Boliviens Parlament verabschiedet umstrittene Landreform
Drei Oppositionelle gaben den Boykott gegen das Gesetz auf. Tausende feierten in der Hauptstadt La Paz den "Triumph des Volkes"
Die bolivianische Regiering unter Evo Morales hat einen weiteren Schritt zur Umverteilung der Reichtümer des armen südamerikanischen Andenstaats gemacht. Nun hat auch der Senat die Landreform abgesegnet. Eine Woche hatte die Opposition die Abstimmung boykottiert, doch überraschend gaben drei Senatoren der Opposition schließlich den Boykott auf. Es war ein doppelter Sieg, denn gleichzeitig wurde mit 44 Verträgen die Verstaatlichung der Gas- und Ölressourcen abgesichert.
Es war schon spät gestern, als auch der Senat in der Hauptstadt La Paz die umstrittene Landreform verabschiedet hat, die zuvor schon das Unterhaus des Parlaments passiert hatte. Die Verabschiedung wurde möglich, nachdem drei Oppositionelle den Boykott des Senats aufgaben. Sie widersetzten sich den Anweisungen ihrer Parteiführungen und stellten mit ihrer Anwesenheit das nötige Quorum her. Mit 15 von 27 waren mehr als die Hälfte der Senatoren anwesend. Sie gingen aber noch darüber hinaus und stimmten mit der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) für die Reform.
Als Begründung für den Boykott nennt die Opposition den Streit in der Verfassungsgebenden Versammlung, weil dort die MAS mit ihrer Mehrheit durchgesetzt hatte, die "Arbeit zu beschleunigen". Statt zwei Dritteln reicht nun eine einfache Mehrheit zur Verabschiedung des Texts, den die Bevölkerung per Referendum verabschieden muss (Opposition lehnt sich gegen Regierung in Bolivien auf). Sie droht der Regierung deshalb auch mit einem Generalstreik ab Freitag.
Schon kurz vor Mitternacht (am frühen Morgen in Europa), setzte Morales seine Unterschrift im Regierungspalast unter das Gesetz, der von Hunderten Menschen angefüllt war. "Mit diesem Gesetz ist der Großgrundbesitz in Bolivien beendet", erklärte er fast wortgleich, wie zur Ankündigung der Nationalisierung der Gas- und Ölvorkommen im Land ("Die Ausplünderung der Bodenschätze ist beendet").
Man habe nun ein legales Instrument, um gegen die Großgrundbesitzer vorzugehen, fügte Morales an. Er betonte noch einmal: "Wir werden die legalen und produktiv genutzten Flächen respektieren." Tausende, für deren Einsatz sich Morales bedankte, feierten auf den Straßen den Sieg. Einige hatten sich in wochenlangen Märschen in die Hauptstadt begeben, um auf dem Weg und in La Paz für die Reform zu demonstrieren. Vor den Demonstranten hatte Morales sich am Dienstag noch einmal zum Dialog mit der Opposition bereit erklärt. Er drohte aber, die Reform im Notfall auch per Regierungsdekret zu beschließen.
Nun wird alle zwei Jahre überprüft, ob das Land auch produktiv genutzt wird. Ist dies nicht der Fall, kann es unter staatliche Verwaltung gestellt und zu einem späteren Zeitpunkt verteilt werden. Betroffen davon sind auch große Flächen, die sich Großgrundbesitzer einfach angeeignet haben, für die sie aber über keine Besitztitel verfügen. Nach einer Studie der UN-Entwicklungsorganisation (UNEP) befinden sich derzeit fast 90 % des Landes in den Händen von nur 7 % der Bevölkerung ("Chavez-Plan" für Bolivien). Der Widerstand gegen die Reform kommt vor allem von den reichen Regionen im Osten des Landes.
Als weiteren Sieg konnte Morales gestern verbuchen, dass auch die neu ausgehandelten Verträge von elf Unternehmen für 44 Förder- und Produktionsstätten von Gas und Öl vom Senat verabschiedet wurden. Damit hat die Regierung ihr Ziel in der Nationalisierungsfrage erreicht und die Unternehmen haben nun Rechtssicherheit. Für das Land bedeutet das Mehreinnahmen von 1,3 Milliarden Dollar jährlich. Als nächstes stehe die Nationalisierung des Bergbaus für 2007 auf dem Programm, kündigte Morales gestern ebenfalls an.