Ausweitung der russischen Kampfzone in die Sahara?

Seite 2: Erdgas: Ist Algerien - das neue Russland?

Doch zurück zur geostrategischen Bedeutung der Region und die Warnungen Algeriens mit dem Zaunpfahl, die immer deutlicher werden. Auf der einen Seite zeigt das nordafrikanische Land, dass es nicht an einem Konflikt mit der EU interessiert ist.

Algier will ein zuverlässiger Partner bleiben. Allerdings will man sich auch nicht von Ländern wie Spanien auf der Nase herumtanzen lassen. Wer das versucht, bekommt die Rechnung präsentiert. Klar ist deshalb, dass nun Gas aus Algerien für Spanien deutlich teurer wird.

Die Bevölkerung in Spanien wird dafür die Rechnung bezahlen müssen, die allerdings mit großer Mehrheit gegen den Schachzug ihres Regierungschefs ist, nicht nur, weil man längst unter enorm hohen Strom- und Energiepreisen stöhnt und auf die Barrikaden geht, sondern auch aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung in der ehemaligen spanischen Kolonie.

Im Parlament blieben die Sozialdemokraten (PSOE) von Pedro Sánchez deshalb vergangene Woche mit ihrem peinlichen Kurswechsel allein. Sogar der linke Koalitionspartner "Unidas Podemos" (UP) und alle Unterstützer der Regierung stimmten mit der Opposition ausdrücklich gegen den Schmusekurs von Sánchez. Der Schwenk in der Westsahara-Politik wurde "kategorisch" von einer enormen und breiten Front über praktisch alle Parteigrenzen hinweg abgelehnt.

Sánchez interessierte das nicht. Der reiste nach der Niederlage nach Rabat, um gegenüber Mohammed in Missachtung des eigenen Parlaments seine Position zu bekräftigen. "Dieser Besuch markiert den Beginn einer neuen Phase in den Beziehungen zwischen Spanien und Marokko, die auf Transparenz, gegenseitigem Respekt und der Einhaltung der unterzeichneten Abkommen beruht", twitterte Sánchez nach dem Treffen im marokkanischen Königspalast am Donnerstagabend auf Twitter.

Wieder einmal sprach er von einem "historischen Augenblick", der zur "Sicherung der Interessen, der Stabilität und der Integrität beider Länder beitragen" werde und zur territorialen Integrität Marokkos zählt der Mann, der in Spanien zunehmend als "Spezialdemokrat" angesehen wird, offensichtlich auch die illegal besetzte Westsahara.

Die neue Situation nutzt nun allerdings Italien für sich. Das Land springt in die Lücke, welche die spanischen Sozialdemokraten mit ihrem absurden Schachzug freiwillig zu Ungunsten der Saharauis und der eigenen Bevölkerung geschaffen haben.

Gerade am gestrigen Montag hielten sich der italienische Premierminister Mario Draghi und Außenminister Luigi Di Maio zum Besuch in Algerien auf, um unter anderem ein Abkommen über Gaslieferungen zu unterzeichnen. Di Maio sagte dazu, das Abkommen werde es Italien ermöglichen, auf eventuelle "russische Erpressungen in Bezug auf Gas" zu reagieren.

Die Lage ist für Italien gerade ideal, wie auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) feststellt, die davon spricht, dass Algerien für Italien "das neue Russland" in der Gas-Frage werden soll. Das hat mit dem enormen algerischen Potential zu tun, das auch Spanien freigemacht hat.

Zwar kommen schon jetzt fast ein Drittel des italienischen Gases aus Algerien, aber die Pipeline Transmed ist nicht ausgelastet, die Algerien über Tunesien mit Italien verbindet. Statt bisher 21 Milliarden Kubikmeter sollen alsbald bis zu 11 Milliarden Kubikmeter zusätzliches Gas aus Algerien pro Jahr nach Italien fließen.

Algerien wäre mit der Steigerung um etwa 50 Prozent der Hauptlieferant. Spanien dagegen fällt zurück und wird immer abhängiger vom extrem klimaschädlichen und teuren US-Frackinggas. Das hat die sozialdemokratische Regierung damit erreicht, sich gegen diverse Resolutionen der Vereinten Nationen zur Entkolonisierung der Westsahara zu stellen.

Dass Spanien "Algerien herausfordert" und die Bestellungen in den USA ausweitet, wie spanische Medien titeln, ist hanebüchen, denn Spanien verliert dabei nicht nur viel Geld, sondern wird auch in der Klimapolitik immer unglaubwürdiger.

Die Haltung afrikanischer Staaten zu Russland

Algerien versucht seinerseits einen Seiltanz gegenüber diversen EU-Staaten, die nun listig gegeneinander ausgespielt werden und hält sich alle Optionen offen. Es spielt seine Karten aus. Du dabei sollte nicht vergessen werden, wie im Freitag gerade zu lesen war, dass es gerade in Afrika etliche Staaten gibt, die im Zweifelsfall eher zu Russland als zu den ehemaligen Kolonialherren tendieren.

So wies die Wochenzeitung auch auf die UN-Vollversammlung hin. Als eine Resolution gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine verabschiedet wurde, "sorgten 17 afrikanische Staaten für fast die Hälfte aller Enthaltungen". Etliche Länder auf dem Kontinent "machen die Nato-Expansion nach Osten für den Krieg verantwortlich und beklagen sich über westliche Doppelmoral".

Man erinnert sich in vielen afrikanischen Staaten auch noch gut daran, dass sie "bei der Befreiung von kolonialer oder weißer rassistischer Herrschaft in Moskau Beistand fanden". Man wisse auch heute dort noch, dass es Waffen, Geld und Berater aus der Sowjetunion waren, die dabei "geholfen haben, die Freiheit zu erlangen". So hatte sich auch Algerien enthalten und den Einmarsch in die Ukraine nicht verurteilt.

So darf als wichtiger Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der EU gewertet werden, um den Schmusekurs mit Marokko zu überdenken, dass Algerien im November an der marokkanischen Grenze gemeinsam mit Russland ein Militärmanöver durchführen wird. Wie Russland den völkerrechtswidrigen Angriff der Nato auf Jugoslawien vor 23 Jahren als Blaupause für den Angriff auf die Ukraine nutzt, übernimmt man für dieses Manöver praktisch auch die US-Wortwahl vom Krieg gegen den islamistischen Terror.

Taktische Manöver

So will man an der Grenze zu Marokko nach offiziellen Angaben "taktische Manöver" zur "Suche, Erkennung und Zerstörung von illegalen bewaffneten Gruppen" durchführen. Daran sollen auch Soldaten aus Ägypten, Kasachstan und Pakistan beteiligt sein. Dass die Provinz Béchar ausgewählt worden sei, halten Beobachter für bedeutend. "Russland versucht nach wie vor, seinen Einfluss in Nordafrika auszuweiten, um seine Präsenz auf dem Kontinent zu stärken."

Verwiesen wird auch die Anwesenheit von Söldnern der Wagner Gruppe in Mali, Libyen, Mosambik und der Zentralafrikanischen Republik.

Natürlich richtet sich das Manöver klar gegen Marokko. Das Land tritt mit dem Rückenwind aus den USA – zuletzt auch aus Spanien – immer aggressiver gegenüber Algerien auf. Es führt vermutlich längst tödliche Drohnen-Angriffe auf dem Boden von Algerien durch, die jederzeit zur Eskalation führen können.

Zuletzt wurde ein Angriff auch aus dem Grenzgebiet zu Mauretanien gemeldet. Immer wieder werden dabei auch unbewaffnete Zivilisten ermordet und Algerien hat gegenüber Marokko schon mit Vergeltung gedroht. Das autokratische Königreich bezeichnet seinerseits den Nachbarn in der Westsahara-Frage längst als "wahre Konfliktpartei", weil das Land die Westsahara-Befreiungsfront "Polisario" unterstützt.

Demnach könnte Marokko auch das Gericht der Europäischen Union angreifen, weil es die Polisario als Vertreter der Sahrauis und als "Rechtsperson" anerkannt hat und der Befreiungsfront damit Prozessfähigkeit in der EU zugestanden hat.