Bahn-Sabotage: "Noch nicht richtig Krieg"

Carsten Breuer, Kommandeur des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, hat einen klaren Verdacht. Foto: KdoTA Presse / CC-BY-SA-4.0

Laut Verkehrsministerium wird wegen der zerstörten Kabel "breit ermittelt". Ein Bundeswehr-General warnt vor "hybrider Bedrohung" durch Russland. Gegen Täter aus dem linken Spektrum sprechen vor allem inhaltliche Gründe – und ein angeblich professionelleres Vorgehen.

Aus ermittlungstaktischen Gründen werden im Fall des Sabotageakts, der Samstag den Zugverkehr im Norden Deutschlands weitgehend lahmlegte, nicht viele Details genannt – außer dass bislang Unbekannte an zwei Standorten in Deutschland wichtige Kommunikationskabel durchtrennt hätten.

Herumgesprochen hat sich aber, dass die Täter im Vergleich zur "linksextremen" Szene "vielleicht bessere Möglichkeiten haben", wie der ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt am Samstag sagte. "Das, was heute passiert ist, ist auf eine gewisse Weise professioneller."

"Hier ist gezielte Sabotage auf unsere Infrastruktur verübt worden", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Samstag. Die Ermittlungen würden "breit geführt".

Am Abend wurden die Ermittlungen an das Landeskriminalamt in Berlin übergeben, wie Sprecher der Bundespolizei und des Berliner Lagezentrums am frühen Sonntagmorgen bestätigten.

Die Bild am Sonntag zitiert in diesem Zusammenhang den Bundeswehr-General Carsten Breuer, für den der Fall klar zu sein scheint: Er spricht von "hybriden Bedrohungen" vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine: "Der Krieg Russlands hat dazu geführt, dass unser Schwerpunkt wieder auf der Landes- und Bündnisverteidigung liegt. Dem ganzen Land ist klar geworden: Krieg in Europa ist wieder möglich." Jede Umspannstation, jedes Kraftwerk und jede Pipeline könne attackiert werden, so der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr.

Das ist der Zustand zwischen nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht richtig Krieg.


Carsten Breuer, Bundeswehr-General

Bei den "Ermittlungen in alle Richtungen" kommt der russische Geheimdienst auch laut "Sicherheitskreisen" auf die sich der Tagesspiegel beruft, als einer der Hauptverdächtigen in Betracht.

Der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter sagte im Gespräch mit der Berliner Morgenpost, man könne zwar bisher "nur spekulieren", aber: "Um das hinzubekommen, muss man sehr genaue Kenntnisse über das Funksystem der Bahn haben. Es stellt sich die Frage, ob wir es mit Sabotage von ausländischen Mächten zu tun haben."

An Täter aus dem linken Spektrum wurde wohl zunächst deshalb gedacht worden, weil es in auf den ersten Blick ähnlichen Fällen Bekennerschreiben in linker Szenediktion gegeben hatte – beispielsweise zu Anschlägen auf die Berliner S-Bahn im Mai 2011, im August 2014 und im Oktober 2020.

Abgesehen davon, dass in diesen Fällen die Bekennerschreiben zeitnah aufgetaucht waren, handelte es sich dabei aber um Sabotage an Werktagen, die nach den Worten der unbekannten Verfasser die "mörderische Normalität" und den kapitalistischen Alltag beeinträchtigen sollte. Es ging erklärtermaßen um "gestörte Arbeitsabläufe", Verspätungen und "economic damage".

Gleichwohl wurden solche Aktionen innerhalb der linksradikalen Szene scharf kritisiert – etwa 2014 im Lower Class Magazine unter der Überschrift: "Fährst du zur Arbeit, zünd' ich dir die S-Bahn an. Kritik einer entgleisten Form von Militanz". Andere im linken Spektrum spekulierten sogar darüber, ob es sich um "False-Flag-Aktionen" handeln könnte.

Inzwischen ist die Bedeutung einer sozial-ökologischen Verkehrswende als linke Forderung weiter gewachsen. Vereinfacht gesagt heißt das: mehr Bahn, weniger motorisierter Individualverkehr. Mit Aktionen des zivilen Ungehorsams wurden in den letzten Jahren neben der Kohleförderung Straßenbauvorhaben bekämpft und Automessen gestört.

Sabotageaktionen an Bahnstrecken wären für das erklärte Ziel kontraproduktiv. Den Zugverkehr am Wochenende lahmzulegen, ließe sich auch kaum mit einer Störung des kapitalistischen Alltags begründen.