Bombenteppiche für Gaddafi

Seite 5: Lange Lohnliste Gaddafis und ein dichtes Geflecht

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Barber und Ziegler sind beileibe nicht einzigen, die auf Gaddafis Lohnliste standen. Dort tummelten sich auch andere, sehr illustre Namen und Besucher. Darunter Richard Perle und Dick Cheney, Francis Fukuyama und Anthony Giddens, Joseph S. Nye, Bernhard Lewis und Robert Putnam, Mitautor des Manifests "Wofür wir kämpfen", die sich ihre Dienste als auch ihre Reisen nach Tripolis von der Monitor Group fürstlich entlohnen ließen (From Libya With Love).

Nach seinem Aufenthalt in Libyen, an dem auch Robert Putnam teilnahm, verfasste auch Joseph S. Nye in The New Republic einen Text (Tripoli Diarist), der zwar leichte Kritik am Autokraten äußerte, aber insgesamt doch einen neuen, geläuterten und irgendwie auch sympathischeren Gaddafi präsentierte, der über "direkte Demokratie" nachdenkt und neue Ideen und Reformen erproben will. Dass der "Soft Power” Experte und Entwickler von seinen Anpreisungen (Joseph Nye Responds to Criticism of His TNR Article on Qaddafi) davon mittlerweile abgerückt ist. Wer wollte ihm das verübeln.

Auch Anthony Giddens reiste während dieser Zeit zweimal zu Gaddafi. Nach seiner Rückkehr bescheinigte er dem Oberst im Guardian, einer der letzten "Revolutionsführer" zu sein, der an ernsthaften Reformen interessiert sei (My chat with the colonel. Seinem Eindruck nach sei das Regime nicht "besonders repressiv", sondern allem Anschein nach "echt populär". "Wirkliche Fortschritte" in Libyen seien eher mit Gaddafi als ohne ihn möglich. Bei den durch allzu forsche Modernisierung zu erwartenden Konflikten könne er gar eine moderierende "Rolle einnehmen".

Vor allem an Benjamin Barbers engem Verhältnis zu Gaddafi und seinen Söhnen ist noch ein anderer Aspekt höchst bemerkenswert. Barber ist neben vielen anderen Vorstandschaften auch Mitglied von Demos, einer politisch linken Denkfabrik, die enge Beziehungen zum sehr einflussreichen, aber wenig bekannten Institute for Policy Studies in Washington unterhält.

Anders als beispielsweise eine Reihe neokonservativer Denker (Neoconservative Redux with Libya), sprach sich das I.S.P. im Vorfeld vehement gegen jede Militäraktion gegen das Gaddafi Regime aus (Phyllis Bennis on Libya and No-Fly Zones). Zu den Gründungsmitgliedern von Demos gehörte vor knapp zehn Jahren auch ein Senator aus Illinois, ein gewisser Barack Obama.

Gaddafi ins Exil?

Wie dicht gewoben das Geflecht aus persönlichen Beziehungen, geschäftlichen Verwicklungen und politischen Verstrickungen der Beteiligten auch immer gewesen sein mag, davon unberührt und ungeklärt ist eine ganz andere Frage, nämlich, wie lange der Konflikt im nördlichen Afrika noch währen und wie er ausgehen wird. Aus Tagen und Wochen könnten durchaus Monate oder Jahre werden, darüber scheint man sich in NATO-Kreisen schon jetzt einig zu sein.

Mittlerweile hat Gaddafi seine Kampftaktik den militärischen Gegebenheiten angepasst und sich auf eine Guerilla oder Taliban-Taktik verlegt. Seine Kämpfer legen Uniformen und Abzeichen und mischen sich unter Zivilisten, so dass von den Aufständischen nicht mehr zu unterscheiden sind. Zudem versteckt er seine schweren Waffen in Wohngebieten, während Heckenschützen aus Häusern feuern oder Zivilisten zu Schutzschildern umfunktionieren.

Ob er unter den Dauerbombardements wie einst Milosevic doch noch nachgeben, einlenken und ins politische Asyl gehen wird, ist eine sehr vage Hoffnung. Milosevic gab nicht nur auf, weil ihn etwa die US-Bomber über Belgrad oder die kosovarische Befeiungsarmee schreckten, sondern auch, weil Russland ihm die anfängliche Unterstützung entzog (The Mythology of Intervention). Dies ist bei Gaddafi nicht der Fall. Und ob Gaddafi nach einer möglichen militärischen Niederlage von seinen eigenen Anhängern wie einst der Serbenführer Milosevic aus dem Amt gejagt und an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgeliefert wird, auch.