Bamf-Affäre: "Vorsichtig nachbohren" oder "Politgetöse"

FDP und AfD für Untersuchungsausschuss, Linke und Grüne weiter dagegen

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Die Affäre um unrechtmäßige Asylgewährung in Bremen (siehe: Asylgewährung in Bremen: Bamf will 18.000 Fälle überprüfen) hält sich auch über die Pfingsttage in den Schlagzeilen. Dabei werden zwei Motive vorangetrieben.

Weiter aufgeladen wird die Affäre zum einen mit Nachrichten, wonach das Bamf schon früher als bisher angegeben Kenntnis darüber hatte, dass Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle vorliegen könnten. Pikant ist der dazu gehörige Vorwurf, dass sich ein Abteilungsleiter aus politischen Gründen gegen eine akribische Aufklärung der dubiosen Fälle ausgesprochen hat.

Zum anderen gab es auch an diesem Wochenende erneut Hinweise darauf, dass die Affäre über eine unkorrekte Asylgewährung nicht nur Bremen betrifft, sondern dass sich auch in anderen Städten Unregelmäßigkeiten bei Asylverfahren gehäuft hätten.

Seehofer: "Schlecht informiert - oder lächelt er die Probleme weg?"

Bei einem politisch so aufgeladenen Thema wie "Asyl" werden Ungereimtheiten, vor allem wenn es den Versuch gibt, sie zu verbergen, bald zu einer Personal-Diskussion. So fiel bei der Diskussion darüber, ob ein Untersuchungsausschuss zur Bremer Affäre eingerichtet werden soll, zwangsläufig auch bald der Name des Innenministers (BAMF-Affäre: Druck auf Seehofer steigt).

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann gab am Montag bekannt, dass es angesichts täglicher Neuigkeiten "zum Versagen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge", nun einen "vollumfänglichen Untersuchungsausschuss" brauche. Er nutzte die Gelegenheit, um auf Seehofer zu zielen:

Offenbar weiß weder im Bundesinnenministerium noch im Bamf die linke Hand, was die rechte tut.

Marco Buschmann, FDP

Wenn Seehofer Defizite sehe, müsse er "proaktiv informieren", wird die Grünen-Politikerin Amtsberg zitiert und dazu ihre Frage: "Wurde ihm das Ministerium nur schlecht übergeben und er schlecht informiert - oder lächelt er die Probleme weg?"

Politisch relevant würde die Bemerkung dann, wenn sie signalisiert, dass sich die Haltung der Grünen zur Einberufung eines Untersuchungsausschusses ändert. Die FDP hatte über ihren Vorsitzenden Lindner am vergangenen Donnerstag angekündigt, dass sie einen Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik erwäge: "Die Vorgänge im BAMF sind nun der Anlass, aber nicht der einzige Gegenstand: Die Flüchtlingspolitik muss von 2014 an untersucht werden, um Verschwörungstheoretikern die Grundlage zu nehmen." (siehe BAMF-Affäre: FDP kündigt Untersuchungsausschussantrag an).

Bislang sind die Grünen gegen einen Untersuchungsausschuss wie auch die Linke. Bis der Untersuchungsausschuss Ergebnisse bringe, dauere das mindestens zwei Jahre, argumentiert die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg. Man brauche aber jetzt Lösungen.

Für die aktuelle Forderung der FDP nach einem Untersuchungsausschuss stimmt auch die AfD. Für die Ausstellung eines solchen Ausschusses nötig wäre das "Ja" von drei der vier Oppositionsparteien.

"Die Fälle ansehen, aber nicht zu intensiv"

Eine Mail vom Februar 2017 soll zeigen, dass die Bamf-Chefin Jutta Cordt bereits damals Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle erhalten habe. Adressiert war die Mail laut Informationen der SZ an einen Abteilungsleiter, "einer der hochrangigen Beamten im Bamf", cc ging sie an die Bamf-Präsidentin Jutta Cordt, sowie an ein weiteres Mitglied der Behördenspitze.

In dem Schreiben wies eine Mitarbeiterin darauf hin, dass das Land Niedersachsen sich verdächtige Fälle genauer ansehe, an denen die Bremer Außenstelle des Bamf sowie der verdächtige Rechtsanwalt beteiligt waren. "Ich empfehle, dass wir seitens des Bamf selber in die Prüfung (...) eintreten, bevor es das Bundesland macht und es wieder 'Politgetöse' gibt. Was meinst Du?", schrieb die Mitarbeiterin.

SZ

Als Reaktion wurde, wie SZ und NDR herausgefunden haben, vorgeschlagen, sämtliche Verfahren zu überprüfen, "die 2015 und 2016 in Bremen angelegt wurden, in denen sich die Behörde sehr entgegenkommend gezeigt hatte, und in denen der niedersächsische Rechtsanwalt beteiligt war, der damals schon Verdacht erregt hatte".

Allerdings müsse man "genau überlegen", ob das Bamf eine "solche Aktion" "von sich aus starten will", zitiert die SZ augenscheinlich aus der Mail-Korrespondenz, da das Risiko bestehe, dass, "ein schlechtes Bild auf das Bundesamt" geworfen wird, wenn die Sache an die Öffentlichkeit gerät.

Der Abteilungsleiter habe darauf mit der Weisung reagiert, "die Fälle anzusehen, aber nicht zu intensiv". Er "möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird", zitiert die SZ aus seiner Antwort-Mail vom 14. Februar - mit dem Zusatz: "Ob er dieses Vorgehen mit der Behördenspitze um Jutta Cordt abgesprochen hatte, ist unklar".

Der Abteilungsleiter entscheidet: "Würden Sie bitte 'geräuschlos' wie vorgeschlagen vorgehen. Ich möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird..." Man solle erst einmal "vorsichtig nachbohren".

Tagesschau

Offiziell erklärte das Bamf am Sonntag, Cordt habe die E-Mail mit den Anweisungen des Abteilungsleiters nicht erhalten.

Von Innenminister Seehofer heißt es, dass er erstmals am 19. April 2018 von den Vorwürfen gegen die Bremer Außenstelle Kenntnis erhalten habe. Die Öffentlichkeit erfuhr im selben Zeitraum davon - nach den staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen am 18 und 19.April.

Der früheren Leiterin der Bamf-Außenstelle in Bremen wird vorgeworfen, dass sie zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen Asyl gewährt haben, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren.

Unregelmäßigkeiten auch in anderen Außenstellen

In den vergangenen Tagen wurde berichtet, dass es auch bei den Außenstellen in Karlsruhe, Gießen und Bingen am Rhein zu einer Häufung von Unregelmäßigkeiten bei Asylverfahren gekommen ist. Laut SZ überprüft das Bamf inzwischen zehn weitere Außenstellen, "in denen Abweichungen von den durchschnittlichen Schutzquoten um zehn Prozentpunkte aufgefallen waren - nach oben wie nach unten".

Laut Zeit, die sich auf die Funke-Mediengruppe beruft, sind es 13 weitere Außenstellen, die überprüft werden.