Börsen stürzen nach Brexit ab

Da die Börsen in Erwartung eines "Remain" gestiegen waren, brechen sie nun genauso unbegründet nach einer gezielten Panikmache stark ein

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Panische Reaktionen sind an den Kapitalmärkten nach der Entscheidung der Briten für den Brexit zu beobachten. Während der Leitindex Frankfurter Börse zum Teil um bis zu 10 % abstürzte, derzeit werden Verluste von etwa 6.5% registriert, gingen andere Börsen, wie die in Madrid, noch deutlich stärker in die Knie. Der Ibex brach zeitweise sogar um fast 12% ein, so stark wie nie zuvor in seiner Geschichte. Die Verluste waren noch heftiger als zu Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, als die Immobilienblase geplatzt ist. Vergleiche werden zu den Schockwellen gezogen, die die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ausgesendet hatte (Finanzkrise bedroht das weltweite Finanzsystem).

Entsprechend verhalten sich nun auch die Notenbanken, von denen die Geld-Junckies mal wieder die große Spritze verlangen, um Abstürze zu begrenzen. Pumpten die Zentralbanken ab 2008 immer wieder Milliarden um Milliarden zur Stabilisierung in die Märkte, wird das nun erneut gemacht. Nach dem Vorstoß der Schweizer Notenbank , zogen die Europäische Zentralbank (EZB) und die britische Notenbank nach und kündigten Interventionen an. Die Bank of England erklärte, heute mehr als 250 Milliarden Pfund zusätzlich in die Märkte zu pumpen, um die Lage zu stabilisieren. "The Bank stands ready to provide more than £250bn additional funds to support markets", verbreitete die BoE über Twitter.

Schon mit Bekanntwerden der Entscheidung fiel das Pfund bereits in der Nacht auf Freitag massiv. Die britische Währung wertete um mehr als 10% ab und fiel auf ein 30-Jahre-Tief von 1.36 zum US-Dollar. Auch der Euro geriet stark unter Druck und notierte zum Dollar nur noch mit 1.10 Dollar. Sichere Häfen, wie der Schweizer Franken und der Goldpreis waren gefragt. Das Gold legte zeitweise pro Feinunze sogar um fast 100 Dollar und sogar fast 120 Euro zu.

Allerdings ist scheinbar erstaunlich, dass die Börse in London zu Beginn nur knapp um 8% in die Knie ging, wo doch die britische Wirtschaft angeblich am stärksten unter den Brexit-Folgen zu leiden haben soll. Das war weniger als in Frankfurt, Paris oder Madrid. Und der britische Leitindex FTSE 100 verliert derzeit nur etwa 3,5%. Das sollte einem schon stark zu denken geben, dass man im kleinen Britannien die Auswirkungen weniger dramatisch einstuft als in anderen großen EU-Ländern.

Ergebnis einer gezielten Panikmache

Real haben wir nun das Ergebnis einer gezielten Panikmache. Sie wurde eigentlich mit der Absicht geschürt, um die Briten vom Brexit abzubringen. "Analysen" - wie die des Internationalen Währungsfonds (IWF) - waren haltlos, mit denen vor apokalyptische Folgen gewarnt wurde (Angst um die Weltwirtschaft durch den Brexit-Schock). Das war plumpe Propaganda. Es ist eigentlich positiv, dass sich ein souveränes Volk von derlei Verdummung nicht hat umstimmen lassen.

Die Vorgänge an den Kapitalmärkten weisen erneut darauf hin, dass dort keine geballte Sachkenntnis zu finden ist, wie gern behauptet wird. Es zeigt sich viel eher erneut, dass der Herdentrieb bestimmt. Der wird von Institutionen wie dem IWF gern angetrieben, auch wenn Länder schlechtgeredet werden, damit sie die Peitsche von Risikoaufschlägen für ihre Staatsanleihen zu spüren bekommen. Denn damit werden sie gezwungen, die IWF-Rezepte anzuwenden, die allerdings meist fatale Ergebnisse zeitigen, wie Griechenland als bestes Beispiel demonstriert. Im Fall der stolzen Briten wurde dieses Vorgehen jedenfalls zum Rohrkrepierer.

Mit der Börsen-Panik hat der IWF nun seine selbsterfüllende Prophezeiung. Vielleicht aber hat er federführend am "Schock" für die Weltwirtschaft mitgestrickt, vor der auch die OECD warnte. Denn die Herde auf dem Parkett folgt gerne den Gurus. Dabei zeigt sich, was von angeblich vorrausschauenden Börsen zu halten ist. Behauptet wird gern, dass dort vorausschauend stets Vorgänge "eingepreist" würden. Die Herde hat schlicht die Propaganda gegen den Brexit geglaubt und darauf gehofft, dass damit und mit dem Mord an Jo Cox der Umschwung erreicht worden sei. Deshalb stiegen die Börsen plötzlich wieder, weil auf ein "Remain" gesetzt wurde. Eine reale Basis dafür gab es nie. Von Voraussicht, war also erneut keine Spur. Das ist genau das gleiche Spiel, wie nach der Lehman-Pleite und der geplatzten Immobilienblasen in den USA, Spanien, Irland…

Wie damals herrschen weiter Blindheit, treuer Glauben, Gier und Spekulationswut vor, die natürlich auch durch die EZB-Geldpolitik angetrieben wird. So viel Geld wie nie ist auf dem Markt. Da es aber kaum noch Zinsen gibt, wird mit immer gefährlichen Aktionen versucht, Rendite zu erwirtschaften. Davor hatte auch immer wieder die Zentralbank der Zentralbanken in Basel gewarnt. (Spanien: Immobilienblase, Bankkrise und Wiederholung). Somit ist auch die EZB für derlei heftige Kursausschläge aus eigentlich nichtigem Anlass verantwortlich. Die wird aber als Gegenmaßnahme die Geldschleusen nur noch weiter öffnen. Sollte der Brexit nicht die Nadel sein, die die Blasen zum Platzen bringt, die durch die gefährliche Geldpolitik neu aufgebläht wurden haben, wird es ein anderer Vorgang später sein.

Für eine Panik gibt es keinen realen Grund. Dass sich die Börse in London von dieser Stimmung deutlich absetzt, weist schon darauf hin. Für die Kapitalmärkte hat sich praktisch, anders als mit Lehman und der geplatzten Immobilienblase, nichts verändert. Denn es bleiben zwei Jahre Zeit, in denen über die realen Veränderungen zwischen EU und Großbritannien verhandelt wird und man sich darauf einstellen kann. In den Verhandlungen wird man die Auswirkungen frühzeitig überschauen können. Dann dürfte es in den Bereichen, in denen es zu Behinderungen der Wirtschafts- und Geldflüsse kommen kann, auch einzelne Kurskorrekturen geben.

Chance auf Regulierung der Finanzmärkte

Was heute passiert, ist schlicht der Irrsinn von immer noch ungeregelten Märkten. Denn es gibt schlicht keinen Grund, warum die Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Krisenländern plötzlich wieder in die Höhe schnellen. Gut, es gab in einigen Fällen, ganz besonders im Fall Spanien, mit seiner enormen Arbeitslosigkeit und einem immer noch hohen Defizit angesichts der fruchtlosen Austeritätspolitik auch keinen realen Grund, warum die Renditen für spanische Staatsanleihen sehr niedrig und zum Teil auch negativ wurden (Geld bekommen für Hypothekenkredit?). Es war allein die Geldschwemme der EZB, die diese Renditen massiv gesenkt hat, mit fatalen Enteignungswirkungen für Sparer.

Seit neun Jahren kommt man bei der Regulierung der Finanzmärkte in Europa nicht wirklich voran, dabei sind die Gefahren die von ihnen ausgehen nur größer geworden. Das räumt sogar der IWF bisweilen ein. Auf die Nicht-Regulierung hatte natürlich Großbritannien einen starken Einfluss. Das Königreich hat wegen seiner Londoner City stets auf die Bremse getreten. Auch deshalb ist ein Brexit, der nur nachvollzieht, dass die Briten immer stärker außerhalb statt innerhalb der EU standen, eigentlich nur zu begrüßen (Warum der Brexit gut für Europa wäre...).

Denn jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit auch an dieser Front. Die EU könnte nun die Finanzmarktsteuern und die Regulierungen einführen, die nötig sind, um die Gefahren von Banken und Finanzmärkten wenigstens zu begrenzen. Doch vermutlich stellen wir bald fest, dass das wieder nicht passiert. Man sich in Brüssel und Berlin doch nur hinter den angeblichen britischen Bremsern versteckt hat.

Wahrscheinlich wird sich Panik an den Börsen sehr schnell wieder legen. Denn anders als im Fall der Lehman-Pleite und der platzenden Immobilienblasen gibt es keinen realen Grund dafür, nun panisch Aktien zu verkaufen. Klar dürften das Pfund und der Euro geschwächt werden. Doch das haben beide Notenbanken durch ihre Geldpolitik im Währungskrieg längst bewusst herbeigeführt, um die Produkte und Dienstleistungen aus den Währungsräumen billiger zu machen.

So what? Das ist ein Grund für steigende Aktienkurse, denn die Exporte werden steigen und mehr Besucher in die billigeren Währungsräume strömen… Und sehr schnell werden sich vermutlich Kurserholungen zeigen, weil die Profis der Profis an den Finanzmärkten natürlich nur auf solche Kursstürze warten, sie herbeiführen oder befördern, um fett einzusteigen und billigst einzukaufen. So billig wie heute waren Aktien, Firmen und Banken seit langem nicht mehr zu haben. Ihnen dürfte klar sein, dass vom Brexit real kaum Gefahren ausgehen. Bestenfalls dann, wenn die Panik von interessierter Seite weiter geschürt würde, wie es der IWF vor der Abstimmung getan hat. Der hat daran aber sicher nun kein Interesse mehr und wird die Tonart verändern.

Man kann schon jetzt voraussagen, dass die EU niemals eine harte Linie in den Verhandlungen mit dem ehemaligen Partner fahren wird. Hohe Barrieren würden beiden Seiten schwer schaden. Und wer in Freihandelsabkommen mit Nordamerika massiv Rechte, Freiheiten und die Umwelt auf den Opfertisch legt, wird keine großartigen Handelsbarrieren gegenüber Britannien einführen. Nicht einmal ein Währungskursrisiko kommt bei Geschäften mit der Insel hinzu, weil sie stets eine eigene Währung hatten.