Biosensoren im Kampf gegen Bioterror

Farbmarkierte Lymphozyten leuchten warnend auf, wenn sie mit Anthrax, Pest oder anderen Erregern zusammen kommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Kampf gegen terroristische Anschläge mit biologischen Waffen hat die Wissenschaftler beflügelt (vgl. Goldgräberstimmung bei den Mikrobiologen). T. H. Rider und Mitarbeiter vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, MA, stellen in Science eine möglicherweise revolutionäre Methode zum Nachweis von gefährlichen Viren und Bakterien vor.

"CANARY (Cellular Analysis and Notification of Antigen Risks and Yields) ist ein Beispiel für die alte Regel, wonach die Summe oftmals mehr ist, als die einzelnen Komponenten erwarten lassen", erklärt T.H. Rider.

Die Komponenten bestehen aus B-Lmphozyten, dem Protein Aequorin der Qualle Aequorea victoria sowie membrangebundenen Antikörpern nach Wunsch. Aequorin ist chemilumineszent, d.h. die Lichtemission wird chemisch ausgelöst, nämlich durch die Bindung von Calciumionen. Für CANARY entwickeln die Forscher Zelllinien, die im Zellinneren Aequorin enthalten und an der Außenmembran erregerspezifische Antikörper tragen. Die Antikörper triggern die bläuliche Färbung, sobald sie mit den Pathogenen reagieren. Das Ergebnis kann mit einem Luminometer ermittelt und quantifiziert werden. Die Wissenschaftler betonen, dass die Messgeräte für den mobilen Einsatz verfügbar sind, und deren Bedienung keine speziellen Kenntnisse voraussetzt.

Unterschiedliche Mengen von inaktivierten Erregern (Y.pestis, F.tularensis) können bereits nach 20 Sekunden erkannt werden (Bild: Science)

CANARY imitiert in gewisser Weise den natürlichen Ablauf des menschlichen Abwehrsystems.

B-Lymphozyten stammen vom Knochenmark ab und stellen bis zu 15 Prozent der Blutzellen des Erwachsenen. Auf ihrer Oberfläche tragen sie Immunglobuline, deren Aufgabe die primäre Immunantwort ist: falls ein Erreger ins Blut oder die Lymphe eindringt und als Feind erkannt wird, binden B-Lymphozyten den Eindringling. Dazu dienen, vereinfacht ausgedrückt, zwei wie Fangarme wirkende Ketten des Immunglobulins, die komplementär zum bakteriellen oder viralen Rezeptor beschaffen sind. Vorausgesetzt, es ist ein B-Lymphozyten Clan vorhanden, der den Erreger erkennt. Die vorsorgliche Impfung mit einem Lebendimpfstoff dient exakt diesem Zweck: beispielsweise stimmen abgeschwächte und in kontrollierter Menge inokulierte Pockenviren die körpereigene Abwehr auf den natürlichen Erreger ein. Bei neuerlichem Kontakt wird die sekundäre oder anamnetische Immunantwort wirksam: innerhalb weniger Stunden steigt die Zahl der zuvor geprägten B-Lymphozyten überschießend an (Booster-Reaktion).

Das ist der Zweck der Zweitimpfung bei Pocken, Hepatitis, und anderen Erregern, weil die erste Vakzination nicht lebenslang in Erinnerung der B-Lymphozyten bleibt. Bei Geimpften "boostert" die natürliche Infektion die körpereigene Immunabwehr vor der krankmachenden Organmanifestation und verhindert somit das Einnisten der Erreger. Ohne prophylaktische aktive Impfung erkennt das Immunsystem einen neuen Erreger natürlich nicht. Dazu bedarf es einer gewissen Schädigung, die eine Immunantwort auslöst. Das verzögerte Anlaufen beginnt gewöhnlich mit der Bildung von Immunglobulin M (IgM) und wechselt nach einigen Wochen zu Isotypen von G-Immunglobulinen (IgG).

Der mit Escherichia coli O157:H7 versetzte Kopfsalat wurden gewaschen und ein Aliquot der Waschlösung zum konzentrationsabhängigen Erregernachweis eingesetzt (Bild: Science)

CANARY ist ein lebendes System, das unmittelbar mit dem Erreger reagiert und nicht erst, nachdem die Passage im Menschen das Geschehen unübersichtlich macht. Die Forscher benutzen Antikörper (Yersinia pestis, Francisella tularensis oder Anthrax), die von den Centers for Disease Control und dem US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases entwickelt wurden und nicht für kommerzielle Tests verfügbar sein werden. Anders der Nachweis für Escherichia coli O157:H7. Das Bakterium ist wegen der tödlichen Diarrhoe gefürchtet und kann mit den bisherigen Nachweismethoden für Wasser und Nahrungsmittel nicht hinreichend verlässlich erkannt werden.

Die Tests sind hinsichtlich Empfindlichkeit und Geschwindigkeit den bisher gebräuchlichen Verfahren überlegen. In Erinnerung ist noch der Anthrax-Anschlag: knapp eine Woche benötigte damals die amerikanische Gesundheitsbehörde für den positiven Nachweis. Das neue Verfahren verkürzt die Wartezeit auf 30 Minuten. Selbst wenn die "Reagentien" nicht aktuell verfügbar sein sollten, braucht die Herstellung in der Hand des Geübten weniger als eine Stunde an jeweils zwei Tagen und liefert dann auf einen Streich Tausende von Testbatterien. Tiefgefroren sind die gentechnisch präparierten Zellen nahezu unbeschränkt haltbar.

Im jetzigen Entwicklungsstadium ist CANARY ein Biosensor für Erreger, die in wässriger Lösung vorliegen. Die Verwendung von Nasensekret für Anthraxsporen ist möglich, weil die Präparation eiweißhaltige Bestandteile zuvor aussondert. Die Forscher hoffen, dass die Methode später ebenso für Blutuntersuchungen verfügbar sein werden. Dazu müssen die Erreger allerdings aus der eiweißreichen Matrix des Blutplasmas isoliert werden.

Dessen ungeachtet könnte CANARY schon heute das mikrobiologische Labor revolutionieren, indem die zeitintensive Anzüchtung von Bakterien auf Nährböden bei vielen Fragestellungen hinfällig, und der direkte Virennachweis zum kostengünstigen Routinerepertoire wird.