Barack Obama, John McCain - und Joe der Klempner

In der letzten Fernsehdebatte prägte sich die Rollenverteilung weiter aus: McCain als nervöser Herausforderer, Obama als gelassener Umfragensieger

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Mit der dritten Debatte zwischen John McCain und Barack Obama ist der laufende Debattenzyklus im Wahlkampf um das amerikanische Präsidentenamt am Mittwoch an der Hofstra University in Hempstead (Bundesstaat New York) zu Ende gegangen. Insbesondere für die zuletzt ins Schlingern geratene Präsidentschaftskampagne des republikanischen Kandidaten John McCain war die Gesprächsrunde mit der Hoffnung auf neuen Schwung für die letzten Wochen bis zum Wahltag verbunden.

Die taktischen Vorteile lagen jedoch beim demokratischen Bewerber, dessen gesamte Kampagne derzeit – in der Sprache der häufig auf Sportmetaphern zugreifenden Wahlkampfberichterstattung – eher auf „Ergebnisverwaltung“ ausgerichtet ist. Als zusätzlichen Trumpf hält Barack Obama auch noch eine derart prall gefüllte Wahlkampfkasse bereit, dass ein 30-minütiger TV-Dokumentarbeitrag in Vorbereitung ist, der kurz vor dem Wahltag am 4. November landesweit zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden soll. Selbst auf einen gravierenden Patzer, den vom gegnerischen Lager herbeigesehnten gaffe, könnte Obama also noch mit einem angemessenen medialen Korrektureinsatz reagieren. Nach den teilweise drastisch gefallenen Umfragewerten war John McCain in die Offensive gezwungen und benötigte einen game changer – soweit das vor der Debatte sorgsam in den Medien orchestrierte Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer.

Die Organisation der dritten Debatte als „Pressegespräch“ stellte dabei schon eine erste Hürde für das republikanische Lager dar, denn das Format – sitzend am Tisch, nahe beieinander – begünstigt einen konfrontativen Rede- und Argumentationsstil nur bedingt. Auch fehlen die noch beim Townhall Meeting anwesenden Bürger als potenzieller Stör- und Unsicherheitsfaktor, zudem bleibt den Kandidaten kaum Spielraum für ausladendere Gesten oder die Nutzung des Bühnenraumes wie noch in der Vergangenen Woche in Nashville.

Durch die von einigen Fernsehsendern gewählte Darstellung als Splitscreen-Format fiel den so genannten reaction shots eine gewichtige Rolle zu – vor allem John McCain wirkte während des Zuhörens häufig unruhig und verkniffen, während sein demokratischer Rivale durchweg die größere Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte. Auf diese Weise wurde während des Gesprächs die „gefühlte Rollenverteilung“ sichtbar: McCain als bisweilen nervöser Herausforderer, Barack Obama als gelassener frontrunner der Umfragen.

Joseph Wurzelbacher – "Joe, der Klempner"

Bereits der unvermeidliche Einstieg mit der Frage nach den Wirtschaftskonzepten der Kandidaten brachte aber eine weitere Figur an den Debattentisch: Joe, den Klempner. Gleich in seiner zweiten Wortmeldung führte John McCain die Probleme des exemplarischen „kleinen Mannes“ an, der aufgrund der Steuerpläne von Obama das Unternehmen, für das er seit langen Jahren arbeite, nicht kaufen und übernehmen könne. Damit war der Ton für die Debattenrunde gefunden - und der Start für den Republikaner gar nicht mal schlecht. Der sogar namentlich eingeführte Klempner diente McCain im Lauf der Debatte als dauerhaftes Motiv zur Untermauerung seiner Anwaltschaft für den Durchschnittsbürger – und avancierte zum heimlichen Star des Abends.

Die erste halbe Stunde stand im Zeichen der Wiederbelebungsversuche für die am Boden liegende US-Wirtschaft und die Pläne der Kandidaten zu Kostensenkungen und Budgetausgleich. Neue Konzepte kamen dabei nicht zum Vorschein, die Standpunkte der Kandidaten wiederholen sich, Obama stellt wie bereits zuvor Haushalts- und Steuerpolitik seines Kontrahenten in eine Reihe mit George W. Bush. McCain pariert und nutzt diesen Debattenabschnitt zur für ihn so wichtigen Abgrenzung zum amtierenden Präsidenten: „Senator Obama, wenn sie gegen Präsident Bush antreten wollen, hätten Sie vier Jahre früher kommen müssen.“

Offenbar hatte Gesprächsleiter Bob Schieffer (CBS News) die an verschiedenen Stellen geäußerte Kritik an einer zu zögerlichen Moderation der Debatten zur Kenntnis genommen und wendete sich mehrfach mit direkten Nachfragen an McCain und Obama. Nicht zuletzt dadurch gewann der rhetorische Schlagabtausch mehrfach an Brisanz – vor allem als Schieffer wissen wollte, ob sich die Kandidaten die Dinge, die sie in ihren Kampagnen und Spots über den jeweils anderen äußern, ihrem Kontrahenten auch direkt ins Gesicht sagen würden. Die direkte Adressierung der wachsenden Negativität in der Debatte stellte für John McCain die größere Schwierigkeit dar, da die republikanische Kampagne in der öffentlichen Wahrnehmung als deutlich negativer angesehen wird.

Andererseits geriet auch Obama in die Defensive, da er sich für seine angebliche Verbindung zu William Ayers, einem radikalen Aktivisten der Anti-Vietnamkriegsbewegung „Wheather Underground“, verantworten musste. Die an dieser Stelle elegant und gut eingeführte Moderation hatte damit gleich mehrere Themenstränge eröffnet – denn beinahe unweigerlich führte die wachsende Schärfe in der Kampagne auch zu den running mates der Kandidaten. Gerade Sarah Palin hatte bei Wahlkampfauftritten die umstrittene Obama-Ayers-Verbindung thematisiert und den Demokraten in die Nähe „terroristischer Aktivitäten“ gerückt. Obama verzichtete in der Debatte jedoch auf eine offene Replik – Grund war vor allem der Versuch, präsidentielle Haltung zu wahren.

Obama überraschend für restriktivere Mediennutzung

Für den Einstieg in die zweite Debattenhälfte sorgten die Themenfelder Energiepolitik und Gesundheitsreform – ohne gravierende Neuigkeiten aus beiden Lagern, die schon in den vorangegangenen Debatten dargelegten Positionen wurden neu aufgelegt. Im Bestreben, den Kandidaten klare Gegenpositionen abzuringen, wurde Moderator Schieffer erst bei der Frage nach möglichen Nominierungen für den Supreme Court belohnt. Verpackt ist darin die Positionierung zu einer möglichen Revision des Urteils Roe vs. Wade zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen, an der die bekannten Differenzen der Kandidaten deutlich wurden.

Den inhaltlichen Schlusspunkt bildet ein längerer Block zur Erziehungspolitik, ein Abschnitt, den Barack Obama dank präziserer Positionen durchaus für sich entscheiden kann. Neben Fragen der Schulorganisation und –finanzierung spricht Obama kurz auch die Rolle der Eltern als zusätzliche Erziehungsinstanz an. Etwas überraschend fordert der Internet-Wahlkämpfer dabei eine etwas restriktivere Mediennutzung: „Eltern sollten darauf achten, dass auch mal der Fernseher ausgemacht, die Videospiele beiseite gelegt werden.“

Es folgen die closing statements, in denen beide Kandidaten direkt die Wähler am Bildschirm adressieren – McCain und Obama spulen noch einige vorproduzierte Sätze ab, die als Futter für die Nachrichtensendungen verwendet werden sollen. Die inhaltliche Auseinandersetzung ist beendet, es geht nur noch um eine angenehme, staatstragende Formulierung des eigenen Anspruchs auf die Führungsrolle im Weißen Haus.

Nach Abschluss der diesjährigen debate season dürfte klar sein, dass davon keine ganz gravierenden Veränderungen im Wahlkampf ausgehen: sämtliche Debatten der Präsidentschaftskandidaten ließen den entscheidenden Schlag gegen den Widersacher vermissen – und genauso blieben die großen Patzer aus. Weder zeigte Barack Obama Schwächen bei der Darstellung seiner presidentiality und dem Kampf gegen die vermutete Unerfahrenheit, noch musste John McCain seinem Alter oder seiner Gesundheit Tribut zollen – im Vorfeld jeweils die größten Sorgen bei der weithin sichtbaren Präsentation vor dem US-Fernsehpublikum. Kennzeichnend für die 2008er-Auflage ist sicher die Überlagerung der Debatten von den Folgen der Finanzkrise und der Entwicklung eines Rettungsplans, dies gilt insbesondere für den traditionell besonders kontroversen Debattenauftakt.

Trotz dieses Standardthemas in allen Debatten blieb noch genügend Raum für eine umfassende Präsentation der Standpunkte in den wesentlichen Themenfeldern. In der Kritik stand die Moderation, vor allem bei der Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden und Sarah Palin wie auch beim Townhall Meeting zwischen Obama und McCain: schwache Diskussionsführung, zu wenig kontroverse Fragen, kein Nachhaken bei unklaren oder strittigen Punkten.

Herausgefordert und hinterfragt wurde auch die mediale Aufbereitung der Debattenserie als noch immer fernsehdominiertes Format – besonders der für viele Beobachter als gescheitert geltende Versuch der Integration von Bürgerfragen via Internet in der Townhall-Debatte hat die Diskussion über die künftige Organisation dieser reichweitenstarken Höhepunktes des Präsidentschaftswahlkampfs befördert. Gleichzeitig haben neue Begleitformate wie Hack the Debate unter Einbeziehung von Zuschauerreaktionen via Twitter andeuten können, dass die Fernsehdebatten einer Digitalisierung wohl nicht entkommen dürften.

Den Kandidaten bleiben nun noch knapp drei Wochen für die Fortsetzung ihrer Kampagne –die vier Debatten haben nicht zu einer völligen Neusortierung der Wählermeinungen geführt, eher begleiteten sie die allmählichen Festigung von Barack Obama als frontrunner und das Stagnieren der McCain-Kampagne. Während es dem Republikaner auch in der letzten Debatte nicht gelungen ist, ein starkes Comeback zu realisieren, könnte für Obama im letzten Debattenabschnitt die Fortführung seiner eher zurückhaltenden, quasi-präsidentiell geführten Kampagne ausreichen, um den Vorsprung bis zum 4. November zu halten. Im Lager von John McCain dürfte die Suche nach dem nächsten campaign stunt, der die aktuelle Situation noch umzudrehen in der Lage ist, bereits begonnen haben.