BGH formuliert strenge Auflagen für 129a-Verfahren

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil gegen mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" herausgestellt, dass Ermittlungen nach dem §129a nur gegen terroristische Vereinigungen geführt werden können, wenn diese objektiv die Bevölkerung einschüchtern, Behörden nötigen oder den Staat in seinen Grundfesten erschüttern

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Am Mittwoch hat der Bundesgerichtshof seine seit mehreren Wochen erwartete Entscheidung über die Frage getroffen, wann und nach welchen Kriterien nach dem §129a ermittelt werden kann. Er hatte über die Haftbeschwerde gegen drei Männer zu entscheiden, die seit dem 31. Juli 2007 in Berlin in Untersuchungshaft saßen (Angeblicher Schlag gegen Militante Gruppe). Sie werden beschuldigt, in Brandenburg einem Brandanschlagsversuch gegen Militärfahrzeuge begangen zu haben. Gegen sie wurde nach dem §129a wegen Mitgliedschaft in der „militanten gruppe“ (mg) ermittelt. Das bedeutete Einzelhaft, Trennscheibe bei Besuchen, Postkontrolle sowie akribische Ermittlungen gegen die Beschuldigten und ihr vermeintliches politisches Umfeld.

Heute hat der BGH entschieden, dass ein Verfahren nach dem §129a, wie es die Bundesanwaltschaft eingeleitet hatte, in diesem Fall nicht in Betracht kommt. Die Haftbefehle der drei Beschuldigten wurden gegen Meldeauflagen und eine Kaution außer Vollzug gesetzt, so dass sie bis zu Beginn ihres Prozesses auf freien Fuß bleiben können, falls diese Entscheidung auch nach einer möglichen Berufung der Staatsanwaltschaft Bestand hat.

Nach Ansicht des BGH sind die Beschuldigten der versuchten Brandstiftung und der Mitgliedschaft in der mg dringend verdächtigt. Doch gegen diese Gruppe könne das Instrumentarium des § 129a nicht angewendet werden:

Obwohl die Tätigkeit der "militanten gruppe" darauf ausgerichtet ist, Brandanschläge namentlich gegen Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Institutionen sowie privatwirtschaftlicher Unternehmen und sonstiger Einrichtungen zu begehen, kann die Gruppierung nicht als terroristische Vereinigung eingestuft werden.

Pressemitteilung des BGH

In der Begründung wird auf die Reform des §129a im Jahre 2002 verwiesen. Sie stand im Zusammenhang mit der Angleichung der europäischen Anti-Terrorgesetzgebung. Danach reicht für ein 129a-Verfahren das Kriterium der „gemeingefährlichen Straftaten“ und der „qualifizierten Sachbeschädigung“ nicht mehr aus. Notwendig ist vielmehr der Nachweis einer zielbewussten Einschüchterung der Bevölkerung, der Nötigung von Behörden oder Verfassungsorganen sowie von Bestrebungen, die den Staat in seinen Grundfesten erschüttern. Diese Voraussetzungen sieht der BGH bei der mg objektiv nicht erfüllt:

Die von der Gruppierung begangenen Taten konnten - auch im Zusammenwirken mit möglicherweise geplanten weiteren vergleichbaren Taten weder durch die Art ihrer Begehung noch durch ihre Auswirkungen die Bundesrepublik Deutschland, die als betroffener Staat hier allein in Betracht kommt, erheblich schädigen.

Bundesanwaltschaft nicht mehr zuständig

In der Begründung geht der BGH auch auf die Konsequenzen der Entscheidung ein, die über das aktuelle Verfahren hinausreichen. So sei es dem Senat bewusst, dass die Anwendung des §129a damit erheblich eingeschränkt werde. Doch damit befinde er sich in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber, heißt es in der Begründung. Verwiesen wird auf die parlamentarische Erörterung und die Expertenanhörungen im Vorfeld der 129a-Reform. Dort hatten mehrere Juristen erklärt, dass Ermittlungen nach diesem Paragraphen erheblich erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht würden, wenn die Reform beschlossen werde. Diesen Bedenken wurden von anderen Juristen mit der Erwiderung zurück gewiesen, dass eine Strafverfolgung weiter möglich sei, nur dass dann die Bundesanwaltschaft nicht mehr zuständig ist. Hat die Entscheidung Bestand, wäre genau das die Folge. Das Verfahren gegen die drei Beschuldigten müsste an die Berliner Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Darauf haben die Anwälte der Beschuldigten schon vor Monaten hingewiesen ("Beweisnot der Ermittlungsbehörden").

Fragen kann man sich, warum die Bundesanwaltschaft sich so lange gesperrt und den §129a weiterhin so angewandt hat, als habe es eine Reform nie gegeben. Das gilt übrigens auch für einen weiteren Verfahrenskomplex gegen Personen aus dem autonomen Umfeld. Die Hausdurchsuchungen in diesem Zusammenhang haben im Vorfeld der G8-Proteste in Heiligendamm für große Aufmerksamkeit gesorgt (Präventivstaat in Aktion; Erinnerung an Genua). Auch hier wird die Bundesanwaltschaft wohl das Verfahren abgeben müssen, weil die für den §129a maßgebliche Sachlage nicht erfüllt ist. Doch mittlerweile ist bekannt geworden, wie intensiv hier ermittelt wurde. Personenprofile von Personen, die in ganz legalen Zusammenhängen mit den Beschuldigten zu tun hatten, wurden erstellt, die Post an verschiedene Zeitungen wurden nach möglichen Bekennerbriefen kontrolliert.

Welche Folgen diese Überwachung für Betroffene haben kann, machte der am 31.7.07 im Zusammenhang mit dem mg-Verfahren ebenfalls Festgenommene Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm in Zeitschriftenbeiträgen (Anti-Terror mit der Stasi; Andrej H., § 129a und die verdächtigen Begriffe) und seine Freundin in einem Weblog deutlich (Ein Weblog des Terrors). Gegen ihn besteht mittlerweile kein dringender Tatverdacht mehr, so dass der Haftbefehl ganz außer Vollzug gesetzt wurde (Verdacht ist nicht genug).

129a hat seinen Zweck erfüllt

So kann man sagen, dass der BGH mit seiner heutigen Entscheidung deutliche Grenzen für künftige 129a-Verfahren gesetzt hat. Das ist auch für die Justiz von Vorteil. Denn er war in erster Linie ein Ermittlungsparagraph. Nur ein Bruchteil der 129a-Verfahren kamen überhaupt zur Anklage. Der Anteil der Verurteilungen war noch wesentlich geringer. Kritiker (www.freilassung.de/div/texte/129a.htm) sprachen denn auch davon, dass es bei der Anwendung des §129a vor allem um die Durchleuchtung politischer Zusammenhänge gegangen sei. Das dürfte aber im Zeitalter der Vorratsdatenspeicherung und der angestrebten Online-Überwachung auch ohne den 129a möglich sein. Bisher haben Gruppen mit einer gewissen Breitenwirkung die Abschaffung des §129a gefordert. Welche Bedeutung die Beschränkung dieses Instrumentariums haben wird, hat man in diesen Kreisen auch erst in Ansätzen diskutiert.