Blut für Öl!?

Seite 3: Optionspapier deutsche Militärpräsenz

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Als die Debatte um eine mögliche deutsche Beteiligung an einem Marineeinsatz am Golf letzten Sommer Fahrt aufnahm, tat sich besonders der medial recht präsente Carlo Masala hervor. In der Wirtschaftswoche titelte der Professor an der Bundeswehr-Universität in München am 10. August 2019: "Kein Blut für Öl?" Man beachte das Fragezeichen!

Masala war sichtlich verärgert ob der aus seiner Sicht zu zögerlichen, ja "autistischen Debatte" über eine Entsendung deutscher Kriegsschiffe, die einer "sicherheitspolitischen Provinzposse" gleiche. In seinen "Anmerkungen zu einer verlogenen Debatte" gab er zum Besten:

Die politischen und ökonomischen Eliten haben das geostrategische Denken verlernt. Natürlich muss Deutschland seine wirtschaftlichen Interessen notfalls auch militärisch verteidigen. Und natürlich braucht es dazu auch mehr Geld für die Bundeswehr.

Carlo Masala

Setze kein Umdenken ein, könne man sich von allen machtpolitischen Ansprüchen verabschieden, so der Kern seiner Kritik:

Wenn es um geostrategisches, geopolitisches und geoökonomisches Denken geht, steckt ein Großteil der politischen Elite, aber auch der deutschen Wirtschaft immer noch in den Kinderschuhen. […] Damit verabschiedet sich Deutschland aus der Globalpolitik des 21. Jahrhunderts, die durch geostrategisches und geoökonomisches Denken und Handeln geprägt sein wird. Wenn uns die Bereitschaft fehlt, unsere Interessen an einer liberalen Weltordnung notfalls mit militärischer Macht zu verteidigen, werden am Ende jene gewinnen, die diese Ordnung ablehnen. Und das ist nicht im deutschen Interesse.

Carlo Masala

Am selben Tag ging Masala, nun zusammen mit Christian Mölling und Torben Schütz von der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP), auch mit dem Non-Paper "Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus" in die Offensive. Ziel war es, eine positive Stimmungslage für die Entsendung deutscher Kriegsschiffe an den Golf zu erzeugen. Das Non-Paper wurde in der "Community" und den Medien ausführlich rezipiert und am 28. August 2019 unter demselben Titel als DGAPkompakt in einer Endfassung veröffentlicht.

Zwar betonten die Autoren, es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich Deutschland an der "Operation Sentinel" der USA beteiligt hätte, nachdem dies aber offensichtlich nicht geschehen war, widmeten sie sich ganz der Frage eines - im "Optimalfall" deutschgeführten - EU-Marineeinsatzes. Diskutiert wurden dabei zwei mögliche Einsatztypen: eine Beobachtermission, die vom Außenministerium favorisiert würde, und eine Schutzmission, der vor allem das Kanzleramt "einiges abgewinnen" könne. Dabei sei es allerdings auch bei der Beobachtermission erforderlich, dass "Missionsmandat und Einsatzregeln den Eingriff in Notsituationen erlauben, einschließlich der Anwendung von angemessener Gewalt und zum Schutze anderer".

Praktischerweise ähnelt sich deshalb auch der Truppenbedarf beider Missionen, für die Beobachtervariante brauche es "fünf Fregatten oder Zerstörer mit Bordhubschraubern, davon ein Führungsschiff", ferner ist die Rede von "drei Seefernaufklärern" sowie "ein bis zwei Versorger/Tanker". Bei einer Schutzmission kämen noch "zwei Korvetten", "Vessel Protection Teams" und ein "Force Headquarter im Einsatzgebiet" hinzu. Aus Sicht der Autoren sei dies nicht nur problemlos zu stemmen, sie warben auch vehement für die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes: "Deutschland sollte zum Erhalt seines außenpolitischen Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie gegebenenfalls führen."

Als Begründung nannten sie besonders zwei Aspekte: "Als im- und exportabhängige Nation hat Deutschland ein vitales Eigeninteresse an der Freihaltung der Seewege." Außerdem wurde ganz nach dem Motto "Dabeisein ist alles" für eine Beteiligung an einer EU-Mission allein schon mit dem Argument geworben, damit könne "Deutschland seinen angeschlagenen außen- und sicherheitspolitischen Ruf verbessern, wenn es die Initiative übernimmt, die mittlerweile gewachsenen Zweifel der Partner überwindet und die Mission am Ende sogar führt." Gleiches gelte im Übrigen auch für die Europäische Union als Ganzes, der ein "Offenbarungseid" drohe, sollte sie den Einsatz nicht zuwege bringen. In diesem Fall sei dies ein erneuter "Beweis für ihre mangelnde sicherheits- und verteidigungspolitische Handlungsbereitschaft."

Erneute Debatte?

Wie gesagt, dass Umfang und vor allem auch die deutsche Beteiligung an der nun beschlossenen Marinemission deutlich hinter den Vorstellungen von Masala und Co. zurückbleiben, muss nicht so bleiben. Schließlich haben sie einflussreiche Unterstützer, so etwa den Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger. Der warb bereits letzten Sommer mit dem Argument für die Entsendung deutscher Kriegsschiffe, der "Exportweltmeister Deutschland" dürfe bei dem Gerangel um eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten in einer der geopolitisch bedeutendsten Weltgegenden nicht von der "Reservebank aus zuschauen".

So besteht die Sorge, dass diese Debatte und die dazugehörige Forderung nach deutschen Kriegsschiffen nun zum Beispiel bei der in Kürze anstehenden Münchner Sicherheitskonferenz erneut prominent hochgezogen werden könnte.