Baryometer zur Dichtemessung im Universum

Neue Untersuchungen zur Frage, ob wir in einem ewig expandierenden oder irgendwann wieder in sich zusammenstürzenden Universum leben

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Baryonische Materie ist die normale Materie im Universum, aus der Planeten und Sterne bestehen. Analysen haben inzwischen ergeben, dass sie nur ungefähr fünf Prozent des Universums ausmacht (Vgl. PAMELA auf der Suche nach Dunkler Materie). Entscheidend für die Frage, ob das Weltall sich immer weiter ausdehnen wird oder ob irgendwann eine Schubumkehr einsetzen könnte, ist die Häufigkeit und Dichte baryonischer Materie.

Simulation der Materieentwicklung im Kosmos

Thomas M. Bania von der Boston University, Massachusetts, Robert T. Rood von der University of Virginia in Charlottesville und Dana S. Balser vom National Radio Astronomy Observatory in Green Bank, West-Virginia, veröffentlichen in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature (www.nature.com) die Resultate ihre Messungen der kosmologischen Dichte von Baryonen, die auf der Beobachtung von Helium-3 in der Milchstrasse beruht. Baryonen sind aus je drei Quarks zusammengesetzte Teilchen. Der Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet "schwere Teilchen".

Vor 10-14 Milliarden Jahren begann alles mit dem Urknall, dem Big Bang. Vorher gab es weder Raum noch Zeit. In den ersten Minuten nach dem Urknall entstanden aus Protonen und Neutronen zusammengesetzte Atomkerne. Helium bildete sich über die Zwischenstufen Deuterium und Tritium, beides Isotope des Wasserstoffs. Zu diesem frühen Zeitpunkt bestand das Universum aus einer Ursuppe von Elementarteilchen. Die Temperatur dieser Ursuppe betrug 10 hoch 32 Kelvin. Zum Vergleich: Die Sonnenoberfläche hat etwa 6000 Kelvin, im Zentrum der Sonne herrschen Temperaturen von 10 Millionen Kelvin (0 Kelvin entsprechen -273 Celsius).

Die Theorie der primordialen Nukleosynthese, auch Big Bang Nukleosynthese (BBN genannt, besagt, dass sich nach der Zerstrahlung der meisten Partikel zwischen den übrig gebliebenen Neutronen, Protonen und Strahlungsquanten ein neues Gleichgewicht heraus bildete. Die Kernteilchen kollidierten miteinander und es entstanden die ersten Atomkerne. Dabei wurde Energie in Form von Photonen frei, andererseits wurden die frisch gebildeten Kerne durch Photonen ausreichender Energie auch wieder in ihre Bestandteile zerlegt. Durch die fortschreitende Abkühlung reichte die Energie des Strahlungsfeldes immer weniger aus, die Kerne zu zerstören.

Andererseits nahm auch die Häufigkeit von Zusammenstößen durch die Expansion stetig ab. Die zuvor freien Protonen und Neutronen verbanden sich bei dieser Nukleosynthese teilweise zu Heliumkernen, die aus jeweils zwei Protonen und Neutronen bestehen. Am Ende der Nukleosynthese beträgt der Anteil von Helium-4 an der Gesamtmasse der Materie im Kosmos etwa 25%, 75% sind Wasserstoff. In sehr geringen Spuren wurden gleichzeitig mit Helium-4 auch andere, schwerere Elemente wie Lithium gebildet. In etwas höheren Konzentrationen findet man auch die Zwischenprodukte der Helium-Reaktionskette, Deuterium und das leichte Helium-Isotop Helium-3. Man kann folglich Aufschlüsse über die Ursprünge des Universums zu erhalten, wenn es gelingt, die primordialen (ursprünglichen) Häufigkeiten dieser ersten Elemente, also von Deuterium (schwerem Wasserstoff), Helium und Lithium-7 zu messen.

Alle schwereren Elemente wurden erst später im Innern der Sterne erzeugt. In Sternen, die erheblich weniger schwere Elemente als unsere Sonne enthalten, die also offenbar aus nahezu ursprünglicher Urknall-Materie entstanden sind, ist der Heliumanteil in der Atmosphäre nur wenige Prozent geringer als in unserer Sonne. Trotzdem geht die gängige Theorie davon aus, dass Helium-3 nicht nur während des Urknalls, sondern auch später in Sternen entstanden ist (Vgl. Die ersten Atome). Verschiedene Messungen der Häufigkeit in der Vergangenheit von Helium-3 waren sehr aufschlussreich, hatten aber auch Widersprüche ergeben, die nun durch die Astrophysiker aus den USA aufgeklärt werden konnten.

National Radio Astronomy Observatory in Green Bank

Die Ergebnisse des Teams um Bania beruhen auf zwei Dekaden von komplexen Beobachtungen der Sternentstehungsregionen H II und des planetarischen Nebels in der Milchstrasse mit einem Radio-Teleskop, dem National Radio Astronomy Observatory in Green Bank. Die Messung der primordialen Häufigkeitsverteilung ist von Interesse für die Kosmologie, die Theorie der stellaren Evolution und die chemische Entwicklung der Galaxie. Bania und Kollegen konnten jetzt mit ihren vergleichenden Messungen zeigen, dass die meisten Sterne mit einer unserem Zentralgestirn entsprechenden Masse - entgegen den gängigen Ansätzen - nicht genug Helium-3 produzieren, um zu signifikanten Anreicherungen im interstellaren Raum zu führen. Helium-3 ist also ein Indikator für die primordiale Dichte der baryonischen Materie, ein "kosmologisches Baryometer". Die Ergebnisse der amerikanischen Astrophysiker bestätigen den Urknall.

Das Universum ist ein sich ausdehnender Raum, der eine enorme Zahl von Galaxien einschließt. Ein geschlossenes Universum, das irgendwann durch die Gravitationskraft das Auseinanderdriften der Galaxien stoppt und eventuell sogar im "Big Crunch" in sich zusammenfällt, kann nicht nur aus der normaler, baryonischer Materie bestehen, weil ihre Dichte nicht ausreicht. Die Suche nach der Art und Zusammensetzung der Dunklen Materie geht weiter.

Neue Antworten zu den Ursprüngen unseres Universums und die Anfänge der kosmologischen Geschichte wird sicher die bereits gestartete Forschungssonde MAP (Microwave Anisotropy Probe) der NASA bringen. MAP wird 18 Monate lang in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometer von der Erde positioniert und lauscht auf die Fluktuationen im Urknallecho. Das Resultat wird ein Bild der Universums sein, wie es 300 000 Jahre nach dem Urknall aussah, noch bevor Galaxien und Sterne sich bildeten (Vgl. Lauschangriff auf den Big Bang).