Bin ich Rassist? Ein Selbsttest

Seite 4: Und der Sexismus?

Ein Vorwurf, der oft in Begleitung von Rassismusvorwürfen geäußert wird, ist der des Sexismus. Inzwischen ist es zumindest in den Medien weitgehend akzeptiert, dass Sexismus mit der Sprache beginnt, und sich umgekehrt die Gleichstellung der Geschlechter in der Sprache äußern muss. Als ich die höheren Klassen des Gymnasiums besuchte, verwendete ich selber das große "I" in Beiträgen für die Schülerzeitung. Heutzutage ist es mir ein Graus. Meine Position habe ich bereits vor zehn Jahren in einem Artikel für Telepolis darlegen können.

Aber beim sogenannten "generischen Maskulinum" ist mir ebenfalls nicht wohl. Also schreibe ich beide Formen, "Kolleginnen und Kollegen", wenn es möglich ist, erwarte aber auch Nachsicht in den Fällen, in denen ich dies für pragmatisch nicht angebracht halte; am liebsten würde ich hier dem angloamerikanischen Vorbild folgen und die Anrede ständig wechseln, da damit das sprachliche Geschlecht tatsächlich als gleichgültig entlarvt wird.

Nun geht Schweden, das Land, das für viele Deutsche Inbegriff des progressiven Denkens ist, sehr pragmatisch mit seiner Sprache um - und es funktioniert. Schweden haben keinen geschlechtsgebundenen Artikel: Statt "der, die, das" gibt es nur "en, ett", was mehr oder weniger zu "Mensch" (aber auch zu vielen Tierbezeichnungen und Dingen) beziehungsweise zu "Ding" (aber auch zu vielen Tierbezeichnungen und zu "Kind") gehört.

Da funktioniert es gut, dass für Berufsbezeichnungen prinzipiell nur ein Genus verwendet wird, bei manchen Berufen das männliche, bei manchen das weibliche. Lärare, "ein Lehrer" und Sjuksköterska, "eine Krankenschwester" können beide jeden Geschlechts sein. Wenn nicht ausdrücklich alle Geschlechter inkludierende Sprache tatsächlich fatale gesellschaftlich-soziale Auswirkungen hat, wie es hierzulande postuliert wird, dann hätte sie sich in Schweden ganz besonders negativ auswirken müssen.

In Deutschland hingegen ist zwischen auch das Gendern in Mann und Frau nicht mehr genug: Angeblich folge ich mit der Benennung der männlichen und weiblichen Form einem "bipolaren Geschlechterbild". Implizit soll ich also Menschen alternativer Geschlechtsidentitäten ausgrenzen, beispielsweise Transsexuelle, wenn ich nicht die spezifische, gerade angesagte inklusive Sprache verwende. Schlimmer noch: Ich empfinde die Auswüchse der Woke-Kultur aus einem hypersensiblen und - welch schlechte Voraussetzung für Moralapostel! - zutiefst bigotten US-Amerika als lächerlich.

Darunter fällt das "sharing gender pronouns": Es soll das gewünschten Personalpronomen ("er/ihm", "sie/ihr") nicht nur im Profil der sozialen Medien angegeben werden und wird beispielsweise an Universitäten eingefordert, sondern es werden auch alternative Personalpronomen erfunden, die das "soziokulturelle Geschlecht" bezeichnen sollen, mit eigenen Bezeichnungen für Schwule, Lesben, Bisexuelle, Queer, Asexuelle und mehr; also beispielsweise "ey/em" oder "xe/hir" statt "he/him"; und dies keineswegs von Personen, die sich gerade auf Partnersuche befinden.

Von mancher Seite wird dieser Zusatz implizit als Bedingung dafür eingefordert, sich mit Diversität zu solidarisieren. Da Dogmen in mir Widerstand wecken, zumal wenn sie aufgrund zusammenphantasierter "moralischer Pflichten" aufgestellt werden, bezeichne ich das Ganze als Zirkus.

Ich möchte noch weitergehen, ich halte das Argument für falsch, dass sexuelle Orientierung sich in Sprache äußern müsse und Sprache die Gleichberechtigung fördere, jedenfalls, wenn es über die beiden historisch überlieferten Geschlechterformen hinausgeht. Die sexuelle Orientierung ist Privatsache - bezeichnenderweise wird sie derzeit oft als Aushängeschild für das Gerieren als Opfer oder Schutzpatron genutzt - und ist im Allgemeinen nicht von Belang, insbesondere dann, wenn es sich beispielsweise um einen Artikel über die Verbrechen der deutschen Fleischindustrie oder Forschung über Dunkle Materie handelt.

Aus historisch überkommener Sprachtradition heraus sollten wir vielleicht von "Forscherinnen und Forschern" sprechen, weil das generische Maskulinum im Deutschen extrem vorbelastet ist; die zusätzliche Hürde der genusspezifischen Artikel ("der, die, das"), vielleicht Kern des Problems, wird dadurch allerdings nicht ausgeräumt. Einen praxisnahen Grund, diesen Missstand der deutschen Sprache je nach gerade geltendem Zeitgeist durch Sternchen, Unterstriche oder Großschreibung zu verkomplizieren, sehe ich nicht.

Da ich also angeblich keine "LBTQ+"-gerechte Sprache verwende, müsste ich homosexuellen- und transsexuellenfeindlich sein. Zeit für einen weiteren Selbsttest!