Bewährungsprobe für den Landminen-Bann
Der Krieg im Kosovo beherrscht die erste Landminen-Konferenz nach dem Bann von Ottawa
Der Kosovo und der südostafrikanische Staat Mosambik liegen rund 10.000 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Dennoch plagt die Menschen in beiden Regionen ein Problem, von dem übereifrige Politiker bereits vollmundig verkündet hatten, es unter Kontrolle zu haben: Landminen.
Mosambik hat dabei seine schlimmsten Zeiten schon hinter sich. Seit Ende des Bürgerkrieges im Jahre 1992 wurden dort keine neuen Minen mehr verlegt. Die mosambikanische Hauptstadt Maputo war somit ein angemessener Tagungsort für eine internationale Konferenz zur Landminen-Problematik, die dort noch bis Sonntag, den 9.5.99, tagt.
Dem Kosovo geht es indes schlechter als dem afrikanischen Land. Denn neue Berichte beweisen es: Die heimtückischen Killer, die mit dem im März 1998 ratifizierten Vertrag von Ottawa geächtet worden waren, erleben bei dem Konflikt auf dem Balkan ihr blutiges Comeback. Sowohl serbische Soldaten als auch die albanischen Rebellen von der UCK verminen insbesondere das Grenzgebiet des Kosovo zu Albanien - ein Terrain, über das täglich Tausende Flüchtlinge ziehen.
So bekam die Konferenz in Maputo eine ungewollte Aktualität. Eigentlich wollten dort die Vertreter jener 135 Staaten, die den Anti-Minen-Vertrag von Ottawa unterschrieben haben, über erste Erfolge des Banns und die nächsten Schritte debattieren. Doch der Kosovo-Krieg zeigte den Delegierten, wie schnell Fortschritte wieder zerstört werden können. "Der Einsatz dieser Minen bedeutet, daß sehr viel mehr Zivilisten ihr Leben verlieren oder verletzt werden", kommentierte Jody Williams, Nobelpreisträgerin und Sprecherin der Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen (ICBL), gleich zum Auftakt der Konferenz von Maputo die Situation im Kosovo. Ihre Initiative legte in Mosambik den Bericht "Landmine Monitor Report" vor. Auf 1100 Seiten werden Statistiken zur aktuellen Situation der mit Landminen verseuchten Staaten präsentiert. Die fast 1000 Konferenzteilnehmer, die in einem gewaltigen Zelt in Maputo tagen, können in Mosambik die Bedrohung, die hinter diesen Zahlen steckt, förmlich spüren. In der Provinz um die Hauptstadt herum, liegen noch immer schätzungsweise bis zu drei Millionen der Sprengkörper aus.
Zahlen, die sich nahtlos in die weltweiten Statistiken einfügen. Der ICBL-Bericht warnt, daß in den Munitionsdepots weltweit noch immer rund 250 Millionen Landminen gelagert werden. Minen-Krösus ist demnach China mit 100 Millionen Minen, gefolgt von Rußland mit 60 bis 70 Millionen. Beide Staaten haben wie auch die USA den Vertrag von Ottawa nicht unterzeichnet. Die Amerikaner verweigern sich dem Bann, weil sie nach eigenen Angaben Minen zum Schutz der innerkoreanischen Grenze brauchen.
Trotz der prominenten Verweigerer ist dem ICBL-Bericht zufolge seit Dezember 1997 die Zahl der minenproduzierenden Länder von 54 auf 16 gesunken. In seiner Eröffnungsrede zur Konferenz in Maputo schätzt der mosambikanische Staatspräsident Joaquim Chissano, daß es noch mindestens vier Jahre dauern werde, ehe alle Minenvorräte in den Unterzeichnerstaaten des Ottawa-Abkommes vernichtet seien. Für die Entschärfung der gefährlichsten ausgelegten Minen müsse man zehn Jahre veranschlagen. Alle Minen seien weltweit ohnehin nicht zu räumen. Pessimistische Schätzungen sprechen immer noch von 200 Millionen ausgelegter Minen weltweit, schöngefärbte Statistiken nennen 60 Millionen. Die Wahrheit dürfte dazwischen liegen.
Besonders scharf kritisiert der neue Minenreport die afrikanischen Staaten Angola, Senegal und Guinea-Bissau, wo neue Minen ausgelegt wurden, obwohl die Länder dem Bann zugestimmt hatten. Weitere Sünder sind laut Bericht: Burma, die Türkei, Israel, Sri Lanka und eben Jugoslawien. Diese Staaten haben den Vertrag allerdings bislang auch nicht unterzeichnet. Kritiker des Ottawa-Abkommes bemängeln ohnehin, daß dort nur Minentypen geächtet wurden, die ohnehin veraltet seien. Moderne Sprengkörper, die sich zum Beispiel gegen Fahrzeuge richten, sind nach wie vor zulässig. Auch sind Kontroll- und Sanktionsmechanismen des Minenbanns bislang noch wenig erfolgreich - für die Delegierten in Maputo viel Diskussionsstoff.
Stichwort: Das Ottawa-Abkommen
Im Januar 1998 einigten sich 126 Länder auf einer Konferenz in Ottawa auf die Ächtung von Anti-Personen-Minen. Das Abkommen sieht vor, daß sich die Unterzeichner dazu verpflichten, Minentypen einer bestimmten Machart in ihrem Land nicht zu verwenden, nicht zu produzieren und nicht weiterzugeben. Auch ihr Besitz ist strafbar. Drei der wichtigsten Nationen in Sachen Rüstung und Minenproduktion, die USA, Rußland und China, traten den Abkommen nicht bei. Damit es in Kraft treten konnte, mußte das Ottawa-Abkommen von mindestens 40 nationalen Parlamenten ratifiziert werden, um Gesetzeskraft zu erlangen. Dies wurde im September 1998 erreicht. Auch Deutschland hat wie inzwischen 76 weitere Staaten das Abkommen bereits ratifiziert. Es erlangte am 1. März 1999 Gültigkeit.
Hauptdiskussionspunkt in Ottawa war die Definition des Begriffs "Anti-Personen-Mine". Die Umschreibung als Sprengkörper, die "hauptsächlich gegen Menschen gerichtet" sind, war humanitären Organisationen zu ungenau. Sie kritisieren, daß in Ottawa nur jene Typen von Landminen geächtet wurden, die ohnehin veraltet seien und deswegen von der Rüstungsindustrie gar nicht mehr hergestellt würden. Ausdrücklich ausgenommen von der Ottawa-Ächtung sind auch Anti-Panzer-Minen, weil sie sich nicht primär gegen Menschen richteten. Dagegen protestieren Anti-Minen-Kampagnen mit folgenden Argumenten: Anti-Panzer-Minen hätten häufig eine integrierte Anti-Personen-Mine als Räumschutz. Sie könnten auch nicht zwischen Panzern, Lkws und Schulbussen unterscheiden. Außerdem könne niemand sagen, ob moderne Minensysteme nicht auch als Terrorwaffe gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt würden.