Bremen: Der Mythos von den Mehrheiten links von der Union

Seite 2: "Regieren ist keine reale Machtoption"

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Nachdem Wagenknecht ihren Rückzug aus dem Fraktionsvorsitz angekündigt hat, scheinen sich bei der Linkspartei diejenigen durchzusetzen, die Mitregieren wollen um jeden Preis. Da wird jetzt gerne der Kampf gegen rechts als Begründung angeführt, dass man jetzt nicht abseits stehen könnte.

So hat die Parteivorsitzende der Linken Katja Kipping das schlechte Wahlergebnis ihrer Partei bei den EU-Wahlen nicht etwa zum Anlass genommen, für eine Profilierung des eigenen Profils, sondern für enges Bündnis mit der ominösen Mitte zu werben:

Die Wahlen am 26. Mai sind für uns ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen. Bei einem Wahlergebnis von 5,5 Prozent müssen wir unsere Strategie und Haltung überprüfen. Wenn unsere Wählerinnen und Wähler glauben, dass ihre Stimme für uns vielleicht richtig, aber irrelevant ist, weil die LINKE nichts verändern kann, dann stagnieren oder wir verlieren. Das ist bei den Europawahlen geschehen. Die Wahl zur Bremer Bürgerschaft hingegen hat gezeigt, wie wir zulegen können. In Bremen war eine Stimme für die LINKE eine Stimme der aktiven Veränderung. In Bremen hat die LINKE von Anfang an klargemacht, dass sie bereit ist, ihr gutes Programm auch in einer Regierung umzusetzen.

Katja Kipping, Die Linke

Dabei ist es ja gerade das Fehlen einer konsequenten linken Opposition, die den Rechten erst die Möglichkeit gibt, sich als Alternative zum Establishment aufzuplustern. Dabei müsste eine linke Kraft zeigen, dass die AfD nur radikalere Teil der kapitalistischen Einheitspartei sind. Allerdings gibt es bei der Linken an der Basis und auch vereinzelt im Vorstand noch Kräfte, die vor der Regierungsbeteiligung warnen.

So hat das Mitglied des Parteivorstands Raul Zelik in einem Beitrag für die Tageszeitung Neues Deutschland noch mal daran erinnert, dass es ein Unterschied ist, an der Regierung zu sein und Macht zu haben.

Seit den 1980er Jahren haben wir immer wieder erlebt, wie linke Regierungen rechte Reformen umgesetzt haben. New Labour zementierte den Sieg des Neoliberalismus in Großbritannien und schwächte die Gewerkschaften weiter. Die rot-grüne Koalition in Deutschland machte das, was sich die Union nicht getraut hatte: Hartz IV, Teilprivatisierung der Rentenkasse, Beteiligung an NATO-Angriffskriegen ... Und auch die von uns allen mit so großer Hoffnung begleitete Syriza-Regierung in Griechenland beweist doch vor allem die Ohnmacht linken Regierens. Syriza hat die Sparmaßnahmen der Troika umgesetzt, Gemeineigentum privatisiert und die sozialen Bewegungen demobilisiert. Der Weg in die Regierung war das genaue Gegenteil einer "Machtoption".

Raul Zelik, Neues Deutschland

Die innerlinke Strömung Bewegungslinke dürfte so eine der wenigen Strömungen sein, die sich der rosa-rot-grünen Besoffenheit noch etwas entgegenstellen. Bei allen anderen wird eine Wahlkonstellation in Bremen gleich zu bundesweiter Bedeutung hochgejazzt.

Dabei wird großzügig übersehen, dass bald die Situation eintreten kann, dass der Stadtstaat Bremen das einzige Bundesland mit Beteiligung der Linkspartei ist. In Brandenburg und Thüringen könnte eine solche Konstellation nach den nächsten Wahlen bald nicht mehr möglich sein. In Thüringen wäre das sogar mit dem Verlust des bisher einzigen der Linken angehörenden Ministerpräsidentenpostens verbunden.

Dieser absehbare Verlust von Regierungsposten, nicht von realer Macht, soll mit dem lauten Getöse über eine Koalitionsbeteiligung in Bremen übertönt werden.