Braunkohle-Sicherheitsbereitschaft: In zehn Tagen betriebsbereit

Kraftwerk Buschhaus – Zweifel an schneller Einsatzbereitschaft. Bild: Axel Hindemith, CC BY 3.0

Die Kraftwerke der Braunkohle-Sicherheitsbereitschaft sollen bis zu ihrer endgültigen Stilllegung noch als letzte Absicherung der Stromversorgung dienen. Für einen schnellen Ausgleich von Netzschwankungen eignen sie sich nicht

Nach dem Telepolis-Bericht "Was uns die Braunkohle-Sicherheitsbereitschaft kostet" hatten Leserinnen und Leser im Forum darüber diskutiert, auf welche Weise die Sicherheitsbereitschaft eigentlich zur Sicherheit der Energieversorgung beitragen kann.

Dabei ist deutlich geworden, dass es zu diesem Thema sehr unterschiedliche Ansichten und auch noch einen größeren Informationsbedarf gibt. Deshalb erscheint es angebracht, dieses Thema hier noch einmal aufzugreifen und einige Informationen zu ergänzen.

Die Sicherheitsbereitschaft für Braunkohle-Kraftwerke ist im Jahr 2015 aufgelegt worden. In den Jahren 2016 bis 2023 sollten die Kraftwerksbetreiber Vattenfall (später Leag), Mibrag und RWE Power schrittweise acht Braunkohle-Kraftwerksblöcke mit einer gesamten Stromleistung von 2,7 Gigawatt zunächst vorläufig aus dem Markt nehmen.

Für jeweils vier Jahre sollten die einzelnen Blöcke noch als letzte Absicherung der Stromversorgung bereitgehalten und danach endgültig stillgelegt werden. Die Kraftwerksbetreiber erhalten dafür Vergütungen, die wahrscheinlich über den ursprünglich genannten 1,61 Milliarden Euro liegen und von den Stromkunden bezahlt werden müssen.

Der hauptsächliche Zweck der Sicherheitsbereitschaft war eigentlich, den nationalen Kohlendioxid-Ausstoß zu senken und so noch das Klimaziel der Bundesregierung für das Jahr 2020 zu erreichen. Ob das erreicht worden ist, wurde allerdings bisher noch nicht konsequent untersucht.

Die Bezeichnung "Sicherheitsbereitschaft" weist auch auf einen größeren Nebeneffekt dieser Maßnahme hin: Die vorläufig stillgelegten Kraftwerksblöcke sollen bis zu ihrer endgültigen Stilllegung noch als letzte Absicherung der Stromversorgung dienen. Dafür müssen die Betreiber sicherstellen, dass die Blöcke innerhalb von zehn Tagen wieder betriebsbereit sein und nach einem weiteren Tag ihre volle Stromleistung ans Netz bringen können.

Für einen schnellen Ausgleich von Schwankungen im Stromversorgungs-System eignen sich die Kraftwerke der Sicherheitsbereitschaft deshalb nicht. Diese Aufgabe können schnell reagierende Anlagen übernehmen – wie Wasser- und Gaskraftwerke, Batteriespeicher und regelbare Industrieanlagen.

Bereitschaft nicht überprüft

Es erscheint allerdings auch angebracht, die Zehn-Tages-Bereitschaft der vorläufig stillgelegten Braunkohle-Kraftwerke etwas näher anzusehen. Diese Bereitschaft steht zwar im Gesetz. Ob sie auch tatsächlich gewährleistet ist, hat die Bundesregierung jedoch bisher noch nicht weiter überprüft.

Sie hat sich vielmehr darauf verlassen, dass die Betreiber die entsprechenden Anforderungen einhalten. Das wurde im Jahr 2018 durch eine Kleine Anfrage der damals noch oppositionellen Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bekannt.

Zumindest beim Kraftwerk Buschhaus in Niedersachsen gab es immerhin berechtigte Zweifel, ob ein solcher Absicherungsbetrieb innerhalb von zehn Tagen überhaupt möglich gewesen wäre. Dieses Kraftwerk hatte der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag im Jahr 2013 vom Energiekonzern Eon erworben und im Jahr 2016 in die Sicherheitsbereitschaft überführt.

Zu diesem Zeitpunkt war der Braunkohle-Tagebau Schöningen, der dieses Kraftwerk jahrzehntelang mit Brennstoff versorgt hatte, schon vollständig ausgekohlt.

Um Buschhaus zur Absicherung der Stromversorgung wieder in Betrieb nehmen zu können, hätte der stark wasserhaltige Brennstoff daher per Bahn aus dem 200 Kilometer entfernten Mibrag-Tagebau Profen antransportiert werden müssen. Darauf hatte die Bundestagsfraktion der Linken im Jahr 2018 in einer Kleinen Anfrage hingewiesen.

Für die Braunkohletransporte von Profen nach Buschhaus wäre es deshalb notwendig gewesen, in den Wintermonaten außerplanmäßig 240 beheizbare Güterwagen mit dazugehörigen Dieselloks und Personal bereitzustellen.

Sie hätten innerhalb von zehn Tagen 6.000 Tonnen Braunkohle pro Tag transportieren müssen. Das wäre wohl auch dadurch weiter erschwert worden, dass es im Kraftwerk selbst gar keine Umladestation für die zügige Brennstoff-Entladung gab.

Das deutet darauf hin, dass zumindest bei Buschhaus nicht ernsthaft damit zu rechnen war, dass dieses Kraftwerk bei einem winterlichen Kälteeinbruch innerhalb von zehn Tagen wieder in der Lage gewesen wäre, Strom zu liefern. Inzwischen kommt es bei diesem Kraftwerk nicht mehr darauf an; es wurde bereits endgültig stillgelegt.

Bisher noch nicht aktiviert

Bei den anderen Kraftwerksblöcken der Sicherheitsbereitschaft liegen die Dinge dagegen nicht so klar auf der Hand: Sie befinden sich jeweils in größeren Kraftwerken, in denen noch andere Kraftwerksblöcke aktiv sind, die aus nahen Tagebauen mit Brennstoff versorgt werden.

Bahntransporte über lange Strecken wären hier also nicht notwendig, damit die sicherheitsbereiten Blöcke wieder Strom liefern können. Bisher ist es allerdings noch nicht dazu gekommen, dass ein sicherheitsbereiter Kraftwerksblock wieder in Betrieb genommen wurde.

In den vergangenen Monaten hat nun die angespannte Situation auf dem Energiemarkt mit hohen Strom-Großhandelspreisen dazu geführt, dass die noch aktiven Braunkohle-Kraftwerke wieder deutlich besser ausgelastet sind als zuvor. Ihre Kühltürme, die vorher nur noch schwache oder gar keine Dampffähnchen mehr abgaben, blasen nun wieder deutlich sichtbare, kräftige Wolken in den Winterhimmel.

Derzeit befinden sich noch fünf Kraftwerksblöcke mit 1.816 MW in der Sicherheitsbereitschaft. Könnten Energiepolitik und zuständige Behörden nun auf den Gedanken kommen, diese Stromerzeuger wieder in Betrieb zu nehmen, um den Energiemarkt etwas zu entspannen?

Dann würde wohl auch darüber nachgedacht werden müssen, wie sich der Kohlendioxid-Ausstoß auf die Klimabilanz und der zusätzliche Braunkohlebedarf auf die Tagebaue auswirkt. Bisher sind allerdings noch keine solchen Überlegungen bekannt geworden. Die "letzte Absicherung der Stromversorgung" zu aktivieren, scheint noch nicht notwendig zu sein.