Bolzen, Rackern, Rennen

Seite 2: Diskriminierungskeule schwingen

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Die mangelnde Qualität des Frauenfußballs wird auch von Amateurseite untermauert (vgl. Kampf der Geschlechter). Darum war es wohl eher ein Werbegag, als nach der WM 2003 der Präsident des AC Perugia Luciano Gaucci die damalige deutsche Starspielerin Birgit Prinz für eine Million Preisgeld in die (zweite) Männermannschaft nach Italien holen wollte, worüber die mehrmalige "Weltfußballerin" tatsächlich ernsthaft nachgedacht haben soll (vgl. Ich wollte einen Plan für die Zeit danach).

Mit Diskriminierung oder Geringschätzung des Frauenfußballs hat das beileibe nichts zu tun. Auch nicht mit der Angst der Männer vor starken Frauen, weswegen sie laut gut meinenden Beobachtern zur Abwehr auf Ressentiments zurückgreifen oder sich in dumme Frotzeleien oder Männerwitzen flüchten, um Stimmung gegen sie zu machen (vgl. Ein Wort an alle Frauenfußball-Verächter).

Im gesellschaftlichen Abseits

Mit vierzehn- fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jungs, die in vollem Saft stehen, können auch männliche Erwachsene älteren Jahrgangs nicht mehr mithalten. Gleiches gilt erst recht im Profisport. Michael Ballack musste jüngst schmerzlich erfahren, wie rasch man plötzlich als gerade noch gefeierter Weltstar heutzutage zum Altenteil gehören kann.

Ein Vergleich von Männer- und Frauenfußball, da hat Philipp Köster vom Magazin 11 Freunde sicher recht, ist im Prinzip unsinnig (vgl. In der Vernusfalle). Man vergleicht auch nicht Äpfel mit Birnen. Beides sind ganz unterschiedliche Dinge. Ein Vergleich oder ein solches Ins-Verhältnis-setzen muss im Sportlichen, um im Bild zu bleiben, nur ins weibliche Abseits führen (vgl. Wo der Techniker irrt).

Aber Äpfel und Birnen sind eben auch Obst und daher sehr wohl vergleichbar. Im Übrigen vergisst Köster, dass solche Vergleiche bekanntlich nicht die Männer anstellen. Vielmehr sind es die Frauen selbst, die dauernd beklagen, dass ihrem Sport zu wenig mediale Aufmerksamkeit zuteil wird, die beklagen, dass ihre Leistungen nicht so gewürdigt werden wie die der männlichen Kollegen, und die beklagen, dass sie 250mal weniger verdienen als die männlichen Profikicker.

Klischees bedienen

Frauen wissen im Grunde auch, dass sie den Männern auf dem Platz nicht das Wasser reichen können. Sie haben andere Qualitäten, soziale oder emotionale, die Männer wiederum nicht so haben. Doch weil diese vielleicht in wirtschaftlichen oder sozialen Zusammenhängen etwas bewegen und mittlerweile auch nachgefragt werden, im sportiven Umfeld aber im Allgemeinen wenig nützen, greifen sie, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, was dann wiederum alle Anti-Diskriminierungsbeauftragten wurmt, auf traditionelle Felder zurück.

Ob dazu auch irgendwelche Sixpacks gehören, die gut trainierte Frauen dann in die Kamera halten, wenn sie sich nach dem Torschrei das Trikot über den Kopf ziehen, würde ich mal bezweifeln wollen. Das Aufheben, das jüngst der SZ-Autor Holger Gertz einen Tag vor der Eröffnung der WM in der Wochenendausgabe derselben Zeitung darum machte ("Nabel der Welt" - leider nicht online), als er behauptete, dass das Zeigen des Bauchnabels der Spielerin Simone Laudehr Medien und Zuschauer letztendlich mehr interessiert habe als die Finessen der Spielerin Laudehr auf dem Feld, spielt sich bestenfalls im Kopf des Autors Gertz ab.

Seine Reflexionen über den "flachen Bauch" der Spielerin zeigen nur, dass das eigentliche Spiel, nämlich der Sieg über Brasilien und die Verteidigung des WM-Titels vom Drumherum oder Äußerlichkeiten abgelöst worden ist. Freilich kennen wir das längst auch vom Männerfußball. Als Zinedine Zidane etwa seinen Gegenspieler Materazzi im WM-Endspiel 2006 in Berlin in der Verlängerung mit einem gezielten Kopfstoß niederrammte, wollte auch alle Welt wissen wissen, was denn der Grund für seinen Blackout gewesen war.

Sexualisierung trifft alle

Und was nochmals die besagten Sixpacks angeht oder auch den schwarzen Sportler-BH, der unter dem Trikot Simone Lazdehrs hervorblitzte, so ist mir nicht bekannt, ob sich die Frauenwelt schon jemals darüber erbost oder erregt hat, wenn Cristiano Ronaldo seinen durchtrainierten Bauch nach dem Spiel oder einem genial erzielten Treffer in die Kameras gehalten hat, oder wenn er werbewirksam und halbnackt von Häuserwänden auf die Damenwelt herablacht. Die "starke Sexualisierung der Sportberichterstattung", der "sogenannte "Kournikowa"-Effekt", den Sportwissenschaftlerinnen ausmachen, trifft längst Frauen wie Männer. "Sex sells", das weiß heute jedes Kind oder jeder Jugendliche, der sich bei Heidi Klum oder Dieter Bohlen bewirbt. Und das wissen auch die Jungstars in den Fußballinternaten schon. Wie das Beispiel Ronaldo und das anderer körperlich wohlgeformter Sportler zeigen, bevorzugen Medien längst auch Athleten, und nicht nur Athletinnen, die "eine hohe physische Attraktivität und heterosexuelle Ausstrahlung aufweisen" (vgl. Es überwiegt das Klischee der Kampflesbe).

Sport wird Nebensache

Darum haben einige deutsche Fußballerinnen, um mediales Aufsehen zu erregen, auch schon frühzeitig auf traditionellen Mittel gesetzt. Sie haben entweder verstärkt auf Werbung gesetzt wie die zum vermeintlichen WM-Star hochgejazzte Lira Bajramaj. Bei ihr hat das Ballyhoo um sie allerdings zum sportlichen Einbruch geführt. Die zur Edeltechnikerin ernannte Mittelfeldspielerin, die vor Monaten ihren Wechsel von Turbine Potsdam zum 1. FFC Frankfurt wegen des üppigeren Gehalts in Söldnermanier erzwungen hat, muss seitdem um einen Platz in der Stammelf bangen.

Oder sie haben sich, wie die Bayern-Spielerin Julia Simic mit einigen Kolleginnen für etwas Geld und kurzlebigen Glamour nackt im Playboy ablichten lassen. Was auch wiederum der sportlichen Leistung nicht gedient hat (die Spielerin ist nicht in den WM-Kader berufen worden), aber die Tugendwächter hierzulande wieder auf die Palme gebracht hat. Was auch wieder verwundert. Denn wenn sich Cristiano Ronaldo nackt auf Sofas wälzt, hat sich bislang noch keine Journalistin darüber ereifert, sondern eher genüsslich mit der Zunge geschnalzt -zumindest hinter vorgehaltener Hand.

Figuren des sozialen Wandels

Andere wiederum erhoffen das Geldgut "Prominenz" in der Vermarktung einer geglückten Integration in die deutsche Standardgesellschaft zu finden. Dies gilt zum einen für die schon erwähnte Lira Bairamaj, die mit ihren Eltern einst aus dem umkämpften Kosovo nach Deutschland geflohen ist. Oder für die gerade heftig in den Medien gefeierte Célia Okoyino da Mbabi, die auf eine französisch-kamerunische Herkunft verweisen kann, deutsche Staatsbürgerin ist, Kulturwissenschaften studiert und als Integrationsdienstleisterin beim DFB tätig ist (vgl. Ich hätte mich auch ins Tor gestellt). Oder sie geben dezent Einblicke in ihr Privatleben und präsentieren sich in den Medien als Vorkämpferin in Sachen Homosexualität im Sport, wie die manchmal etwas verschroben und burschikos wirkende Torfrau Nadine Angerer, die offen gelassen hat, welche sexuellen Präferenzen sie denn nun bevorzugt, Männer, Frauen oder beides (vgl. Schrecken der Konservativen), sowie ihre Konkurrentin im Tor, die Torfrau Ursula Holl, die sich offen zur Homosexualität bekannt hat (vgl. Die Frau dahinter).

Tugendhaft und vorbildlich

Besonders rührend wird es allerdings, wenn Frauenfußball zur Gesellschaft verändernden Kraft und gar zum Vehikel für "Tabubrüche" aufgebauscht wird (vgl. Apostel Theo Zwanziger); oder wenn wohlmeinende Beobachter versuchen, dem Publikum die Fußballerinnen als die besseren und tugendhafteren Sportlerinnen zu verkaufen (vgl. Dieser Sommer hat schon jetzt sein Märchen).

Demnach motzen Kickerinnen nicht, wenn sie ausgewechselt werden; sie verwandeln den Rasen nicht in einen Spuknapf; sie meckern nicht gegen Schiedsrichterentscheidungen; sie treten und foulen nicht und spielen stets fair; sie mauern auch nicht, spielen nicht auf Zeit und wollen immer viele Tore erzielen.

Wer allein das Spiel der deutschen Elf, oder zumindest Teile davon, gegen Nigeria gesehen kann, der kann über so viel Naivität und Blauäugigkeit eines Beobachters nur den Kopf schütteln.

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