Britischer Labour-Abgeordneter am Pranger

Nach Dokumenten, die ein Telegraph-Reporter im irakischen Außenministerium gefunden haben will, hatte Kriegsgegner Galloway viel Geld aus Bagdad erhalten - und wollte angeblich noch mehr

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Der britische Telegraph hat seinen quotenträchtigen Skandal gefunden, nachdem er bereits deutsche und russische Machenschaften mit dem Hussein-Regime aufgedeckt hat (Geheime Machenschaften und verdächtige Zeugen). Der linke Labour-Abgeordnete George Galloway, auch in seiner eigenen Partei wegen seiner Extravaganzen nicht unbedingt gerne gesehen, steht am Pranger, weil seine pro-irakische Haltung, seine Kritik an den Sanktionen und sein Widerstand gegen den Krieg womöglich daher rührt, dass er vom Hussein-Regime bezahlt worden ist .

Mit Galloway hätte die konservative Murdoch-Zeitung, die stets für den Krieg eintrat, gegen die EU und pro Bush plädiert, einen markanten und durchaus zwiespältigen Kandidaten der britischen Antikriegsbewegung abserviert, wenn die Vorwürfe sich bestätigen sollten. Da doch die Kriegsgegner den Kriegsbefürwortern immer unterstellten, primär von materiellen Interessen - allen voran der Zugriff auf das Öl - getrieben zu sein, wäre der Fall Galloway, der just für seine Politik mit irakischem Öl in Höhe von jährlich einer halben Million Euro bezahlt worden ist, das eigentlich für Lebensmittel für die Zivilbevölkerung gedacht war, wäre das besonders schlagkräftig (Die Schätze der irakischen Geheimdienstzentrale). Die Idealisten, die das Leben von Unschuldigen schützen wollen, stützten in Wirklichkeit aus egoistischen materiellen Interessen heraus die Diktatur Husseins.

Seit gestern bewachen bewaffnete Exiliraker, die unter dem Befehl von Dschalabi vom "Irakischen Nationalkongress" stehen, das Ministerium. Nur mit Genehmigung des Pentagon-Wunschkandidaten für eine Nachkriegsregierung dürfen noch Dokumente aus dem Ministerium genommen werden. David Blair, der Journalist des Telegraph in Bagdad, hatte anscheinen noch Glück oder sich noch etwas für eine Folgestory aufgehoben. Heute schob der Telegraph nämlich noch einen weiteren Fund nach. Angeblich soll Galloway für seine Dienste im Mai 2000 noch mehr Geld gefordert haben. Doch Hussein soll dies in einem Memo abgelehnt haben, weil dies nicht möglich sei.

Allerdings erwachsen Galloway, der alle Vorwürfe abstreitet, auch aus anderer Richtung Schwierigkeiten. Bislang hatte er die Einnahmen und Ausgaben für seine Mariam-Stiftung unter Verschluss gehalten. Nicht nur wird ihm jetzt vorgeworfen, dass auch vom Irak Gelder gekommen seien, sondern er soll mit den gesammelten Geldern auch seine Reisen bezahlt haben, obwohl sie nur für die Behandlung von kranken irakischen Kindern verwendet werden sollten. Galloway will nun Kassensturz machen. Vom Irak habe er keine Gelder erhalten, sagte er, wohl aber von Saudi-Arabien oder den Vereinigten Emiraten. Gleichwohl geht gerade auch der Staatsanwalt Lord Goldsmith Vorwürfen nach, dass Galloway die gespendeten Gelder für mehrere Auslandsreisen missbraucht und damit die Spender getäuscht haben könnte.

Galloway bezeichnet die Vorwürfe des Telegraph als Schmierenkampagne, erklärt, dass die Dokumente Fälschungen sein müssen, und will gegen die Zeitung gerichtlich vorgehen. Die Labour-Partei hält sich alle Wege offen und will selbst die schweren Vorwürfe untersuchen. Man darf davon ausgehen, dass viele in der Partei nicht unglücklich wären, wenn Galloway wegen dieses Skandals gehen müsste. Vermutlich wird er nicht mehr als Kandidat nominiert werden.

Von unabhängigen Experten wurden allerdings die in Bagdad von einem Telegraph-Reporter gefundenen Dokumente noch nicht überprüft. Galloway meint, es sei schon erstaunlich, dass der britische Geheimdienst, der doch alles über ihn wisse, nichts von den angeblichen Transaktionen zu wissen scheine. Galloway räumt ein, dass er einen Brief geschrieben hatte, in dem er den Jordanier Zureikat zu seinem Vertreter im Bagdad erklärt. Dass ausgerechnet bei diesem Brief das Memo des irakischen Geheimdienstes gefunden worden sei, aus dem die Zahlungen an ihn hervorgehen, sei, so Galloway, ein "bemerkenswerter Zufall". Verdächtig mag allerdings sein, dass im irakischen Außenministerium auch die Kopie eines Briefes vom damaligen britischen Außenminister Cook an Galloway gefunden wurde, in dem dieser 1998 schreibt, dass es keine Bestätigung gebe, dass unter den Unscom-Inspektoren Mossad-Agenten wären. Offenbar gelangte diese Kopie über den irakischen Botschafter in London nach Bagdad. Über irgendwelche Gelder, die zu Galloway geflossen sind, besagt dieses Dokument allerdings nichts.

Die Dokumente will David Blair im ersten Stock des Außenministeriums gefunden haben. Dort sei er am letzten Samstag zusammen mit einem Übersetzer zufällig über die Dokumente in einem orange-farbigen Aktenordner mit der Bezeichnung "Großbritannien" gestolpert. Nach Auskunft des Guardian hätten "Experten" Zweifel an dem Dokument angemeldet, das angeblich vom irakischen Geheimdienst stammt und die Informationen über die Gelder enthält, die an Galloway gegangen sein sollen. Seltsam sei, dass der Name des Geheimdienstes auf Englisch geschrieben worden sei. Überdies sei auf dem Dokument ein ziemlich amateurhaftes Logo zu sehen. Blair selbst sagte, es sei "praktisch unvorstellbar", dass die Dokumente Fälschungen seien, die irgend jemand hier platziert habe, so dass sie von einem Journalisten gefunden werden.

Der Guardian weist darauf hin, dass bereits einige linke Labor-Abgeordnete zum Opfer von Schmierenkampagnen geworden seien, die direkt oder indirekt von den Geheimdiensten gefördert worden waren. Es sei aber auch denkbar, dass die Dokumente zwar echt, die Inhalte aber von irakischen Mitarbeitern des Geheimdienstes oder des Außenministeriums gefälscht worden sein könnten, die Galloway ohne dessen Wissen nur als Bezieher von Geldern bezeichnet hatten, die sie sich selbst zukommen ließen. Ein Nachweis, dass Galloway jährlich eine halbe Million Euro aus dem Irak - wie auch immer vermittelt - bezogen hat, sollte eigentlich auch nicht zu schwer zu besorgen sein.