Bürgereinkommen in Italien - eine repressive Armenfürsorge

Was steckt hinter dem Vorschlag der neuen Regierung? Ein Gespräch mit dem Experten für Grundeinkommen, Ronald Blaschke

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Im Regierungsvertrag zwischen den beiden Gewinnerparteien 5-Sterne-Bewegung und Lega Nord ist als Programmpunkt auch das im Wahlkampf versprochene Bürgereinkommen festgesetzt. Darüber hat Telepolis mit Ronald Blaschke, dem Mitgründer des Netzwerks Grundeinkommen in Deutschland und des europäischen Netzwerks Unconditional Basic Income Europe (UBIE), gesprochen.

Herr Blaschke, wie lautet denn Ihre Definition von Grundeinkommen?
Ronald Blaschke: Das Grundeinkommen ist ein individuell garantiertes Einkommen in existenz- und teilhabesichernder Höhe, welches allen Menschen ohne eine Bedürftigkeitsprüfung und ohne einen Zwang zur Arbeit oder zu einer Gegenleistung zusteht.
Diese Definition mit den genannten vier Kriterien ist Grundlage der Definition des Grundeinkommens durch eine überwiegende Anzahl der Partnerorganisation von BIEN (Basic Income Earth Network). Sie entspricht ebenso der Definition des europäischen Netzwerks UBIE (Unconditional Basic Income Europe).
Das Netzwerk Grundeinkommen ist Partnerorganisation von BIEN und Mitglied in UBIE. Es kämpft für die Einführung eines so definierten Grundeinkommens. In der Regel wird bei einem Grundeinkommen von einer Leistung ausgegangen, die jeder und jedem von der Wiege bis zur Bahre gewährt wird, wobei altersspezifische Höhen des Grundeinkommens möglich sind.

"Es ist kein Grundeinkommen, sondern das Gegenteil davon"

Was ist demnach das vorgesehene italienische Bürgereinkommen?
Ronald Blaschke: Das Bürgereinkommen für Erwerbsfähige und Rentner, das im Regierungsvertrag beschrieben ist, ist eine Grundsicherung oder Mindestsicherung für bedürftige Staatsbürger, die kein Einkommen oder ein Einkommen unterhalb von 780 Euro haben. Es ist kein Grundeinkommen, sondern das Gegenteil davon.
Warum? Weil es in Italien eine Bedürftigkeitsprüfung geben soll, weil es nicht individuell garantiert ist, einen Zwang zur Arbeit als Gegenleistung beeinhaltet und es auβerdem nicht allen Menschen bedingungslos die Existenz und Teilnahme am öffentlichen Leben sichert?
Ronald Blaschke: Ja, voll und ganz. Es kann, wie im Regierungsvertrag steht, "verwirkt" werden, wenn man keine angebotene Lohnarbeit annimmt. Es ist nur für Bedürftige, auch nur für Staatsbürger, nicht für alle in Italien Lebenden Menschen. Und 780 Euro liegen nicht nur unter der Armutsrisikogrenze für Italien, sondern dürften dort zum Leben und einer Mindestteilhabe an der Gesellschaft nicht ausreichen.
Was ist am italienischen Vorschlag bemerkenswert?
Ronald Blaschke: Dass Italien bestrebt ist, zumindest eine national flächendeckende Grundsicherung einzuführen, auch wenn es schon in bestimmten Regionen niedrige Sozialhilfen gibt.
Denken Sie, dass es machbar und finanzierbar ist? 20% der Gesamtzuweisung des ESF (Europäischer Sozialfonds) sollen ja in ein (Mindest-) Einkommen für Bürgerinnen und Bürger flieβen.
Ronald Blaschke: Ich vermute, das ESF-Mittel nur nutzbar sind, wenn die Transferleistungen mit einer klaren "Aktivierungs"-Strategie verbunden sind, also mit einer klaren Orientierung am Zwang zur Lohnarbeit.
Ist es eine schrittweise Annäherung in Richtung Grundeinkommen?
Ronald Blaschke: Ob die Grundsicherung für Erwerbsfähige und Rentner ein Schritt zum Grundeinkommen ist, kann man bezweifeln. Faktisch ist es genau das Gegenteil eines Grundeinkommens. Gute Schritte wären dagegen eine Grundrente, also ein bedingungslos an alle Altersrentner gezahlter, existenz- und teilhabesichernder Sockel in der Rente. Dieser würde dann durch Erwerbsarbeit erworbene Rentenbeträge erhöht.
Oder ein Kindergrundeinkommen für alle Kinder und Jugendlichen, oder ein Bildungshonorar für alle Studierenden. Diese Schritte hin zu einem Grundeinkommen für alle könnten durch eine steuerliche Umverteilung von oben nach unten unkompliziert finanziert werden.
Solche lebensphasenspezifische Schritte hin zum Grundeinkommen werden in Deutschland diskutiert und gefordert. In einigen europäischen Ländern gibt es bereits Grundrenten, in Deutschland ein Kindergeld für alle Kinder und Jugendlichen.

Italien hat Nachholbedarf

Wäre Italien mit seinem Modell ein Pionierland?
Ronald Blaschke: Italien hat Nachholbedarf in Sachen armutsbekämpfender sozialer Sicherungssysteme. Das ist in Deutschland und anderen Ländern Europas nicht anders, auch wenn dort bestimmte Sozialhilfesysteme flächendeckend ausgebaut sind.
Italien ist aber insofern ein Pionierland, weil eine italienische Abgeordnete in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine Resolution durchsetzen konnte, die pro Grundeinkommen angelegt ist und Wege zum Grundeinkommen aufzeigt.
Die Resolution der Parlamentarischen Versammlung wurde von Nunzia Catalfo (Fünf-Sterne-Bewegung) initiiert. Der Grundeinkommensaktivist aus Österreich, Klaus Sambor, und ich hatten Kontakt mit Nunzia Catalfo. Wir haben mit Kommentaren und Hinweisen auf die Qualifizierung des Entwurfs des Resolutionstextes hingewirkt.
Ist das Grundeinkommen eine Utopie?
Ronald Blaschke: Im Sinne eine Nicht-Ortes (u-topia), also eines nicht Existierenden ja, im Sinne eines Eutopia (eu-topia), eines guten Ortes ebenfalls ja. Eine kleine Randbemerkung: Einige verbreiten die Ansicht, schon Thomas Morus hätte in seinem "Utopia" das Grundeinkommen gefordert. Das stimmt aber nicht.
Wäre ein gesamteuropäisches Grundeinkommen möglich?
Ronald Blaschke: Ja, natürlich. Über zwei Wege: Entweder jedes Land führt einzeln ein Grundeinkommen ein, oder es gibt ein paneuropäisches Grundeinkommen, dass über eine europäische Institution gesichert ist.
Entscheidend ist dabei, dass das Grundeinkommen in jedem Land entsprechend der dortigen Lebenshaltungs- und Teilhabekosten die Existenz und Teilhabe sichert. Die Mindesthöhe müsste die jeweilige nationale Armutsrisikogrenze sein, überprüft anhand eines Warenkorbs, so wie es für alle Mindesteinkommen vom Europäischen Parlament gefordert wird.
Wie kooperiert Deutschland in dieser Hinsicht mit Italien? Gibt es ein internationales Netzwerk?
Ronald Blaschke: Das deutsche Netzwerk Grundeinkommen hatte bereits mehrere persönliche Kontakte zu Mitgliedern von BIN Italia, dem italienischen Netzwerk Grundeinkommen. Wir haben auch bei der Definitionsdebatte im Rahmen von BIEN und bei der Vorbereitung und Organisation der ersten Europäischen Bürgerinitiative Grundeinkommen kooperiert. Vor einigen Tagen war ich in Brixen/Südtirol und habe mit italienischen Grundeinkommensaktivisten diskutiert.
Ist das Grundeinkommen ein globales soziales Recht?
Ronald Blaschke: Globale soziale Rechte sind bedingungslos gewährte Rechte, die jeder Mensch an jedem Lebensort hat: Recht auf Bildung, Kultur, saubere Umwelt, Gesundheitsversorgung, politische Partizipation und soziale Sicherheit usw. Dahinter steht die Idee, dass jeder Mensch das Recht auf globale Freizügigkeit hat. Das Grundeinkommen ist ein Bestandteil globaler sozialer Rechte.

Würde bei einem Grundeinkommen die Gesellschaft zusammenbrechen?

Definiert Arbeit den Menschen?
Ronald Blaschke: Der Mensch ist ein soziales Wesen, definiert sich und seine soziale Umwelt über soziale Kontakte, Interaktion und Kommunikation. Arbeit - bezahlte und unbezahlte - ist ein Ort von vielen, an denen einzelne Menschen interagieren, kommunizieren.
Dies umso weniger, desto mehr die Arbeit eine funktionale Bedeutung hat - als Existenz-, Gewinn- und Machtsicherungsinstitution. Dann sprechen wir von funktionaler Interaktion und Kommunikation, letztlich von entfremdeter Arbeit, bei der weder Fähigkeitsentwicklung des Arbeitenden noch Befriedigung menschlicher Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.
Funktionale Arbeit ist das Gegenteil von produktiver, schöpferischer, also menschlicher Arbeit und erzeugt Entfremdung des Menschen vom Menschen. So argumentierte auch Marx, dessen 200. Geburtstag wir dieses Jahr gedenken.
Würde bei einem Grundeinkommen die Gesellschaft zusammenbrechen?
Ronald Blaschke: Das Grundeinkommen ist ein Ausdruck höchster Solidarität, die jedem Menschen die grundlegende Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichert und dies nicht vom Wohlverhalten des Menschen abhängig macht.
Deswegen ist die bedingungslose materielle Absicherung eines jeden Menschen auch Grundlage einer solidarisch-demokratischen Gesellschaft, weil sie ebenfalls politische Teilhabe materiell erpressungsfrei absichert.
Ja, eine Gesellschaft, die sich demokratisch für das Grundeinkommen und nicht monetäre bedingungslose Zugänge zur Existenz- und Teilhabesicherung bekennt, bringt die jetzige Gesellschaft, die auf materieller Nötigung und dadurch systemisch bedingter Verantwortungslosigkeit basiert, zum Einsturz.
Das ist gut so, das ist notwendig, weil das jetzige gesellschaftliche System die natürlichen Grundlagen der Existenz der Menschheit untergräbt und die freie Entwicklung der Fähigkeiten vieler Menschen verhindert.
Was würden Sie machen, wenn Sie ein Grundeinkommen bis zum Lebensende erhalten würden?
Ronald Blaschke: Ein dickes Buch über die "Muße für alle" schreiben, über eine universalisierte Form des höchsten Ideals der Antike. Das Buch wäre der Weg, der zugleich Ziel ist.
Woher stammt die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens?
Ronald Blaschke: 1796 hatte Thomas Spence erstmals die Idee des Grundeinkommens beschrieben, in The Right of Infants. Er entwarf die Utopie eines demokratischen, auf Gemeineigentum von Grund und Boden basierenden Gemeinwesens mit Grundeinkommen, öffentlicher Infrastruktur und politischer Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Was ist eigentlich Arbeit?
Ronald Blaschke: Das ist eine Frage, deren Beantwortung Bände füllen könnte. Definitiv aber ist Arbeit keineswegs identisch mit bezahlter Arbeit, also Erwerbsarbeit. In Deutschland zum Beispiel werden verschiedene Tätigkeitsformen, die gesellschaftlich und individuell nützlich und notwendig sind, diskutiert: Erwerbs-/Lohnarbeit, Sorgearbeit (Haus-/Familien-/Erziehungsarbeit), bürgerschaftliches Engagement, Bildung/Muße. Unbezahlte Tätigkeiten werden in bedeutend größerer Stundenanzahl geleistet als Erwerbsarbeit. Sie sind das Fundament der Gesellschaft und individuellen Entwicklung.
Wer bestimmt, wer in einer Gesellschaft von Nutzen ist?
Ronald Blaschke: In Marktgesellschaften Markt- und Profitkalküle, hinter dem Interessenvertreter des Marktes und Kapitals stehen, in politisch-totalitären Gesellschaften die autoritär Herrschenden. In demokratischen Gesellschaften, die sich menschenrechtlich definieren, gibt es keine Unterscheidung zwischen nützlichen und unnützlichen Menschen.
Der Mensch hat Würde und Wert an sich. Erich Fromm bemerkte zum Beispiel mit Bezug zum Grundeinkommen: "Das garantierte Einkommen würde nicht nur aus dem Schlagwort 'Freiheit' eine Realität machen, es würde auch ein tief in der religiösen und humanistischen Tradition des Westens verwurzeltes Prinzip bestätigen, daß der Mensch unter allen Umständen das Recht hat zu leben. Dieses Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. ist ein dem Menschen angeborenes Recht, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf, nicht einmal im Hinblick darauf, ob der Betreffende für die Gesellschaft 'von Nutzen ist'."
Fromm nimmt das bedingungslose Existenz- und Teilhaberecht aus der Schusslinie jeglicher utilitaristischer Erwägungen.

Eine Nötigung zur Zwangsarbeit?

Ist das italienische Modell nicht eine Art Nötigung zur Zwangsarbeit? Und wäre es nicht damit sogar, wie möglicherweise Harz IV auch, "völkerrechtswidrig"?
Ronald Blaschke: Jegliche Form von Zwangsarbeit ist völkerrechtwidrig, auch die, die mittels der Existenznotpeitsche Menschen zu Wohlverhalten prügelt. Die Definition von Zwangsarbeit der International Labor Organisation im Übereinkommen zum Verbot von Zwangsarbeit von 1930 lautet: "Als 'Zwangs- oder Pflichtarbeit' im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat."
Max Kern, der ehemalige Leiter der Sektion Zwangsarbeit der ILO, erstellte für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) in Deutschland. Diese Grundsicherung droht Menschen Leistungskürzungen bzw. den Totalentzug der sozialen Leistung an, wenn sie keine angebotene Erwerbsarbeit oder andere Tätigkeiten annehmen.
Die Kernaussage der Studie ist: Soziale Transfersysteme, die soziale Leistungen unter den Vorbehalt einer Arbeitsverpflichtung stellen, bei Arbeitsverweigerung Kürzungen bis zum Totalentzug der Leistungen androhen, stehen dem völkerrechtlich anerkannten Verbot von Zwangsarbeit entgegen: denn die mögliche Leistungskürzungen bzw. der mögliche Totalentzug der sozialen Leistungen sind eine "Androhung von Strafe".
Italien als Mitglied der ILO ist an das Verbot von Zwangsarbeit gebunden. Das heißt, die folgende Bestimmung im Regierungsvertrag der Fünf-Sterne-Bewegung und Liga Nord ist völkerrechtswidrig: "Zur Vereinfachung einer Wiedereingliederung des Bürgers in die Arbeitswelt und als Bedingung für die Auszahlung des (Mindest-)Einkommens für Bürgerinnen und Bürger wird ein aktives Engagement des Begünstigten gefordert, der Stellenangebote vonseiten der Arbeitsämter wahrnehmen muss (maximal drei Angebote über einen Zeitraum von zwei Jahren), das Recht auf Unterstützung allerdings verwirkt, sollte er sich weigern, die angeforderte Arbeitstätigkeit durchzuführen."
Welche Sozialleistungen würde das Grundeinkommen ersetzen?
Ronald Blaschke: Dazu gibt es in der internationalen, auch in der deutschen Grundeinkommensbewegung keine einheitliche Auffassung: Grundkonsens in Deutschland ist, dass die verschiedenen bedürftigkeitsgeprüften Grundsicherungen und das Kindergeld, auch das BAföG (Ausbildungsförderungsgeld) durch das Grundeinkommen obsolet werden.
Gibt es rechte und linke Grundeinkommensmodelle? Wie unterscheiden sie sich?
Ronald Blaschke: Schon in der Geschichte der Idee des Grundeinkommens kann man zwei grundlegende Strömungen bezüglich der politischen Absicht, die mit dem Grundeinkommen verfolgt wird, beobachten: Exemplarisch kann man das anhand der Vorstellung des Monetaristen Milton Friedman und des sozialistischen Humanisten Erich Fromm verdeutlichen. Friedman propagierte ein partielles Grundeinkommen.
Das ist ein Grundeinkommen, das nicht die Existenz und Teilhabe sichert, also nicht den autonomiestiftenden Charakter hat. Darüber hinaus sollten fast alle anderen sozialen Leistungen und Sozialpolitiken gestrichen werden, ebenso Mindest- und Tariflöhne. Ihm ging es letztlich um einen sogenannten freien Markt, auf der jeder, der nicht über Vermögen und Kapital verfügt, seine Arbeitskraft verkaufen muss, um die Existenz und Teilhabe zu sichern.
Seine Form des Grundeinkommens sollte zudem Niedrigstlöhne staatlich subventionieren. Erich Fromm ging es um eine Befreiung menschlicher Produktivität und Fähigkeiten aus dem Zwangskorsett der Lohnarbeit und um eine humanistische, demokratische Gesellschaft.
Das Grundeinkommen ist dabei ein Mittel auf dem Weg in diese Gesellschaft, das mit weiteren emanzipatorischen Veränderungen verbunden ist. Neoliberale und emanzipatorische Grundeinkommenskonzepte unterscheiden sich wesentlich in Höhe und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, letztlich aber in der politischen Absicht.
Warum ist das Grundeinkommen kein Geldprinzip?
Ronald Blaschke: Weil das Prinzip die bedingungslose Sicherung der Existenz und Ermöglichung der gesellschaftlichen Teilhabe ist. Wenn die Mittel dazu über Geld erworben werden müssen, ist ein Grund"einkommen" nötig. Wenn die Mittel dazu ohne Geld erworben werden können bzw. nutzbar sind, braucht es kein Geld für die Individuen dazu.
In Deutschland wird derzeit ein für alle gebührenfreier öffentlicher Nahverkehr diskutiert, freier WLan-Zugang flächendeckend, gebührenfreie Zugänge zu Kultur und Bildung etc. Sowohl in der kommunistischen als auch in der anarchokommunistischen Tradition stehen Ansätze, die auf eine grundlegende Überwindung des Geldes und grundsätzlich bedingungslose Zugänge zu Mitteln der Existenz- und Teilhabesicherung setzen.
Im Kern ist das Grundeinkommensprinzip ein solidarisches Reziprozitätsprinzip - die Menschen anerkennen sich wechselseitig als voneinander abhängige und zugleich autonome Wesen, denen unter keinen Umständen das Recht auf Existenz und Teilhabe entzogen werden darf.
Ist das italienische Modell der "reddito di cittadinanza" eine sinnvolle Maßnahme zur Armutsbekämpfung?
Ronald Blaschke: Das sogenannte Bürgereinkommen im italienischen Regierungsvertrag zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord steht in der Tradition der Armenfürsorge - es stigmatisiert, weil es bedürftigkeitsgeprüft ist, es ist repressiv, weil es Zwangsarbeit impliziert, es grenzt Nichtstaatsbürger aus.
Es schafft nicht Armut ab, weil es zu niedrig ist. Es kann gegenüber der bisherigen Situation eine Verbesserung für betroffene Menschen bedeuten. Um dies zu beurteilen, müsste das italienische Sozialleistungssystem unter die Lupe genommen und die konkrete Umsetzung des sogenannten Bürgereinkommens betrachtet werden. Mit einem Grundeinkommen hat es definitiv nichts zu tun, sondern es verbleibt in der Logik der repressiven Armenfürsorge.