Ausweitung der Spionage-Zone

Pedro Sánchez; Bild (2020): Arne Müseler/arne-mueseler.com/CC-BY-SA-3.0

CatalanGate-Skandal: Wie die spanische Regierung mit der Bekanntmachung trickst, dass Ministerpräsident Sánchez Pegasus-Opfer ist

Der bisher größte bekannt gewordene Skandal über die Spähsoftware Pegasus, der inzwischen CatalanGate genannt wird, weitet sich wie erwartet aus. Telepolis hatte berichtet, dass es sich bei den bisher bekannten 65 Opfern vor allem um Politiker und Aktivisten aus Katalonien handelt. Darunter sind aber auch zwei Politiker aus dem Baskenland sowie der Madrider Anwalt Gonzalo Boye.

Es war klar, dass wir bisher nur die berühmte "Spitze des Eisbergs" eines gigantischen Abhörskandals kennen. Wie bei der Aufdeckung der Todesschwadrone GAL, die unter dem sozialdemokratischen Regierungschef Felipe González in den 1980er-Jahren aufgestellt worden waren, in welche der CNI-Vorgänger Cesid tief verstrickt war, kommt auch jetzt die Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht.

Inzwischen hat der britische Guardian berichtet, dass weitere 200 Mobiltelefone im spanischen Staat von der Spionage betroffen sein sollen.

Kein erkennbarer Wille zur Aufklärung

Es handelt sich also um einen sich ausweitenden Skandal, der – wie üblich in Spanien – natürlich nicht aufgeklärt werden soll. Dass die Sozialdemokraten (PSOE), immer öfter nur noch "Spezialdemokraten" genannt, im Bund mit der ultrakonservativen Volkspartei (PP), den ultranationalistischen "Ciudadanos" (Cs) und der faschistischen Vox-Partei im Parlament gerade verhindert haben, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden konnte, hat eigentlich die letzten Zweifel zerstreut, dass der spanische Geheimdienst CNI und/oder andere spanische Geheimdienste hinter der Pegasus-Spionage stecken.

Die israelische NSO-Group verkauft die Software ohnehin nur an Staaten. Die Vorgänge sollen nun nur im geheimen Geheimdienstausschuss behandelt werden. Aufklärung sieht anders aus. Sowohl das IT-Sicherheitslabor "Citizen Lab" an der Universität Toronto, das CatalanGate aufgedeckt hat, als auch Amnesty International trauen Spanien auch nicht, weshalb sie eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge fordern.

Reale Zweifel daran, dass spanische Sicherheitskräfte hinter dem massiven Angriff auf demokratische Grundrechte stehen: auf die Immunität von Parlamentariern, das Anwaltsgeheimnis und den Quellenschutz von Journalisten, bestanden nach dem Eingeständnis der Verteidigungsministerin Margarita Robles ohnehin nicht mehr.

Auftritt: Verteidigungsministerin Margarita Robles

Im Parlament angegriffen und bereits konfrontiert mit Rücktrittsforderungen des amtierenden katalanischen Präsidenten, Pere Aragonès aus der vergangenen Woche – Aragonès gehört, wie seine drei Vorgänger, zu den Ausgespähten – erklärte Robles: "Was soll ein Staat tun, wenn gegen die Verfassung verstoßen wird?" Sie frage auch, was eine Regierung tun soll, wenn "Straßen blockiert" werden oder es zu "Ausschreitungen kommt".

Deutlicher geht es kaum, sein abstruses Rechtsstaatsverständnis unverblümt offenzulegen. Besonders schlimm ist es - und sagt erneut viel über die "unabhängige" und "unparteiische" spanische Justiz aus -, dass es sich bei Robles um eine Richterin handelt.

Als solche sollte sie wissen, wie in einem Rechtsstaat mit mutmaßlichen Straftaten verfahren wird. Es gibt keine präventive Strafverfolgung und es sind Gerichte, die zu bereits geschehenen Vorgänge ermitteln. Jemand ist in einem Rechtsstaat auch erst schuldig, wenn er rechtskräftig verurteilt ist.

Schon allein wegen der genannten Aussagen ist Robles als Ministerin nicht mehr tragbar. Es sagt viel über die sozialdemokratische Regierung von Pedro Sánchez aus, dass sie nicht längst zum Rücktritt gedrängt wurde und sich der Regierungschef sogar hinter sie stellt. Denn sie setzt auf Methoden, die man in autoritären Staaten und Diktaturen benutzt.

Robles wärmte sogar erneut die abstruse Russland-Verschwörungstheorie auf: "Was soll man mit denen tun, die Kontakte zu denen haben, die in die Ukraine einmarschiert sind?", fragte sie weiter. Bedeutet das, jeder mit Kontakten nach Russland nun unter Generalverdacht steht und ausgespäht werden darf? Das könnte aus ihren abstrusen Äußerungen geschlossen werden.

Eigentlich bezog sie sich aber auf Vorgänge, die Jahre zurückliegen, als noch niemand in die Ukraine einmarschiert war. Sie bezog sich auf Räuberpistolen ihrer Geheimdienste, wonach Russland angeblich 10.000 Soldaten zur Unterstützung der katalanischen Unabhängigkeit entsenden wolle.

Auf Basis von Spionage der Sicherheitskräfte haben auch ihre Richter-Kollegen wilde Anschuldigungen gegen Katalanen erhoben. So wurde aus einer veröffentlichten Übersetzung eines Spionage-Thrillers von Elena Vavilova ein "Geheimbericht". Der soll beweisen, dass der Stabschef des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont ein Agent des russischen Geheimdienstes "SFB" sei, um die angeblichen Russland-Verbindungen zu stützen.

Dabei wurde das übersetzte Buch sogar in der Fernsehserie "The Americans" schon verfilmt. Vavilova, als Ann Foley bekannt, kennt als ehemalige russische Geheimdienstoffizierin tatsächlich das Innenleben der Spionage, aber Josep Lluis Alay ist nur der Übersetzer und das Buch ist auch längst in katalanischer und spanischer Sprache veröffentlicht.

Sogar dem linken Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) wird es inzwischen zu bunt. Die UP fordert offen und lautstark den Rücktritt der Verteidigungsministerin. Denn Robles hat am Mittwoch im Parlament erneut rein gar nichts aufgeklärt. Sie hat sich wieder hinter einem Gesetz verschanzt, das noch die Unterschrift des Diktators Franco ziert.

Daraufhin hat der UP-Sprecher Pablo Echenique sie aufgefordert, die "politischen Verantwortlichkeiten" zu übernehmen. Entweder sie wusste nichts von den Vorgängen, dann sollte sie wegen "völliger Inkompetenz" zurücktreten, meinte er.

Oder sie wusste, was läuft, dann sollte sie deshalb zurücktreten, führte Echenique aus.