Bulldogge mit Stahlhelm und Jesus

Üblicherweise wurden "Sklaven" noch als Lebende gesichtstätowiert und dann für den europäischen Markt getötet und ihre Köpfe mumifiziert. Heute versucht man diese "Ahnen" wieder aus den Museen der Welt zurückzuholen, um sie ehrenvoll zu bestatten.

Neuseeland hat ein Problem mit Maori-Gangs und Massenvergewaltigungen

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Der Weg zu Gott ist in der englischsprachigen Welt besonders kurz und steht jedem armen Hund offen. Er muss sich nur umdrehen, und schon ist der DOG bei GOD angekommen. Etwas weniger geradlinig führt der Weg von der Bulldogge zum Stahlhelm.

Die Englische Bulldogge ist, wie uns Wikipedia informiert tatsächlich als aggressiver Bullenbeißer gezüchtet worden:

Ihr Metier war der Kampf gegen Bullen (Bullbaiting). Bei der Zucht wurde damals im Charakter des Hundes auf "Mut" und Aggressivität, äußerlich auf eine kurze Schnauze, breite Kiefer und eine zurückgenommene Nase Wert gelegt. Die zurückliegende Nase hatte den Zweck, dass der Hund sich in die Nase des Bullen verbeißen konnte und dabei weiter gut Luft bekam.

Wozu das alles gut sein sollte (außer eben zur Tierquälerei) ist nicht einsichtig, selbst wenn wir erfahren, dass der solcherart gehetzte Bulle nachher vom Metzger geschlachtet wurde. Die Tierquälerei manifestiert sich übrigens nicht minder beim Hund.

Zahlreichen Berichten zufolge soll es unter diesen ersten Bulldogs auch Hunde gegeben haben, die selbst mit gebrochenen Läufen oder von den Hörnern aufgerissenen Bäuchen den Stier wieder angriffen. Nur der Hund, der "game" (entschlossen, furchtlos) genug war bis zum Tode zu kämpfen, galt als echter Bulldog.

Während des Zweiten Weltkriegs verband sich dann die nationale Entschlossenheit, den Nazis Paroli zu bieten, mit den Gesichtszügen des damaligen britischen Premiers, Churchill, der selber einer Bulldogge glich, zum Bild der Bulldogge als symbolischem Ausdruck britischer Kampfkraft. Im fernen Neuseeland kam es schließlich, etliche Jahrzehnte verspätet, zu einer merkwürdigen Kreuzung.

Das Rudel der Straßenhunde

Ein "Mongrel Dog" ist hier üblicherweise eine Promenaden-Mischung, ein Hunde-Bastard, dessen mögliche Väter nicht näher bekannt sind. Mongrel Mob ist der Name einer in Neuseeland verbreiteten, überregionalen, quasi in der Art eines Stammes aus vorkolonialen Zeiten organisierten, meist gewaltbereiten und über weite Strecken kriminellen Vereinigung oder Gang.

Ihr Firmenzeichen oder (je nachdem wie man es nennen möchte) Totem-Tier ist eine bissig die Zähne fletschende Bulldogge, die auf dem Kopf einen deutschen Stahlhelm aus Nazi-Zeiten trägt.

Dieser (bereits an seiner charakteristischen Form leicht erkennbare) Stahlhelm ist oft noch zusätzlich mit dem Hakenkreuz verziert - nur für den Fall, dass irgendjemand das Ding irrtümlicherweise mit einem Motorradhelm verwechseln sollte. Die provokante und provozierende Absicht ist also deutlich genug. Trotzdem hat der Stahlhelm - "eigentlich" - so muss man das wohl sagen - "nichts" zu bedeuten. Er ist in erster Linie als gestreckter Mittelfinger gedacht, als Geste, mit der man die Bürger schreckt. Diese Bürger bestehen großteils aus der immer noch überwiegend weißen Bevölkerung Neuseelands, die sich (trotz zahlreicher öffentlicher Lippenbekenntnisse zur Bikulturalität) doch weitgehend in der Queen&Empire-verpflichteten Nachfolge ihrer kolonistischen Vorfahren sieht. Vor allem dort, wo es darum geht, bei jedem britischen und / oder amerikanischen Kriegsgeschehen mitzumischen. Im Zweiten Weltkrieg verlor Neuseeland an der Gesamtbevölkerung gemessen mehr Soldaten als die Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg unter Stalin. Und die Schlacht bei Gallipoli, bei der im Ersten Weltkrieg mehrere Tausend australische und neuseeländische Soldaten (buchstäblich "sinnlos") verheizt wurden, bleibt für das Selbstverständnis dieser beiden Länder bis heute identitätsstiftend.

Auch John Key, der gegenwärtige Premier Neuseelands, freut sich, wenn er mit seinem britischen Gegenüber "die Lösung des Afghanistanproblems" diskutieren darf. Schließlich kämpfen auch diesmal wieder neuseeländische Soldaten an einem Kriegsschauplatz weit der Heimat für fremde Interessen. Freilich: Die Maori Neuseelands konnten sich (ähnlich den schwarzen Kriegsteilnehmern der USA) für ihren Heldentod eher weniger kaufen. Maori-Soldaten wurden in Italien mit der gleichen Nachlässigkeit in den gegnerischen Kugelhagel geschickt, wie ihre amerikanischen Kollegen - im Film etwa in Das Wunder von St. Anna. Respekt erwarben die Jungs vom (damals rassisch / apartheidmäßig getrennten) "Maori Battalion" dagegen in Nordafrika, als sie dem "Wüstenfuchs" Rommel im heißen Sand eine "Haka" darboten - einen traditionellen Kriegstanz, mit dem Maori-Krieger in der Vergangenheit ihre Gegner einzuschüchtern versuchten. Hier ein modernes Beispiel.

Ein quasi beweiskräftiges Foto dazu findet sich auf dem diesbezüglichen Wikipedia-Eintrag - was freilich an dem eher mythischen (wenn nicht gar fiktiven) Charakter der Erzählung wenig ändert. Dazu passend dann das Zitat:

Give me the Maori Battalion and I will conquer the world.

Erwin Rommel

Als Folge dieser realen oder erträumten Begegnung wird der heutige deutsche Tourist in Neuseeland im Gespräch mit Maori immer wieder mal mit anerkennenden Worten für die Kämpferqualitäten der Deutschen bedacht, die doch jenen der Maori so ähnlich seien. Umsonst versucht der deutsche Tourist dann seinen Gegenübers klarzumachen, dass Rommel nichts weiter als ein (Edel-)Nazi war und dass gerade sie selber als Maori zu den ersten Opfern der Nazis gezählt hätten, wenn sie diesem rassistischen Mörderpack im Ernst begegnet wären. Egal. In der insular abgeschotteten Welt der Maori zählt der Stahlhelm nicht unbedingt als Symbol des grauenhaftesten Kriegs der Weltgeschichte. Er wird zum Symbol eines "Großen Kriegertums". Und, zumindest in der Vorstellungswelt der Mongrels, zum Ausdruck einer (vielleicht rudimentär anti-kolonial angedachten) Selbstbehauptung.

Denn gewiss - die meisten Mitglieder des Mongrel Clans sind Maori. Doch könnten sie sich ebenso gut auch selber mit dem entsprechenden Synonym als "Bastarde" bezeichnen. In dem Wort ist die rassische Durchmischung angedeutet, die aus den Mongrels eine Gruppe ohne eigenen Stammbaum, ohne Stammeszugehörigkeit, eine väterlose Urhorde macht; es ist ein Wort, in dem die (Selbst-)Zerfleischung und (Selbst-)Erniedrigung bereits mit enthalten ist, die sie an den wichtigsten Berührungsstellen mit der realen Gesellschaft erfahren - im Kontakt mit Polizei, Gericht, Gefängnis.

Selbstverletzer

Fast jeder Mobster ist zugleich ein Selbstverletzer, wobei die schweren Tätowierungen nicht als selbstschädigendes Verhalten erkannt werden, da sie oft mythisch überlagert sind. Kurzer Exkurs: Tätowierungen zählten einst zum rituellen Körperschmuck aller Polynesier. In einer gefährlichen Lebenswelt diente das Tattoo nicht zuletzt zur leichteren Identifizierung der Toten, wenn sie beispielsweise von Fischen zerbissen an Land geschwemmt wurden, oder verstümmelt auf dem Schlachtfeld liegen blieben. Gesichtstätowierungen waren rar, meistens blieben sie den Häuptlingen vorbehalten. Als die britischen Kolonialherren und internationale Museumsdirektoren im 19. Jahrhundert Geschmack an mumifizierten oder geschrumpften Köpfen mit kompletten Gesichts-Tatts fanden, wurden diese im großen Stil "industriell" gefertigt.

Mittlerweile ist es Mode geworden, sich den Kopf ganz oder teilweise zu tätowieren, sogar der Boxer Mike Tyson ließ sich das Gesicht mit einem von Maori-Motiven beeinflussten Augengeweih verzieren. (Was prompt zu internationalen Copyright-Klagen führte. Aber "Stammeskunst" kann eben jeder klauen.) In Neuseeland begegnet man heute Menschen, deren Gesicht und / oder Schädel als Ausdruck der Verbundenheit mit der Maori-Kultur mit traditionellen Tribal-Mustern tätowiert ist. Manchmal wird der Kopf aber auch lediglich in freier künstlerischer Form mit farbigen Mustern und Piercings dekoriert. Dies ist ein neo-stammestümlicher Trend, der sich ähnlich auch international etabliert hat. Vor 30 Jahren betrachtete man Tätowierungen noch als Domäne von Matrosen und Knastis. Tatsächlich sind die meisten Tatts an den Körpern der Mongrels immer noch die Klubabzeichen der Gefängnisse, in denen sie einsaßen, Knast-Tränen ("Lerne leiden, ohne zu weinen") oder Namen verstorbener Kumpels.

Obwohl es heute in Neuseeland einen Maori-Fernsehsender gibt (tatsächlich ist "Maori TV" wahrscheinlich der einzige wirklich sehenswerte Kanal des Landes), ändert das wenig an dem Fakt, dass Maori-Kultur über Jahrzehnte hinweg recht stiefmütterlich behandelt wurde. Ethno-Musikologen des weißen Establishments zog es nach Bali, um dort das Gamelan-Spiel zu erlernen. Andere verfolgten den Weg christlicher Hymnen aus England bis in die Blaskapellen neuseeländischer Provinzkaffs. Oder sie versuchten, ein akademisches Publikum für die Reize der (nur aus Grabungsstätten bekannten) Nasenflöte zu begeistern. Dafür, dass fast alle bekannten Maori-Songs auf "La Paloma" oder irgendwelchen amerikanischen C&W-Songs von Anno Tobak basieren, fehlte ihnen der Draht. Während man historische Hawaii-Musik dutzendweise in jedem Plattenladen findet, sind Schallplatten von Maori-Gesängen an sich schon selten gemacht worden.

Die Aufnahmen, die es gibt oder irgendwann mal gegeben hat, sind allerdings auch nirgends erhältlich - es gibt kein Archiv, keine säuberlich digital restaurierten Sammlungen auf CD. Nicht einmal die hinreißenden Liveaufnahmen des Maori Theatre Trust aus den 60er Jahren sind aufzufinden. Seit den 70er Jahren hat sich die gesamte Maori-Kultur (oder auf alle Fälle die Subkultur, der auch die Mongrels angehören) dem Rasta-Kult verschrieben. Maori-Musik heute ist Reggae, Drum and Bass, bzw. natürlich auch Hip Hop samt der dazugehörigen Gangsta-Unkultur.

Soziologie und Feuchtgebiete

Die Mongrels sind, obwohl an Mitgliedern die zahlreichste, längst nicht die einzige solche Gang im Lande . Trotzdem hat die neuseeländische Soziologie (in deren Domäne das Bandenunwesen an sich fallen müsste) zum Thema eher Dürftiges beizutragen. Auch diese Übersicht ist nur ein Diskussionspapier für die Gefängnis-Chefs.

Was hier geboten wird, ist, üblicherweise, ein Wiederkäuen amerikanischer Literatur aus dem Jahre Schnee [wobei ich bezweifle, dass irgendjemand in Neuseeland wirklich jemals Frederic Thrashers The Gang: A Study of 1313 Gangs in Chicago, 1928, gesehen, geschweige denn gelesen hat, da schon der Titel komplett falsch zitiert wird und ein paar Zitate aus anonymen (d.h., in Zeit und Raum unlokalisierbaren, wenn nicht sogar erfundenen!) Interviews, die dann unreflektiert als "Appetithäppchen" angeboten werden. Wie hier zum Beispiel die Aussage eines nicht weiter präzisierten, aber vermutlich im Teenager-Alter angesiedelten "Denny":

Wir gehen auch nicht immerzu mit den gleichen Mädchen, weil wir wollen ja nicht alle unsere Bazillen weiter reichen. Verstehen Sie, an die anderen Jungs. Boah, das ist auch ein Grund, warum wir nicht mehr dem guten alten Rudelbumsen frönen. Oh Mann, das ist echt was zum Kotzen. Die waschen sich noch nicht mal, nachdem der andere schon drin war.

Denny

Die Jesus-Kur

Berichte aus dem Innern der Gang-Bewegung sind bisher nicht eben häufig gewesen. Was einerseits überrascht, da es allein die Mongrels nun schon seit fast 50 Jahren gibt. Und es sind Abertausende von Menschen insgesamt in Neuseeland in der einen oder anderen Weise schon von diesen Gangs tangiert worden. Andererseits ist es auch wieder nicht gar so überraschend, wenn man bedenkt, dass es eben gerade die benachteiligtesten Mitglieder der Gesellschaft sind, die in solchen Auffangbecken - und von dort aus regelmäßig auch im Knast - landen. Da kann man keine große und wohl auch kaum eine mittelgroße Literatur erwarten. Immerhin, der Weg vom "Dog" zu "God" ist ein kurzer, und die "Heilung durch den Heiland" ist dabei keineswegs nur ein journalistischer Kalauer. Sie gehört zur althergebrachten biblischen Staffage, bekannt etwa aus der Geschichte vom Saulus, der durch die Begegnung mit Jesus zum Paulus verwandelt wurde. Und auch ein Mongrel kann sich der Jesus-Kur ("The Jesus Cure") unterziehen, die eben, wie es heißt, alles, von Alkoholismus bis Lepra, von Autismus bis Krebs, "kurieren" kann. Und das Ergebnis ist, wohl nicht zwangsläufig, aber überraschenderweise doch, einmal, und erstmals, wenn auch mithilfe eines "Schreibgehilfen" oder Ghostwriters verfertigt, ein Buch, das den Schritt vom Saulus zum Paulus nachzeichnet. Genauer gesagt bleibt gerade dieser Schritt das Unspezifischste an der Geschichte; mir wurde bei der Lektüre nicht klar, wo und wann genau Jesus die Szene betrat, und woran sich erkennen ließ, dass es Jesus und nicht irgendein unheiliger Gottseibeiuns war, der hier sein Werk tat. Auch bei den gelegentlichen Interviews bleibt dieses konkrete Element irgendwie undefiniert, ausgespart.

Aber der relevante Aspekt ist der, dass es eine solche Konversion gab und dass der Autor aus seinem Banden-Umfeld aussteigen und zum "Paulus" mutieren konnte. Und wenig überraschend ist auch fast die gesamte zweite Hälfte des Buches dem Proselytieren (also seinen Bekehrungs- oder Abwerbungsaktionen) gewidmet. Das war schon beim Original-Paulus so. Auch die erste Hälfte des Buches leidet an der Unfähigkeit des Autors (oder mehr noch seinem Unwillen) konkrete Fakten, Daten, Namen, und Orte zu nennen, bzw. an der rechthaberischen Begleichung alter Rechnungen, an die sich, außer vielleicht einige seiner Ex-Kumpels, keiner mehr erinnert. Das Buch "TRUERED (ECHTROT) (der Titel ist in einem Wort, aber zweifarbig, zusammen geschrieben) - The Life of an ex-Mongrel Mob Gang Leader" von Tuhoe "Bruno" Isaac (unter Mithilfe von Bradford Haami) ist, recht aufwendig gedruckt sowie mit ISBN Nummer (978-0-473-12843-2) versehen, im Eigenverlag erschienen, vermutlich mit Unterstützung einer (ungenannten) religiösen Gruppe aus Amerika, da sich das Buch im Tonfall immer wieder mal gern an eine ausländische Leserschaft zu wenden scheint. Der Autor, bürgerlich Patrick Isaac, was, zusätzlich zur keltischen Rot-Tönung seiner Haare, auf einen irisch-jüdischen Anteil in seinem Stammbaum zu verweisen scheint, hat sich als Autor ganz auf seine Maori-Zugehörigkeit zum Tuhoe-Stamm und auf seinen Mob-Spitznamen, ‚Bruno’, konzentriert, um seine Glaubwürdigkeit bei diesem Teil seiner Leserschaft zu maximieren.

Eine Unkultur des Schmutzes, bei der vermutlich selbst Charlotte Roche die Haare zu Berge stehen würden

Die vielleicht relevantesten Seiten des Buches sind jene, in denen das Hauptproblem - nicht nur der Mongrels, sondern des gesamten Banden-Unwesens in Neuseeland - quasi nebenher, als Nebensache, erwähnt wird. Das ist zum einen die sexuelle Gewalt, der jedes spätere Mob-Mitglied schon als Kind ganz regulär ausgesetzt war. Vor allem auch die sexuelle Misshandlung und Vergewaltigung durch Erwachsene oder in etwa Gleichaltrige.

Und obwohl der nun schon in Ehren ergraute Ex-Mobster sich mir als liebenswürdiger älterer Herr mit Lebensgefährtin und Motorrad vor die Kamera stellte, wohl auch als Verkäufer seines eigenen Buches, aber mit der Hand-Geste für "Aroha" ("Liebe") deutlich im Vordergrund - so scheint ihm doch, bei der Schilderung des "Blocking" früherer Tage, die Zunge noch mal geschmäcklerisch über die Lippen zu fahren.

Mob-Opa Tuhoe "Bruno" Isaac mit Motorrad und Lebensgefährtin beim Verkauf seines Buches auf einem Gemüsemarkt in Wellington. Auch Jesus ist, als unsichtbarer Dritter, mit von der Partie. Bild: Tom Appleton

Mit "Blocking" bezeichnen die Mongrels ihre Praxis, als Gruppe, einer nach dem anderen, eine junge Frau zu vergewaltigen. Der Autor versichert seinen Lesern, dass es nie einen Mangel an willigen Frauen gegeben habe, manche erst 14 Jahre alt, die sich den Mongrels anschlossen - und die eben wussten, was sie dort erwartete.

Der Gedanke, dass diese Mädchen und Frauen spiegelbildlich schon als Kinder die gleichen Gewalt- und Missbraucherfahrungen gemacht hatten wie die männlichen Bandenmitglieder, scheint ihm dabei nicht gekommen zu sein.

Als besonderes Merkmal ihrer eigenen "Hündigkeit" - ihrer im (Marken-)Zeichen des "Bulldog" vollführten Selbst- und Fremd-Erniedrigung - pflegten die Mongrels dabei eine eigene Unkultur des Schmutzes, bei der vermutlich selbst Charlotte Roche die Haare zu Berge stehen würden. Jedenfalls hat sich bislang noch keine neuseeländische Autorin gefunden, die ihre Zeit bei den Mongrels literarisch hochleben ließ.

Bild: Tom Appleton

Zur eigenen Schmutzigkeit gehörten die "Reggies" - ein Ausdruck, der sich von der "regulär" ausgegebenen Gefängniskleidung herleitet - in diesem Fall doppelt übereinandergenähte Jeans, die dann, in der Art von "krachledernen" Lederhosen nie wieder gewaschen werden. Da die eigene Körperhygiene ebenfalls vernachlässigt wurde, galt es als unabdingbar, dass auch beim "Blocking" die Hosen angelassen wurden, und Blut- und Sperma-Spuren nicht entfernt, sondern als Trophäen an der Kleidung belassen wurden. Auch das Sperma des jeweiligen Vorgängers wegzuwischen galt als uncool. Und falls die solcherart Geblockte irgendwann einmal Zeichen von Unwilligkeit äußerte, galt es als normal, beim Geschlechtsakt auf sie einzuschlagen.

Vaterschaft im Kollektiv

Ab und an fand ein solches Vergewaltigungsopfer trotzdem den Weg zur Polizei, und da die Mongrels ihr Treiben auch gerne fotografisch festhielten, war die Identifizierung der Täter nachher relativ einfach. Der Autor "Bruno", der auch einige Male wegen Vergewaltigung einsaß - jeweils immer wieder "zu Unrecht", wie er seinen Lesern versichert - lässt dabei zwei Aspekte unerwähnt. Einerseits das Thema Geschlechtskrankheit, andererseits natürlich die Schwangerschaften, die sich die Frauen dabei zuzogen.

Nun hat die Vaterschaft im Kollektiv in der Maori-Kultur - auch außerhalb des Banden-Milieus - eine lange Tradition und sie besteht heute noch in abgewandelter Form in der übrigen Gesellschaft weiter. Mütter, die fünf Kinder von ebenso vielen verschiedenen Vätern haben, und Väter, die ihrerseits ungezählte Kinder bei verschiedenen Frauen gezeugt haben, sind eher die Norm als eine Seltenheit. Hier kommt ein polynesisches Verhaltensmuster zum Tragen, bei dem eine kleine, dem Untergang geweihte Gruppe, die sich in einem evolutionären Flaschenhals befindet, versucht, durch möglichst breite Streuung ihrer DNS, ihr Überleben zu sichern. Das ist pazifisch-polynesische Tradition. Die sexuell promisken Hawaii-Mädchen, die sich einst den weißen Matrosen an den Hals warfen, handelten aus den gleichen Motiven. Eine matrilinear organisierte Gesellschaft macht die Vaterschaft zur wichtigen - aber gewissermaßen beliebigen - Nebensache. (Pech nur, dass die europäischen Lover so viele tödliche Geschlechtskrankheiten einschleppten ...)

Auch die Maori-Gesellschaft ist in dieser Hinsicht eindeutig anders strukturiert als die patrilinear/individualistisch organisierte weiße/europäischstämmige Gesellschaft, die das dominante Element in Neuseeland darstellt. Sie ist, wie die Gesellschaft, aus der die Maori einst kamen, kollektivistisch orientiert. Das "Wir" wird als Anti-Depressivum und dito als Barriere gegen Eindringlinge von außen empfunden - der demonstrativ zur Schau getragene gemeinsame Schmutz sollte also wohl zugleich als Schutz gegen Infektionen dienen. Dann aber kam Aids - und "Bruno" suchte Hilfe bei Jesus.

Mob oder Mafia

In Europa dienen Banden eindeutig einem anderen Zweck. Sie sind nicht eine frei marodierende Kriegerkaste (wie bei den Maori) und keine Killer/Sperma-Riege (wie die Bachelor-Horden bei den Schimpansen). In Österreich gibt es charakteristischerweise das Gesetz gegen Bandenbildung - vulgo Mafiaparagraf genannt. Niemand würde auf die Idee kommen, man könne die Mafia kaltstellen, indem man sich an Jesus wendet. In Sizilien ist die katholische Kirche allgegenwärtig, trotzdem gibt es die Mafia noch immer. "Bruno" Isaac mahnt an, dass weder die Polizei von früher, noch die bewaffnete Polizei von heute (die, nach amerikanischem Vorbild, einen recht lockeren Abzugsfinger einsetzt), noch die drakonischen Strafen bei Gericht, noch die mittlerweile zusehends privatisierten und profitorientierten Knäste dem Problem Herr geworden sind.

Zufällig ist die Mafia aus Italien exportiert worden und führt in Amerika, wie seit dem Film Der Pate mit Marlon Brando jeder weiß, ein virulentes Eigenleben. Zufällig wird die Mafia in Amerika "The Mob" genannt, ihre Mitglieder sind die "Mobsters". In Neuseeland bedeutet das Wort "Mob" einfach nur "Rudel, aufmüpfige Schar" - trotzdem gibt es natürlich viele Parallelen zwischen den Banden in Neuseeland und den verbrecherischen Clans in Italien, Albanien, Bulgarien und so weiter - von der Blutrache, in der Maori-Sprache "Utu" genannt, bis zur Omerta, der Schweigepflicht, die natürlich auch "Bruno" Isaac daran hindert, ein Plappermäulchen zu werden, wenn er nicht zusätzlich zur Hilfe der himmlischen Heerscharen auch noch ein Papamobil in Anspruch nehmen will.

Darüber hinaus überziehen die Gangs in Neuseeland mittlerweile das ganze Land mit einem Dauerfeuerwerk krimineller Aktivität. Während sich die alt gewordenen Gang-Bosse in einer Art halbseidenem Biedermeier einrichten, befördert die florierende Jugendarbeitslosigkeit und allgegenwärtige Armut den täglichen Einbruch und Diebstahl in Autos, Wohnungen, Geschäften, den gewalttätigen Raub und Überfall auf der Straße und den Drogenkonsum. Die verbreitetste Substanz ist dabei "P" eine lokale Variante des Metamphetamins, das seine Benutzer physisch und psychisch zugrunde richtet. Eine Seuche.

Wie man aus dem nachfolgenden Filmchen ersehen kann, sind die Kids, aus denen sich die Gangs rekrutieren, eher lebhafte Poseure aus einem allabendlich auf den Straßen inszenierten Theaterstück. Ein bisschen Karate, ein paar Rap-Floskeln, ein bisschen Break-Dancing. Ihre Requisiten sind allerdings die realen Autos, in die sie einbrechen, ihre Aufführungen sind die realen Überfälle, die sie ausführen, und für ihre Gesellenstücke landen sie dann gewöhnlich schon im Knast. Mit 20 sind sie Meister-Kriminelle. "Dies sind unsere Terroristen. Sie terrorisieren die Gesellschaft. Wir müssen sie einfach gesetzlich verbieten", wird hier ein Offizieller zitiert. Im Grunde meint er damit wohl eine umfassende Reorganisation des Polizeiapparats in Richtung Polizeistaat. Eine Kriegsmaschinerie fürs Landesinnere.

Der neuseeländische Staat, der in den letzten 40 Jahren sein gesamtes Tafelsilber verscherbelt hat, steht nun vor dem Scherbenhaufen seines Porzellans. Eine Gesellschaft im Niedergang, die kein "Markt" der Welt mehr retten kann. Immerhin. Es wandern zunehmend mehr neue Festlandschinesen nach Neuseeland ein. Es dürfte sich also nur um eine Frage der Zeit handeln, bis es (zumindest in Auckland) auch chinesische Straßengangs gibt. Dann wird vermutlich dem Ruf nach dem Polizeistaat auch die Action folgen. Statt "gesetzlich verbieten" wird man dann "ausmerzen" sagen.

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