Breitband-Demokratie auf österreichisch

Was in Deutschland noch Zukunftsmusik ist, haben hartnäckige Kleinprovider in der Alpenrepublik konsequent vorangetrieben: die Entbündelung der letzten Meile

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In Deutschland läuft die Entbündelung der letzten Meile eben erst an. Alternative österreichische Internetprovider haben hingegen die letzten Meter der Telefonleitungen zwischen Endnutzer und Hauptverteiler bereits geknackt. Nach jahrelangem Kleinkrieg mit dem Ex-Monopolisten Telekom Austria konnte der Wiener Provider "Silver Server" jüngst einen superschnellen Service einrichten. Die neue Technik auf Basis von symmetrischen DSL's zieht den teils recht mühseligen ISDN- und ADSL-Verbindungen davon.

"Silver Server hat die ersten entbündelten Teilnehmer-Anschluss Leitungen (TASL) von der Telekom Austria AG übergeben bekommen. Wir können nach fünf Jahren Kleinkrieg mit der Telekom, hochbitratige Datendienste 'legal' betreiben; zumindest an den Hauptverteilern, an denen wir in den letzten Jahren eigene Streetkabinets errichtet haben", freute sich Silver-Server-Chef Oskar Obereder und lud Mitte Mai zu einer Party ins Wiener Kunsthaus.

Mit Hartnäckigkeit und Improvisationstalent realisierte der ursprünglich in der Kunstszene angesiedelte Provider im Alpenland, was in Deutschland wohl noch einige Monate dauern wird. Nämlich die Umsetzung des diskriminierungsfreien Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. Dadurch können beispielsweise für Internet-Zugänge kostengünstige Modelle für den Endverbraucher entwickelt werden, zumal Internet-Provider nicht die komplette Leitung von der Telekom mieten müssen. Ein entsprechender EU-Beschluss hat seit 1. Jänner 2001 auch in Deutschland Rechtsgültigkeit. Wie Heise-Online berichtete hatte der Ex-Monopolist, Telekom Deutschland, allerdings mit technischen Argumenten gegen den gemeinsamen Zugang argumentiert. Erst Ende März dieses Jahres sprach die Regulierungsbehörde ein Machtwort und schmetterte die Einwände der Telekom Deutschland ab. Die Behörde räumte eine Frist von zwei Monaten ein, um die Voraussetzungen zu schaffen und erklärte eine anschließende Vorlaufphase von drei Monaten für zulässig. Der kommerzielle Betrieb des Line-Sharing könnte in Deutschland aller Voraussicht nach ab September dieses Jahres starten.

Stolpersteine

In Österreich ist man jetzt bereits einen Schritt weiter. Die Entbündelung der letzten Meile verlief aber auch hier keineswegs friktionsfrei. Oskar Obereder kann davon ein Lied singen. "Das Mühsamste waren die langwierigen Meetings mit den Anwälten", resümiert er. "Wir begannen Mitte der 90er-Jahre mit den sogenannten DP-Leitungen (2-Draht Kupfer). Irgendwann fiel der Telekom Austria dann auf, dass es hier auf einmal eine größere Nachfrage nach analogen Leitungen gibt. Die sahen sich dann genau an, was wir damit machten. Schließlich begannen sie die Leitungen zu dämpfen. Das war äußerst mühselig. Wir versuchten dann für unsere Modems (Anm. der Red. HDSL-Modems, die 26mal schneller als ISDN-Modems waren) bei der obersten Regulierungsbehörde eine Zulassung zu bekommen. Die Behörde fand, dass die Modems zwar super toll wären, teilte uns aber mit, dass es noch keine Richtlinien für eine Zulassung gäbe, ...", schildert der Provider-Chef im Telepolis-Gespräch den bürokratischen Hürdenlauf.

Die Drosselung von Leitungen war nur ein Stolperstein auf dem Weg zu mehr Breitband-Demokratie. Immer wieder wurden in dieser Causa schwere Vorwürfe gegen den österreichischen Ex-Monopolisten, Telekom Austria, erhoben. Systematische Verzögerungstaktik, hieß es von seiten der alternativen Provider. Die Telekom Austria verweist allerdings darauf, dass der Liberalisierungsprozess in Österreich im internationalen Vergleich weit vorangeschritten sei. Der Konzern kann jedoch nicht leugnen, dass extrem hohe Mietkosten für die Einquartierung in Wählämter verrechnet werden. Für kleinere Provider sind die kolportierten Summen schier unerschwinglich.

Unkonventionelle Lösungen

Aber auch hier fanden findige Kleinprovider eine Lösung. So wurden einfach in der Nähe von Wählämtern günstigere Büros angemietet und die Leitungen quasi "über die Straße" selbst verlegt. So kommt es, dass beispielsweise der Silver Server mit den neuerdings ungedrosselten DSLs (digital subscriber lines) einen Internet-Zugang anbieten kann, der nach Eigenangaben "bis zu 35x schneller ist als mit einer herkömmlichen ISDN-Verbindung". Gegenüber ADSL hätte die neue Silver Speed-Connect-Technik den Vorteil, dass die Übertragungsraten in beide Richtungen, also vom und ins Internet - exakt gleich schnell sind, gibt das Unternehmen an. Silver Server ist nicht der einzige Provider in Österreich, der schnelle und vergleichsweise kostengünstige technische Lösungen anbietet. Dennoch ragt das Unternehmen aufgrund seiner spezifischen Geschichte aus der Anbieterlandschaft heraus.

Am Anfang stand keine kommerzielle Absicht, sondern eher der Breitband-Demokratie-Gedanke. Die Provider-Situation war 1994 in Österreich wenig zufriedenstellend. Eine 64 k/bit Standleitung kostete rund ATS 20.000.- (umgerechnet etwa 3.000 DM). Gerade für Künstler, die eben das neue Medium für sich entdeckten, waren das exorbitant hohe Kosten. Oskar Obereder tat sich damals mit einem Techniker zusammen. 1995 wurde die erste Standleitung zu Atnet in Betrieb genommen. Damit konnten erste eigene Server und ein Einwahlknoten betrieben werden. Inzwischen hat das Unternehmen dreißig feste Mitarbeiter und ein Netz von rund 1000 Standleitungen aufgebaut. Als Kunde konnte sogar die Österreichische Nationalbank gewonnen werden. Eine Sache hat sich selbst mit dem Erfolg nicht geändert. Silver Server arbeitet mit Linux und zu hundert Prozent Microsoft-frei. Den Grund dafür beschreibt Obereder in knappen Worten: "Microsoft-frei sind wir aus ethischen, aus ökonomischen und aus technischen Gründen. Und Linux funktioniert einfach."