Bündnis Sahra Wagenknecht: Auf dem Weg zur Partei neuen Typus
Wird die neue Partei eine Alternative für Linke? Ist es von Nachteil, dass sie mit einer Person steht und fällt? Unser Autor hat dazu eine klare Meinung.
Die lang erwartete Gründung einer Partei durch Sahra Wagenknecht ist beschlossene Sache. Bisher existiert lediglich ein Verein zur Vorbereitung, der keine weiteren Mitglieder aufnimmt. Doch spätestens nach dem für Januar 2024 vorgesehenen Gründungsparteitag stellt sich für viele Linke die Frage: Mitmachen oder draußen bleiben?
Es ist daher wichtig, sich Klarheit über die neue Formation zu verschaffen, haben wir es doch mit einer Partei ganz neuen Typus zu tun. Dem sollen die folgenden Thesen dienen:
Erfolg durch Einzelpersonen: Beispiele im Ausland
Die neue Partei wird eine sein, die allein mit einer Person – Sahra Wagenknecht – steht und fällt. Diese Abhängigkeit ist aber die typische Konstellation, die zu den jüngsten politischen Umbrüchen in Europa geführt hat. Die spanische linkspopuläre Podemos war im Wesentlichen ein Geschöpf Pablo Iglesias', der wie Wagenknecht erst durch die Medien, durch Interviews und Talkshows bekannt wurde. Nicht anders verlief der Aufstieg von La France Insoumise.
Es ist die Schöpfung Jean-Luc Melenchons, der nach Bündnissen mit Sozialisten, Grünen und Kommunisten schließlich diese Organisation als seine politische Plattform schuf. Weder eindeutig Links noch Rechts lässt sich die 5-Sterne Bewegung Italiens einordnen. Auch sie war, zumindest in den ersten Jahren, auf eine Person zugeschnitten: auf Beppe Grillo.
Allein auf eine Person fokussierte Parteien sind gegenwärtig wendig und flexibel genug, um über die Medien ausreichende Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nun ist mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht dieses Muster auch in Deutschland angekommen. Man mag das bedauern oder nicht, es ist jedoch eine Tatsache, dass die von vielen Linken so sehr herbeigesehnte Entstehung einer von unten aufwachsenden neuen linken Partei nur eine schöne Hoffnung ist.
Die neue Partei wird eine Kaderpartei sein, denn die ihr alles andere als wohlgesonnenen politischen Konkurrenten sowie die Medien werden nur darauf warten, darin Mitglieder ausfindig zu machen, denen man einen rechten Hintergrund nachweisen kann. Deshalb wird man sich jeden neuen Bewerber genau ansehen. Auch kann man mit dem parteirechtlich möglichen Mittel einer Probemitgliedschaft arbeiten.
Wer das für eine Zumutung hält, sollte sich klarmachen, dass sich die neue Partei von Beginn an in einer äußerst feindlichen Umgebung behaupten muss, in der ihr sehr schnell die heute so modisch gewordenen Vorwürfe der "Rechtsoffenheit" und sogar der "Querfront" angehängt werden können. Wahrscheinlich wird die Partei deshalb mit nur wenigen Mitgliedern starten und auf absehbare Zeit auch keine breite Mitgliederpartei werden.
"Die Selbstgerechten": Pflichtlektüre für Interessierte
Die neue Partei wird programmatisch kein leeres Gefäß sein, welches erst im Zusammenwirken vieler Einzelner in langen und widerspruchsvollen Prozessen mit Inhalten gefüllt wird. Das Programm liegt vielmehr seit 2021 ausgearbeitet vor. Es findet sich in dem Buch "Die Selbstgerechten – mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt" von Sahra Wagenknecht, das erfolgreichste politische Sachbuch der letzten Jahre.
Darin kann man nachlesen, wofür sie und damit die neue Partei steht. Es ist ein linkes Programm, das sich aber zugleich deutlich von den Positionen der SPD, der Grünen und der Linkspartei unterscheidet.
So manche Erwartung von Unterstützern des Wagenknecht-Projekts, in der neuen Formation nun endlich all das unterbringen zu können, was man in anderen Parteien nie durchsetzen konnte, wie etwa die Verankerung weitreichender sozialpolitischer oder ökologischer Forderungen, wird sich nicht erfüllen. Wer sich für die neue Partei interessiert, tut daher gut daran, das Buch vorher aufmerksam zu lesen.
Damit ist personell und programmatisch vorbestimmt, dass die neue Partei von Sahra Wagenknecht geführt, und nur von ihr, werden wird, ob sie ihr nun vorsitzen wird oder nicht. Ihre wichtigsten Mitstreiter, die neun Bundestagsabgeordneten, die ebenfalls die Partei Die Linke verließen, besitzen zwar alle ihr eigenes politisches Profil, sie wissen aber zugleich, dass sie keinen Machtkampf in der Partei wagen können, wollen sie nicht das gesamte Projekt gefährden und damit ihre eigene Chance auf Fortsetzung der politischen Karriere zunichtemachen.
Bei der Gründung von "Aufstehen" war dies noch anders. Da hatte Wagenknecht mit dem ehemaligen Staatssekretär Ludger Vollmer von den Grünen, dem SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow und Antje Vollmer Prominente mit an Bord geholt, von denen zu erwarten war, dass sie die Bühne die sie ihnen bot, zur eigenen Profilierung nutzen würden. Das schnelle Ende des Projekts aber hat diese Hoffnungen zerstört.
Wie ungewollt der Weg für die neue Partei bereitet wurde
Die neue Partei wird eine im besten Sinne populäre Partei sein, die auf die Fehler der herrschenden Politik reagiert und daraus Nutzen zieht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat dies in einem Leitkommentar vom 25. Oktober 2023 auf den Punkt gebracht:
"Eine intellektuelle Figur durchzog die späte Ära Angela Merkel. Es war die Geburtsstunde des Wortes 'Narrativ'. Merkel müsse ihre Politik nur besser erklären, und schon steige die Sympathie für ihre Regierung wieder, die ihr verloren ging. Die Politik schlechthin müsse sich besser erklären, um grassierenden Verdruss zu bekämpfen. Wer keine Erzählung habe, dem fehle Akzeptanz und Vertrauen.
Früher sprach man von 'Spin', jetzt sprach man von Narrativ oder, in raffinierter Form, von 'Framing'. Seither ist viel erklärt worden und noch mehr erzählt. Was hat es gebracht? Sahra Wagenknecht."
Und über die Folgen dieser Politik wird in dem Kommentar ganz richtig gesagt: "Die Perspektive, die dahintersteckt, könnte falscher nicht sein. Denn die Erzählung der Erzählung lautet: Wenn wir den Bürgern unsere Politik erst richtig erklärt haben, können sie eigentlich nicht mehr dagegen sein. Denn die Politik ist richtig. Wenn sie nicht akzeptiert wird, liegt es daran, dass die Bürger sie noch nicht richtig begriffen haben.
Das liegt entweder an mangelhafter Kommunikation oder an den Bürgern. An der Politik kann es nicht liegen. Denn die ist alternativlos und wissenschaftlich belegt. Einem Volk, das auf diese Weise indirekt für dumm erklärt wird, kann man allerdings viel erklären.
Es reagiert in Umfragen mit Ansichten, die nur zu verständlich sind: dass den Politikern eigentlich egal ist, was die Bürger umtreibt; dass sie an der Wirklichkeit vorbei regierten; dass sie vorschreiben wollten, was zu denken und was zu tun sei; dass man lieber den Mund halte, weil man sonst für doof, sonderbar, unbelehrbar oder gar extremistisch gehalten werde.
Nicht diese Form der Abwendung aber ist eine Form von Radikalisierung, sondern die Überzeugung von Parteien, Politikern und Medien, ihre Standpunkte seien unfehlbar – im Unterschied zu denen im Volk."
Damit ist alles gesagt. Es ist die treffende Beschreibung einer Stimmung im Land, die die neue Partei für sich nutzen kann. Wagenknecht hat in den letzten Jahren bereits die größten Zumutungen der herrschenden Politik benannt und damit das Terrain der neuen Formation abgesteckt: Eine verfehlte Migrationspolitik, die an das Gute in den Menschen appelliert, ihnen aber zugleich die sozialen und finanziellen Kosten dafür aufbürdet.
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Das Vorgehen der Regierenden in der Corona-Pandemie, die jede neue Wendung zur einzig wissenschaftlich begründeten verklärten. Eine desaströse Strategie im Ukraine-Krieg, bei der mit der Lieferung von immer mehr und immer gefährlicheren deutschen Waffen ein Sieg Kiews erreicht werden soll, von dem inzwischen aber fast jeder weiß, dass er nicht kommen wird.
Eine Klimapolitik, bei der die Kosten vor allem den sozial Schwachen aufgebürdet werden – Stichwort Heizungsgesetz. Verordnet werden soll nun auch die Staatsräson der unkritischen Unterstützung Israels, das international oft als Apartheid-Staat kritisiert wird.
Gegen all das steht Sahra Wagenknecht. Und sie hat ihr Urteil über diese Politik gesprochen: Die Bundesrepublik hat gegenwärtig die "schlechteste Regierung aller Zeiten". Damit ist die Richtung der Kampagne zur Bundestagswahl 2025 vorgegeben. Jetzt geht es darum, den Zuspruch, den sie erhält, in Wählerstimmen umzumünzen.
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