Australien streicht Impfverweigerern Kindergeld
Die Verbreitung von Polio-Infektionen nimmt weltweit wieder zu
In Australien können Eltern jährlich bis zu 15.000 australische Dollar (oder umgerechnet knapp 9.500 Euro) für ein einziges Kind kassieren. Aber nur dann, wenn sie es wie vorgeschrieben impfen lassen. Das schreibt ein neues Gesetz vor, das diese Woche dem Parlament vorgelegt wurde. Dessen Zustimmung gilt als sicher, weshalb die neue Regelung wahrscheinlich wie geplant zum 1. Januar 2016 in Kraft tritt.
Anlass für die Regeländerung ist der massive Anstieg der ungeimpften Kinder im Vorschulalter, deren Zahl in den letzten zehn Jahren von 24.000 auf 39.000 stieg. Ein vor zwei Jahren verabschiedetes Verbot, solche Kinder in Betreuungseinrichtungen aufzunehmen, zeigte bislang nicht die gewünschte Wirkung. Nicht geimpfte Kinder stellen auch eine Gefahr für andere Kinder dar, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen, weshalb der australische Sozialminister Scott Morrison seine Formel "No Jab, No Pay" ("Kein Piekser, kein Geld") für gerechtfertigt hält.
Die Eltern dieser Kinder sind heute nicht mehr vorwiegend zivilisationsferne Ureinwohner, sondern häufig esoterisch orientierte Großstädter, die an verschwiegene Risiken und an eine Verschwörung der Pharmaindustrie glauben (vgl. Prinzip "Stille Post" oder warum Diskussionen mit Impfgegnern sinnlos sind und Die unsichtbare Superdiktatur). Ernsthafte Wissenschaftler, die diesen Glauben für aktuell eingesetzte Impfstoffe bestätigen würden, gibt es allerdings nicht. Eine Ausnahme scheint lediglich der Schweinegrippe-Impfstoff Pandremix gewesen zu sein. Er hatte einer im Juli in Science Translational Medicine erschienenen Studie zufolge wahrscheinlich in mehreren Fällen Anteil an der Entstehung von Narkolepsie.
Australien ist nicht das einzige Land, in dem die Impfverweigerung zunehmend als Problem empfunden wird: In den USA ist die Angst vor Impfstoffen zu einer Mode geworden, die von Hollywood-Promis wie Jenny McCarthy zu deren Fans durchsickert. In Deutschland kam es im Februar zu einen impfverweigerungsbegünstigten massiven Anstieg der Masernerkrankungen mit einem Todesfall in Berlin (vgl. Masern: ein Todesfall in Berlin). Die meisten deutschen Impfverweigerer leben einer 2013 erschienenen Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung mit jeweils knapp 20 Prozent allerdings in den Freistaaten Sachsen und Bayern - und die wenigsten mit gut 10 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.
Im oberbayerischen Landkreis Rosenheim führte das Gesundheitsamt eine Impfkampagne an Schulen durch, bei der lediglich ein einziges Kind nachgeimpft wurde. Das könnte daran gelegen haben, dass sich Impfkritiker von sachlichen Information eher nicht beeindrucken lassen - aber von emotionalen Mütterberichten über masernkranke Kinder, wie eine im August erschienene Studie zeigt (vgl. Was Impfgegner wirklich überzeugt). Bis die Gesundheitsbehörden diese Erkenntnis umgesetzt haben, dürfte es noch eine Weile dauern.
Die Risiken steigen allerdings nicht nur wegen Impfverweigerern, sondern auch wegen Bürgerkriegen, die dazu führen, dass staatliche Kontrollsysteme zusammenbrechen: Im Mai 2014 gab die Weltgesundheitsorganisation WHO bekannt, dass Polio-Infektionen weltweit zu- statt abnehmen und berief einen Notfallausschuss ein. Von der für 2018 geplanten Ausrottung der Krankheit ist man weit entfernt - stattdessen spricht die WHO nun von einer "gesundheitlichen Krise internationalen Ausmaßes".
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