Britische Sittenwächterin im Visier der Datenschutzkommission

Online-Umfrage erhebt auch persönliche Daten

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Tory-Abgeordnete Baroness Young will Name, Wohnort und sexuelle Orientierung von Teilnehmern einer Online-Umfrage über umstrittenen Homosexuellenparagraphen wissen. Schwulenorganisationen sind empört, die UK-Information Commission meldet Bedenken an.

Eine merkwürdige, von der britischen Hardlinerin in Homosexuellenfragen, Baroness Young, initiierte Online-Umfrage erregt Unmut bei Schwulenorganisationen und die Aufmerksamkeit der Datenschutzkommission. Wie Independent berichtet, wird die Webpage Age of Consent inzwischen vom Information Commissioner wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Datenschutzgesetz beobachtet.

Wer seine Meinung zum gesetzlichen Schutzalter und Analsex auf dieser Webpage abgeben möchte, wird nach Name, Postleitzahl und sexueller Orientierung befragt. Das Büro der Information Commissioner bestätigte gegenüber Independent, dass man nun von Lady Young wissen wolle, was mit diesen Daten geplant sei. Schwulen- und Lesbenorganisationen hatten zuvor die Art der Umfrage massiv kritisiert und die Vermutung geäußert, die konservative Politikerin möchte Daten über Homosexuelle in Großbritannien sammeln und auswerten.

Die Online-Umfrage selbst wirkt eher wie makabre Anti-Schwulen-Propaganda. Mit "Ja" kann stimmen, wer die Meinung von Oberhausmitglied Janet Young teilt, die mit folgenden Worten zitiert wird: "To sum up, in tabling the amendment, we are trying to keep the age of buggery for both boys and girls at 18 but to lower it to 16 for all other homosexual acts. That is the compromise. It goes some way to the case for equality because it is equal, and I hope that the Government will consider it seriously." Also auf gut deutsch: Analsex sollte erst ab 18 erlaubt sein, alle anderen homosexuellen Praktiken bereits ab 16 - als Kompromissangebot an die Labour-Party - ausgeübt werden. Mit "Nein" dürfen Personen votieren, die liberaler eingestellt sind.

Die skurril wirkende Debatte hat allerdings einen traurigen Hintergrund. In Großbritannien sind bis dato ausgesprochen konservative Homosexuellenparagraphen in Kraft, die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof als problematisch eingestuft werden. Teilweise wurden diese Gesetze unter der Eisernen Lady, Margaret Thatcher, erlassen. Tony Blair lief dagegen an und biss sich am House of Lords mehrmals die Zähne aus. "Zum dritten Mal hat gestern das britische Oberhaus die Senkung des Schutzalters für einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex auf 16 Jahre abgelehnt. Das House of Lords stimmte mit der überwältigenden Mehrheit von 205 zu 144 Stimmen gegen die Reform", wurde noch Mitte November 2000 vermeldet.

Blair verzichtete schließlich auf die Billigung durch die Adelskammer und setzte die Senkung des Schutzalters mit einem "Parliament Act" durch. "Nach BBC-Berichten hat Baroness Young, Wortführerin der Konservativen im House of Lords, die Ablehnung des Gesetzes mit dem Argument begründet, analer Sex stelle ein großes Gesundheitsrisiko dar. Menschen, die diese Praktik ausübten, seien für zukünftige Blutspenden ausgeschlossen", berichtete Eurogay Details der "noblen" Debatte im November. Bis heute ist die Sache Thema bei den Konservativen geblieben, wie die Webpage "Age of Consent" zeigt.

Ein Sprecher der britischen Schwulen- und Lesbenorganisation Stonewall wirft jetzt Lady Young vor, Daten an die rechtskonservative Vereinigung "Christian Institute" weiterzuleiten. "Wir haben Indizien dafür, dass Personen, die an Baroness Young schrieben, Antwortschreiben vom Büro des "Christian Institute" erhielten. Offensichtlich werden hier Informationen ausgetauscht", erklärte man gegenüber "Independent". Young ist tatsächlich ein führendes Mitglied des "Christian Institute".

Auf der Website "Age of Consent" gibt es aber immerhin aber ein Privacy Statement auf. Mit der Aufnahme von persönlichen Daten im Zuge der Online-Umfrage, möchte man die Qualität des Ergebnisses gewährleisten, wird hier das Vorgehen legitimiert. Das Büro der Datenschutzkommission meldet trotzdem ernste Bedenken an. Eine Sprecherin von Lady Young wiederum verweigerte dem "Independent" eine Stellungnahme.