Basteln Merkel und Sarkozy weiter am Elite-Europa?
Die angebliche IWF-Unterstützung für das abstürzende Italien wurde inzwischen ebenso dementiert wie die Schaffung von "Elite-Bonds", glaubwürdig sind die Dementis kaum
Muss man den Dementis glauben, die es derzeit wieder hagelt? Dementiert wurde zum Beispiel, dass Angela Merkel und Nicolas Sarkozy an einem Plan B zur Eurorettung arbeiten würden, falls alle anderen Pläne scheitern. Auf dem Weg zum Europa der zwei Geschwindigkeiten könnte es nach Berichten statt Euro-Bonds bald "Elite-Bonds" der Länder geben, die noch die Bestnote der Ratingagenturen bekommen. Dementiert wurden auch Gespräche zwischen dem abstürzenden Italien und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der angeblich Rom mit 400 bis 600 Milliarden Euro unter die Arme greifen könnte.
Man muss zum Beispiel das Dementi aus Washington vom IWF nicht glauben, wonach sich die Finanzorganisation "nicht in Diskussionen mit der italienischen Regierung über ein Finanzierungsprogramm befindet". Die italienische Zeitung La Stampa hatte am Sonntag gemeldet, dass der IWF Hilfen in einem Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro prüfe, um die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone vor dem Absturz zu bewahren. Darüber habe Mario Monti schon mit der IWF-Chefin Christine Lagarde gesprochen. Der Zinssatz für die Kredite an Italien solle demnach zwischen vier und fünf Prozent liegen und damit deutlich unter dem Wert, den Italien derzeit an den Kapitalmärkten bezahlen muss.
Tatsächlich zieht sich die Schlinge immer enger. Denn die sogenannte "Technokraten-Regierung" unter dem neuen Regierungschef Mario Monti schafft es nicht einmal in einem günstigen Börsenumfeld, die Zinsen unter der Absturzmarke von 7% zu halten, an der Griechenland, Irland und Portugal Nothilfe beantragen mussten. Nach der desaströsen Versteigerung von zehnjährigen Anleihen am vergangenen Freitag musste Rom am Montag erneut für eine Anleihe deutlich über 7% bieten. Für Anleihen mit einer Laufzeit über 15 Jahren musste das Land eine Rendite von 7,3% bieten, um sie losschlagen zu können. Dabei fand sie bei steigenden Börsenkursen statt. Der Leitindex in Mailand stieg um über 4% und auch der DAX in Frankfurt konnte deutlich zulegen und ging mit einem Plus von 4,6% aus dem Handel.
Das Szenario, das La Stampa aufzeigt, ist aber aus verschiedenen Gründen ein möglicher realer Plan B. Denn klar ist, dass man sich etwas für das abstürzende Italien überlegen muss. Der Schuldenmeister Italien, mit seinen fast 2 Billionen Euro Staatsschulden, kann diese Zinslast angesichts einer Verschuldung von fast 120% im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung nicht verkraften. Das Land steht hinter Griechenland bei der Staatsverschuldung auf Platz 2. Portugal und Irland hatten trotz einer deutlich geringeren Verschuldung bei derartigen Zinssätzen längst die Nothilfe beantragen müssen.
Was ebenfalls für das IWF-Szenario spricht, ist die Tatsache, dass Europa sich in keiner Form auf den Absturz des drittgrößten Eurolands vorbereitet hat, obwohl dessen prekäre Lage seit Jahren bekannt ist. ("Italien ist größte Gefahr für den Euro"). Auch der aufgestockte europäische Rettungsfonds (EFSF), wenn er sogar auf eine Billion gehebelt werden könnte, kann Italien nicht auffangen. Und nun wird sogar offiziell bezweifelt, dass das Hebeln so gelingt, wie man es sich vor allem Berlin ausgedacht hatte. Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, sagte am Montag, Hebelfaktor von vier bis fünf sei nicht erreichbar. "Es wird sicherlich kein fünffacher Hebel, wie ursprünglich erwünscht", gab Barthle zu. "Wenn man ein Versicherungsvolumen von 20% bis 30% anbietet, dann wird vielleicht ein drei- oder vierfacher Hebel entstehen", erwartete er noch optimistisch vor dem Treffen der europäischen Finanzminister am Dienstag in Brüssel.
Da Italien dringend eine günstigere Finanzierung braucht, weil die Sparmaßnahmen sonst von der explodierenden Zinslast mehr als aufgefressen werden, bieten sich nicht viele Möglichkeiten und der IWF ist eine davon. Ohnehin wurden der Finanzorganisation schon auf dem EU-Gipfel eine Kontroll- und Finanzierungsfunktion für Italien eingeräumt (G-20 unter dem Schatten Griechenlands und Italiens). Auf dem G-20-Gipfel in Cannes wurde beschlossen, Italien unter Beaufsichtigung des IWF zu stellen und es soll nun auch kurzfristige Liquiditätskredite des IWF für Krisenländer geben. Im Fall von Italien soll sich die Summe demnach auf rund 45 Milliarden Euro belaufen können. Es kann aber erwartet werden, dass in den kommenden Tagen mit dem IWF über ganz andere Summen gesprochen wird, wenn das Inspektorenteam in der Hauptstadt Rom eintrifft.
Dementi aus Berlin zu "Elite-Bonds" ebenso wenig glaubwürdig
Man muss auch das Dementi nicht glauben, dass Deutschland und Frankreich nicht weiter an einem Europa der zwei Geschwindigkeiten basteln. Schließlich wurde erst kürzlich darüber berichtet, dass die Bundeskanzlerin und der französische Präsident sogar über die Aufspaltung von Europa nachdenken lassen. So hatte die Welt am Sonntag berichtet, dass Merkel und Sarkozy an einem neuen Plan B zur Euro-Rettung arbeiten. Demnach solle es "Elite-Bonds" als letzte Brandmauer der Länder geben, die noch die Bestnote der Ratingagenturen erhalten. Das sind neben Deutschland eben Frankreich, Finnland, die Niederlande, Luxemburg und Österreich.
Über den Hebel der "Elite-Bonds" solle im "Eiltempo" ein neuer Stabilitätsvertrag für Euro-Staaten erzwungen werden. Man wäre notfalls bereit, mit einigen Ländern voranzugehen und so innerhalb der Euro-Zone eine Kern-Europa zu bilden, wenn sich deren Mitglieder strengen Sparauflagen unterwerfen. Der Vorstoß hat offenbar damit zu tun, dass die von Berlin angestrebten Vertragsveränderungen zu lange dauern würden.
Das Ziel sei auf der einen Seite, die Länder mit dem "AAA"-Rating zu stabilisieren, da die Zweifel auch an Frankreich und Österreich immer lauter werden. In der vergangenen Woche hatte die Ratingagentur Moody's Paris damit gedroht, dem Land das Top-Rating "AAA" zu entziehen. Auch Österreich muss wie Frankreich schon deutliche Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen zahlen. Deshalb solle ein "glaubwürdiger Schutzwall" zur Beruhigung der Finanzmärkte errichtet werden, wurde unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet. Der Zinssatz soll zwischen 2% und 2,5% liegen, womit es sich vor allem um einen Solidarpakt mit Frankreich handeln würde, das derzeit schon etwa 4% bezahlen muss.
Mit dem über die Elite-Bonds beschafften Geld könnten dann, so die bisher dargelegten Vorstellungen, eben auch im Absturz begriffene Länder unter die Arme gegriffen werden, wenn die dafür noch strengeren Auflagen akzeptieren. Sie müssten ihre Staatsfinanzen von einer übergeordneten Behörde auf europäischer Ebene überprüfen. Das könnte die Finanzagentur des Bundes in Frankfurt sein, womit Deutschland weitere Kompetenzen an sich ziehen würde.
Dass der Bericht eine reale Basis haben könnte, zeigt sich auch daran, dass die französische Handschrift in Bezug auf die Europäische Zentralbank (EZB) deutlich wird. War eigentlich geplant, dass die EZB die umstrittenen Aufkäufe von Staatsanleihen angeschlagener Länder zurückfährt oder aufgibt, sollten die Elite-Länder nach dem Vorschlag von der EZB bevorzugt werden, weil sie sich ja bereit zeigten, ihr Staatschuldenproblem zügig zu beseitigen. Das gelte dann wohl auch für die Länder, die sich noch strengeren Auflagen unterwerfen. Die solle weiter Staatsanleihen von diesen Ländern kaufen, um deren Zinslast niedriger zu halten.
Man muss sich nur fragen, ob es sich hierbei nicht sofort um eine Totgeburt handelt. Schließlich könnte Frankreich schon sehr bald nicht mehr zum Klub der Staaten gehören, die noch die Bestnote erhalten. Dazu ist Paris wahrlich nicht das Land, das sich an bisherige Stabilitätskriterien hält. Von der bisherigen Verschuldungsgrenze von 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung ist das Land weit entfernt. Schon Ende 2010 lag sie bei 82,3%.
Es ist zudem mehr als fraglich, ob das Land auch nur das gesetzte Defizitziel im laufenden Jahr erfüllen wird. Eigentlich sollte Paris es 2011 auf 5,7% senken. Dass das Land 2013 wieder unter der Maastricht-Grenze von 3% kommt, ist deshalb eher ein frommer Wunsch. Sarkozy verspricht gerne viel, dabei kann er zu Hause seine Rezepte selbst nicht umsetzen. Das gilt auch für die Schuldenbremse, die er kaum noch vor den Wahlen 2012 wie gefordert in der Verfassung verankern kann.