Briten billigen die Forschung mit embryonalen Stammzellen
Nach einer langen Debatte stimmte jetzt auch das britische Oberhaus für das Gesetz, das therapeutisches Klonen von menschlichen Embryos ermöglicht
Nachdem bereits im letzten Monat das britische Unterhaus mit überwältigender Mehrheit das Gesetz gebilligt hatte, das die Verwendung von menschlichen Stammzellen für therapeutische Zwecke ermöglicht (Ja zum therapeutischen Klonen), hat sich am Montag auch das Oberhaus diese Haltung zu eigen gemacht. Damit ist in Großbritannien die Bahn frei für die embryonale Stammzellenforschung.
Wie im Unterhaus so unterlag auch im Oberhaus die Abstimmung für die Abgeordneten keinem Fraktionszwang. Vor allem christliche Abgeordnete wandten sich gegen das Gesetz, die Kirchen hatten sich schon zuvor gegen die Verwendung von Embryonalzellen ausgesprochen. In einem offenen Brief hatten christliche, islamische und jüdische Geistliche sowie Vertreter der Sikh das Oberhaus aufgefordert, keine Entscheidung überstürzt zu treffen und noch einmal einen Ausschuss zur Prüfung einzusetzen.
Nach einer vielstündigen Debatte setzte sich schließlich die "prowissenschaftliche" Position mit 212 zu 92 Stimmen durch, so dass in Großbritannien die Verwendung von Embryonalzellen und das Klonen von bis zu 14 Tagen alten menschlichen Embryonen erlaubt sein wird. Im Gegensatz etwa zu Deutschlands Embryonenschutzgesetz, das auch dies verbietet, durften in Großbritannien Wissenschaftler seit 1990 bereits im Kontext der Fertilitätsforschung mit bis zu 14 Tagen alten menschlichen Embryos experimentieren. Verwendet werden durften allerdings nur gespendete Embryos, die bei der In-Vitro-Fertilisation übrig geblieben waren und ansonsten vernichtet würden, während jetzt auch Stammzellen von abgetriebenen Embryos genommen werden können.
Aus der Forschung mit Stammzellen erhofft man sich viele therapeutische Möglichkeiten, beispielsweise die Erzeugung von Ersatzgewebe oder gar Ersatzorganen zur Transplantation. Viele Wissenschaftler hatten zu diesem Schritt geraten, damit die britische Forschung nicht in diesem vielversprechenden Bereich zurückfalle und als biotechnologischer Standort uninteressant werde. Verboten ist die Verbindung von menschlichen somatischen Zellen mit Eiern von Tierarten, also das Klonen von Mischwesen. Verboten bleibt auch das Klonen von Menschen, also das Einpflanzen eines geklonten Embryos in die Gebärmutter einer Frau. Verwendet werden sollen Embryonalzellen nur dann, wenn es keine andere Möglichkeit der Forschung gibt. Kontrolliert werden soll die Verwendung von Embryonalzellen durch eine Bioethikkommission. Das Oberhaus gab die Zustimmung zu dem Gesetz nur unter der Bedingung, dass baldmöglichst ein Gesetz das reproduktive Klonen von Menschen verbietet.
Überdies hatte das Oberhaus beschlossen, einen Ausschuss für die damit zusammenhängenden Fragen einzurichten. Das Gesundheitsministerium verpflichtete sich, die Ergebnisse des vom Ausschuss anzufertigenden Berichts zu berücksichtigen. Allerdings wird die Einsetzung des Ausschusses die Umsetzung des Gesetzes vorerst nicht verzögern, das am 31. Januar in Kraft tritt. Der Vizegesundheitsminister Lord Hunt hatte während der Debatte davor gewarnt, die Entscheidung weiter hinauszuzögern, da es sich um eine lebenswichtige Forschung handelt. Diese sei ausreichend kontrolliert und eingeschränkt, man müsse aber die Achtung vor dem menschlichen Embryo in ein angemessenes Gleichgewicht mit der Achtung von Millionen von Menschen bringen, die mit diesen zerstörenden Krankheiten leben oder sie noch bekommen werden.
Gegner des Gesetzes griffen zu dramatischen Vergleichen. So sagte etwa Lady Warnock: "Das Wort Klonen lässt die britische Öffentlichkeit erschauern. Die Angst besteht, dass die Forschung nicht ernsthaft überwacht wird, dass wir dem Abgrund zum Klonen des ganzen Menschen schnell näher kommen."
In Deutschland will Bundeskanzler Schröder die Diskussion um die Forschung an Stammzellen neu und vorurteilsfrei führen. Das Gewicht der pragmatischen Position, die Schröder zu bedenken gegeben hatte, dürfte nach der Entscheidung der Briten noch stärker wiegen: "Eine Selbstbescheidung Deutschlands auf Lizenzfertigungen und Anwenderlösungen würde im Zeitalter von Binnenmarkt und Internet nur dazu führen, dass wir das importieren, was bei uns verboten, aber in unseren Nachbarländern erlaubt ist." Der neue Kulturstaatsminister und Philosophieprofessor Nida-Rümelin hat sich die britische Position zu eigen gemacht, dass die Verwendung von Embryonen mit einem Alter bis zu 14 Tagen möglich sein kann, weil man bis zu diesem Alter nicht von einem Wesen sprechen könne, das die Voraussetzungen für die Achtung der Menschenwürde erfüllt (In den Fallstricken der Bioethik). Bislang hatte die zurückgetretene Gesundheitsministerin Fischer dafür plädiert, das Embryonenschutzgesetz in aller Strenge und Ausschließlichkeit beizubehalten und auf die Forschung mit adulten Stammzellen zu setzen.
Nachdem der neue amerikanische Präsident Bush bereits seine Position zur Frage der Abtreibung deutlich gemacht hat, darf man annehmen, dass unter seiner Regierung auch die Forschung an embryonalen Stammzellen eingeschränkt wird.