Brüssel gegen Kohlesubventionen

Die Energie- und Klimawochenschau: Von lieb gewonnenen Kohlesubventionen, chinesischen Emissionen und Abhängigkeiten, organischen Solarzellen und afrikanischen Windparks

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Irgendwie ist es schon ein bisschen eigenartig mit dem Steinkohlebergbau. Nur noch rund 33.000 Menschen finden in den Zechen an Ruhr und Saar ihr Auskommen. Und doch scheinen alle dran zu hängen, zumindest in den beiden betroffenen Bundesländern, dem kleinen Saarland und dem großen Nordrhein-Westfalen: deie CDU, der Traditionsflügel der Linkspartei, die SPD. Der Bergbau scheint, je nach parteipolitischem Geschmack, irgendwie der Inbegriff proletarischer Kultur oder der Seele einer ganzen Region zu sein.

Natürlich ist das nichts Aufgesetztes, sondern hat mit gesellschaftlichen Beharrungskräften zu tun. Die Politiker greifen nur eine Grundstimmung in der Bevölkerung auf, deren Alltagskultur über Generationen durch Bergbau und Stahlindustrie geprägt wurde, und mit dem Niedergang dieser einstigen Säulen des deutschen Kapitalismus wird deutlich, dass diese Prägung noch lange nachwirkt.

Deshalb muss jetzt auch ein wenig Geschrei gemacht werden, weil aus Brüssel die Drohung kommt, das Subventionsunwesen im Steinkohlebergbau zu beenden. Seit 1974 fließen Jahr für Jahr Milliarden-Beträge, um die deutsche Steinkohleförderung am Leben zu erhalten. Zunächst als Kohlepfennig, bis das Bundesverfassungsgericht dem 1994 ein Ende bereitete. Danach direkt aus den Bundes- und Landeshaushalten, finanziert seit 1999 durch die Stromsteuer, die den Privatkunden mit rund zwei Cent pro Kilowattstunde, die Industrie jedoch nur mit 1,23 Cent/kWh belastet.

In den acht Jahren zwischen 1998 und 2005 flossen nach dem Steinkohlebeihilfengesetz rund 26 Milliarden Euro an die beteiligten Bergbauunternehmen, das heißt vor allem an die staatliche RAG, deren Tafelsilber zur gleichen Zeit abgetrennt und derzeit als evonik an die Börse gebracht wird.

Geht es nach der EU-Kommission, dann ist mit dieser Subventionswirtschaft zum 1. Oktober 2014 Schluss und nicht erst 2018 oder noch später, wie 2007 zwischen Bundes- und Landesregierungen ausgehandelt wurde. Im Rahmen der damaligen Beschlüsse würden in den nächsten acht Jahren noch etwa weitere zehn Milliarden Euro an Subventionen gezahlt werden. 2012 sollte in einer weiteren Verhandlungsrunde entschieden werden, ob 2018 auch wirklich Schluss ist oder ob einige Gruben auch darüber hinaus offen gehalten werden, wie es zum Beispiel die SPD in NRW fordert.

Die Kommission fordert nun, dass unrentable Zechen – betroffen wären vor allem die deutschen Gruben, aber auch einige spanische und eine rumänische – ab Oktober 2014 nicht mehr von der öffentlichen Hand bezuschusst werden dürfen. Subventionen müssen bis dahin degressiv (abnehmend) gestaltet werden und an eine Stilllegungsplan gekoppelt sein. Werden die subventionierten Zechen über 2014 hinaus betrieben, so müssen die Subventionen zurückgezahlt werden.

Der Kommissionsbeschluss ist noch nicht rechtsverbindlich, sondern muss von den Mitgliedsregierungen im Ministerrat angenommen werden. Dafür reicht in diesem Fall eine sogenannte qualifizierte Mehrheit. Sowohl die Mehrheit der Mitgliedsstaaten als auch die der gewichteten Stimmen müssen sich dafür aussprechen. Deutschland hat 29 Stimmen, Spanien 27 und Rumänien 14; zu wenig um eine qualifizierte Mehrheit zu verhindern. Mit Polens 27 Stimmen würde es für eine Blockade reichen, aber die dortigen Gruben können offensichtlich ohne Subventionen auskommen.

Chinas Energiehunger

Chinas Energiehunger sorgt mal wieder für Schlagzeilen. Anfang letzter Woche vermeldete die Internationale Energieagentur aus Paris, dass das Land der Mitte nunmehr die USA überholt habe und der weltgrößte Energieverbraucher sei. Umgerechnet auf die Bevölkerung kann davon allerdings noch lange nicht die Rede sein. Da liegen die 300 Millionen US-Bürger noch immer weit vor den 1,3 Milliarden Chinesen.

Wird allerdings die Wirtschaftsleistung als Messlatte angelegt, so kommt die Volksrepublik nicht besonders gut weg: Obwohl ihr Bruttonationalprodukt nur ein gutes Drittel des US-amerikanischen erreicht, verbraucht sie nun offenbar ebenso viel oder etwas mehr an Energie. Das lässt sich zum geringeren Teil damit erklären, dass der Exportanteil der chinesischen Wirtschaft höher als der der US-amerikanischen ist. Eine Rolle spielt auch, dass sich das Land sehr stark entwickelt und einen wesentlich größeren Teil des Nationalprodukts als in den alten Industriestaaten üblich in den energieintensiven Ausbau seiner Infrastruktur steckt.

Aber Chinas hoher Energieverbrauch ist sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass viele Anlagen und industriellen Prozesse noch immer sehr verschwenderisch mit Energie umgehen und der Modernisierung harren. Zur dortigen Energiepolitik gehört es daher auch, dass von den zentralen Wirtschaftsbehörden systematisch für die Stilllegung ineffizienter Altanlagen gesorgt wird. Dadurch übersteigt zum Beispiel der durchschnittliche Wirkungsgrad chinesischer Kohlekraftwerke inzwischen bereits den US-amerikanischer.

Entwicklung des Energieverbrauchs in den USA (blau) und China (rot) im Vergleich. Linke Skala: Verbrauch in absoluten Werten; rechts: Pro-Kopf. Alle Energieträger wurden auf Öleinheiten umgerechnet. Bild: IEA

Die Regierung in Beijing (Peking) hat die IEA-Angaben übrigens postwendend dementiert. Das Wall Street Journal zitiert einen Sprecher der chinesischen Energieagentur, der immer noch die USA für die Nummer eins hält. Die IEA würde die chinesische Energiewirtschaft und Energiesparprogramme nicht richtig verstehen. Die Agentur, die von der OECD in den 1970er Jahren gegründet wurde, um zuverlässige Information über die Energiemärkte zu sammeln, beklagt sich hingegen über mangelhafte Qualität der chinesischen Daten.

Letztlich ist allerdings der Unterschied zwischen den chinesischen und den IEA-Angaben nicht besonders groß. Aus der Sicht Beijings liegt die Volksrepublik nur noch ein Prozent unter dem US-Verbrauch. Es ist also nur noch eine Frage höchstens eines Jahres, bis China auch aus eigener Sicht die Nummer eins ist. Daran werden wohl auch die neuen Planziele nichts ändern, wonach die Emissionsintensität der Wirtschaft, also die pro Einheit des Bruttonationalprodukts emittierte CO2-Menge, bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 abgesenkt werden soll.

Modernisierung

Die IEA weist in ihrer Stellungnahme übrigens auch auf die großen Anstrengungen hin, die die Volksrepublik bisher schon auf diesem Gebiet unternommen hat. So hat sich der Energieverbrauch laut IEA seit 2000 zwar verdoppelt, das Bruttonationalprodukt im gleichen Zeitraum aber fast vervierfacht. Ohne die aggressive Modernisierung der industriellen Infrastruktur hätte also der Verbrauch und damit auch die diversen höchst problematischen Kraftwerksemissionen noch erheblich stärker zugenommen.

Die Pariser Energiemarktbeobachter loben die Volksrepublik darüber hinaus für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energieträger. China hat in den vergangenen Jahren mehrfach hintereinander den Umfang der neuinstallierten Windenergieleistung verdoppelt. 2009 gingen rund 13.000 Megawatt (MW) neu ans Netz, in diesem Jahr werden es wohl deutlich über 18.000 MW sein (siehe auch Wachstum des Wachstums). Wenn es in diesem Tempo weiter geht, dann wird dort demnächst jährlich so viel neue Windleistung installiert, wie in Deutschland in den letzten 20 Jahren, als etwa 25.000 MW.

Sonne für China

Auch in anderen Sektoren geht es in dem für China typischen atemberaubenden Tempo voran. Noch vor drei oder vier Jahren hatte die Volksrepublik zwar in der Produktion von Fotovoltaikanlagen weltweit die Nase vorn und war bereits der weltweit größte Nutzer der Solarthermie im Bereich der Wärmenutzung, hatte aber keinerlei Erfahrungen oder industrielles Know-how im Bereich der solarthermischen Kraftwerke. Diese konzentrieren mit Spiegeln das Sonnenlicht, um damit Dampf zu erzeugen, der dann eine Turbine antreibt.

In den USA arbeitet bereits seit den 1980er Jahren ein entsprechendes Kraftwerk und in Spanien sind in den vergangenen Jahren verschiedene dieser Anlagen entstanden, die mal mit Parabolrinnen, mal mit großen Spiegelarrays arbeiten. Der Unterschied besteht vor allem in der Betriebstemperatur. Auch in verschiedenen nordafrikanischen Ländern werden in nächster Zeit derartige Kraftwerke gebaut.

Nun steigt auch China in dieses Geschäft ein und will gleich klotzen: Bis 2015, heißt es bei der zentralen Reform und Entwicklungskommission, sollen bereits 1.500 MW installiert sein, obwohl die ersten Pilotanlagen von einigen wenigen MW bisher erst auf dem Reißbrett existieren. Und auch die Fotovoltaikproduktion wandert nicht mehr wie noch vor zwei Jahren vollständig in den Export, sondern findet zunehmend auch inländische Abnehmer, wie zum Beispiel bei der Bahn in Shanghai.

Nur der Anfang

Aber das alles scheint nur der Anfang zu sein. In den nächsten zehn Jahren soll fünf Billionen Yuan (572 Milliarden Euro) in den Ausbau "sauberer Energien" gesteckt werden, berichtet die englischsprachige chinesische Zeitung Global Times.

In der Summe ist allerdings auch der Ausbau der Atomenergienutzung enthalten, die in den offiziellen Verlautbarungen aus Beijing gerne als "alternative Energie" verkauft wird, sowie die Entwicklung von Kraftwerken mit CO2-Abscheidung. Angaben über die Aufteilung der Gelder wurden nicht gemacht, aber wenn man von 20 bis 30 neuen AKWs in den nächsten zehn Jahren ausgeht, werden wohl immer noch 400 Milliarden Euro bleiben, die in den Ausbau von Wind, Sonne & Co. fließen.

Eine gewisse Rolle spielt in der Volksrepublik auch der Ausbau der Biogas-Produktion aus Fäkalien und landwirtschaftlichen Abfällen. In Sachen Ethanol und Diesel aus Pflanzen ist man nach einer anfänglichen Euphorie wegen der tendenziell schwierigen Ernährungslage eher vorsichtig.

Mehr Importkohle

Das alles heißt aber noch lange nicht, dass das Land der Mitte auf fossile Energieträger verzichten kann. Angestrebt wird, den Anteil der Kohle an der Stromproduktion von derzeit 70 Prozent auf 63 Prozent im Jahre 2015 zu drücken. Da aber der Bedarf an elektrischer Energie vermutlich weiter zunehmen wird – 2009 betrug das Wachstum etwas über sechs Prozent – wird auch der Kohleverbrauch zunächst weiter steigen.

Das führt inzwischen dazu, dass der weltgrößte Kohle-Produzent (über 40 Prozent der weltweiten Förderung) 2009 zum Nettoimporteur avanciert ist. Mit knapp 71 Millionen Tonnen hat sich im ersten Halbjahr der Nettoimport gegenüber dem 1. Halbjahr 2009 verdoppelt, wie der Brancheninfodienst SteelOrbis berichtet. Für die Regierung in Beijing wird das ein Grund mehr sein, den Ausbau erneuerbaren Energieträger zu forcieren, denn noch vor Umweltschutz ist ihr wichtigstes Motiv, angesichts der wachsenden Konkurrenz um die letzten Lagerstätten die Abhängigkeiten zu diversifizieren und so klein wie möglich zu halten.

Organische Solarzellen

Derweil geht die technische Entwicklung bei den Erneuerbaren Energieträgern munter weiter. Besonders in der Fotovoltaik gibt es noch viel Raum für Verbesserungen, die den Strom aus Solarzellen noch deutlich günstiger machen können. In der Branche rechnet jeder damit, dass irgendwann in diesem Jahrzehnt noch der Sonnenstrom mit den fossilen Brennstoffen wird direkt konkurrieren können. Die sich abzeichnende Verteuerung der Kohle lässt diesen Zeitpunkt gar noch näher rücken.

An der Universität von South California haben Wissenschaftler kürzlich einen großen Schritt gemacht, der uns diesem Ziel näher bringt. In einer Mitteilung informieren sie über die Entwicklung flexibler Dünnschichtzellen, die biegsam sind. Die Tüftler hoffen, künftig Solarzellen drucken zu können, um so die Herstellungskosten deutlich zu verringern. Der Wirkungsgrad liegt nach ihren Angaben allerdings um den Faktor zehn unter dem herkömmlicher Solarzellen.

Mehr Windenergie

Auch die Verbreitung der neuen Technik zieht immer weitere Kreise. Aus Südafrika berichten Projektentwickler von 6.000 MW an neuen Anlagen, die jederzeit gebaut werden könnten. Es fehlt meist nur noch an den Verträgen über die Abnahme des erzeugten Stroms. Manches wird allerdings auch von der Planung der Regierung für die nächsten Jahre abhängen, die demnächst vorgelegt werden soll. Unter anderem wird am Kap der Guten Hoffnung auch über den Bau neuer Atomkraftwerke nachgedacht.

Auch aus anderen Schwellenländern wird ein beschleunigter Ausbau der Windenergie gemeldet. In Chile, das seit kurzem einen Windpark mit einer Leistung von 120 MW hat, wird Vestas in den nächsten Jahren Anlagen mit einer Leistung von 500 MW ausliefern, die nördlich der Hauptstadt Santiago de Chile errichtet werden sollen. Geht alles nach Plan, werde die ersten 120 MW bereits im kommenden Jahr ans Netz angeschlossen. In ähnlichen Größenordnungen bewegt man sich Ägypten, wo in den nächsten zehn Jahren 7.200 MW geplant sind, und über den vielversprechenden Startschuss für Windparks und Solarkraftwerke in Marokko ist auf Telepolis ja bereits berichtet worden.