedrängt, diese zu übergeben.

Auf die Weigerung der Herausgabe des Arbeitsgeräts folgte der Angriff mit Knüppeln, das heißt mit als solche eingesetzten Fahnenstangen samt griechischer Fahne und mindestens eines als drohende Stichwaffe gezückten Schraubenziehers. Am Ende hatten drei von fünf Fotografen keine Ausrüstung mehr und einer musste mit schweren Kopfverletzungen und zahlreichen Verletzungen an Armen und Beinen ins Krankenhaus.

Bedenklich stimmt, dass es im Umfeld der Demonstration seitens einiger weiterer Fotografen die Beobachtung gab, dass Gruppen von schwarz gekleideten Vermummten mit den Insignien von Nationalisten an der Kleidung und griechischen Fahnen in der Hand DIN A4 Ausdrucke mit den Konterfeis von Pressefotografen bei sich trugen. Der Verwaltungsrat der Union of Press Photographers Greece deutete dies als Indiz für gezielte Angriffe auf die betreffenden Photojournalisten.

Es ist derzeit nicht möglich, alle Täter der Attacken eindeutig zu identifizieren. Einer der bei den Attacken vor dem Parlament festgenommenen Randalierer ist nach Angaben der Polizei bereits als gewalttätiger Rechtsradikaler aktenkundig. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Beteiligung am Angriff gegen ein linkes Flüchtlings-Café. Darauf fußend sprach das Amt des Premierministers von Rechtsradikalen und Parteigängern der Goldenen Morgenröte als Provokateure, die einen demokratischen Dialog verhindern wollten.

Außer dem Angriff auf die Journalisten gab es im Umfeld der Demonstration auch noch einen weiteren, denkwürdigen Vorfall. Ein Mann, dessen einziges Identifizierungsmerkmal eine griechische Fahne war, fuhr auf einem Motorrad von der Demo weg. Er wurde gestoppt, sein Motorrad wurde verbrannt und er selbst wurde mit mindestens zehn Messerstichen an den Beinen verletzt. Weitere Demonstrationen gegen den Vertrag von Prespes wurden bereits angekündigt. Athen steht vor stürmischen Zeiten.