Baerbock über den Wolken: Ihr Geschenk an rechte Klimaschutz-Vollverweigerer

Symbolbild: Grünen-Wahlplakat mit Baerbock-Konterfei von 2021

Im Bundestagswahlkampf 2021 warben die Grünen mit Baerbock für eine klimafreundliche Zukunft. Foto: Shutterstock.com

Die Außenministerin muss mehrmals im Jahr fliegen. Ihr Nachtflug nach dem EM-Spiel beweist aber politische Instinktlosigkeit. Was gefährlich ist. Ein Kommentar.

Ja, sie hatte einen wichtigen Termin in Luxemburg und brauchte vorher noch eine ausreichende Dosis Schlaf. Aber hätte sie am Vorabend kein EM-Spiel besucht, wäre das alles nicht so eng getaktet gewesen. Die Rede ist vom nächtlichen Kurzstreckenflug der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die im Bundestagswahlkampf 2021 von ihrer Partei als "Klimakanzlerin" angepriesen wurde und sogar auf Großdemos des Netzwerks Fridays for Future auf Stimmenfang ging.

Ihr Auftreten im Wahlkampf sollten sich alle vergegenwärtigen, die sie jetzt aufgrund ganz anderer Themen für eine hervorragende Außenministerin halten und meinen, sie könne sich auch mal so eine Kleinigkeit gönnen wie einen Stadionbesuch, für den sie anschließend eine Ausnahme vom Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt am Main beanspruchen muss.

Jahrelang war hier mit maßgeblicher Beteiligung der Grünen in ihrer Frühzeit gegen den Bau der Startbahn West und den ausufernden Flugverkehr demonstriert worden – und natürlich greift das nach Baerbocks Fauxpas nicht nur die Bild-Zeitung genüsslich auf, sondern auch deren geschasster Ex-Chefredakteur Julian Reichelt, der jetzt beim neurechten Portal Nius das Zepter schwingt.

Mal eben 184 Kilometer in der Regierungsmaschine

Für das sechsstündige Nachtflugverbot, das auf dem Airport seit 2011 ab 23 Uhr gilt, hatten die Grünen jahrelang energisch gekämpft. Aber mal eben eine Ausnahme für 184 Kilometer in der Regierungsmaschine, was ist das schon?

Als Außenministerin ist Baerbock stark auf äußere Feinde fixiert, aber viele, die den Grünen 2021 ihre Stimme gaben, dürften eher die mögliche "Klimakanzlerin" im Blick gehabt haben, als die sie auftrat.

Die gefühlt linksalternative Zielgruppe ist zwar durchaus bereit, für das Klima auf übermäßigen Fleischkonsum oder den Kauf eines SUV zu verzichten – viele kennen schließlich verdeckt aufgenommene Videos aus der Massentierhaltung, die schlagartig den Appetit verderben, und finden Statussymbole des fossilen Kapitalismus eher albern.

Baerbock und die Zerrissenheit der One-World-Zielgruppe

Aber gerade der Verzicht auf Flugreisen fällt vielen, die nicht nur ab und zu der Winterdepression entkommen wollen, sondern sich auch noch als Teil einer "One World" sehen und interkulturelle Kompetenz großschreiben, deutlich schwerer. Und viele machen das dann eben davon abhängig, ob fast nur sie "die Dummen" sind und ihr Verzicht ein Tropfen auf den heißen Stein bleibt, oder ob sich ein Trend abzeichnet.

Klar: Wenn alle darauf warten, ändert sich nichts – vor allem nicht, solange Bahnfahrten teuer und Flugreisen vergleichsweise billig sind. Hier wäre eine völlig andere Verkehrspolitik gefragt, denn das entspricht in keiner Weise dem realen Ressourcenverbrauch und den emissionsbedingten Schäden. Bahnfahren müsste deutlich billiger sein. Stattdessen wird seit Jahren der Flugverkehr durch Verzicht auf eine Kerosinsteuer entlastet.

Wer das Problem nicht grundsätzlicher angeht und stattdessen oft auf moralische Appelle und individuellen Verzicht setzt, darf sich nicht wundern, wenn das Nichterfüllen einer Vorbildfunktion durch grüne Spitzenpolitikerinnen vom politischen Gegner nach Kräften ausgeschlachtet wird, um jeglichen Klimaschutz zu torpedieren.

Baerbock liefert unfreiwillig Munition für politische Gegner

"Damit das mal klar ist: Flugverbote sind für den Pöbel, aber doch nicht für die grüne Nomenklatura, die sie gemacht hat", kommentierte dementsprechend AfD-Ko-Chefin Alice Weidel am Dienstag auf der Plattform X.

Leider verschwindet die Klimakatastrophe nicht durch Bigotterie und persönliche Inkonsequenzen grüner Politiker. Aber in Deutschland 2024 geht es oft mehr um Bauchgefühle als um Fakten. Wenn wir in Deutschland einen eher nasskalten Sommer erleben, wird das vielfach als Gegenbeweis zur Erderwärmung empfunden – egal ob die weltweite Durchschnittstemperatur steigt. Denn auf das Gefühl, dass Deutschland der Nabel der Welt sei, setzt in der Parteienlandschaft nicht nur die AfD.

Niemand erwartet ernsthaft, dass eine Außenministerin gar nicht oder nur wenige Male im Jahr fliegt. Wenn aber in dieser Gemengelage eine grüne Außenministerin wegen Fußball auf Nachtflugverbote pfeift, ist das ein Geschenk an den politischen Gegner.

Wenn sie das nicht erkennt, fehlt ihr grundsätzlich das Gespür dafür, welche Schwachpunkte der Gegner ausnutzen kann – auch auf dem internationalen Parkett. Die Frage ist auch, wie sich diese Instinktlosigkeit in einer verschärften Konfrontation mit Russland auswirken würde. Dem Gegner unfreiwillig propagandistische Munition zu liefern, kann hier gefährlich werden.