Bundespräsidentenwahl Österreich: Stichwahl FPÖ-Kandidat gegen Grünen

Freiheitlicher Hofer deutlich vorn - Bewerber der Sozial- und Christdemokraten landen zusammen nur bei gut 20 Prozent

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Während des Kalten Krieges waren die meisten Parlamente Westeuropas durch ein bipolares Parteiensystem gekennzeichnet, das sich jahrzehntelang relativ wenig veränderte. Als in den 1990er Jahren die Ära der Alternativlosigkeit anbrach und politische Macht an wirtschaftliche Akteure und interstaatliche Bürokratien überging, wurden sich die konservativen und sozialdemokratischen Parteien, die im Kalten Krieg als Gegensätze agiert hatten, immer ähnlicher - und verloren Wähler.

Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich hat sich gestern ein weiteres Mal gezeigt, dass diese christ- und sozialdemokratischen Volksparteien, die die Politik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie ein Duopol beherrschten, ihre besten Tage hinter sich haben könnten. Ihre beiden Kandidaten kamen nämlich zusammengerechnet nur auf gut 20 Prozent und landeten damit weit entfernt von jener absoluten Mehrheit, mit der sie derzeit noch die Regierung in Österreich stellen.

Sozialdemokratischer Big-Brother-Negativpreisträger scheitert mit 10,9 Prozent

Der ehemalige Nationalratspräsident und ÖVP-Fraktionsvorsitzende Andreas Khol erreichte für die Christdemokraten lediglich 11,1 Prozent der zu 68,1 Prozent teilnehmenden Wähler. Der 1941 auf Rügen geborene Sohn ausgesiedelter Südtiroler will sich nun in den Ruhestand begeben und seiner Partei nach eigenen Worten nicht als nörgelnder "Balkon-Muppet" zur Last fallen. Der Sozialdemokrat und Gewerkschaftsfunktionär Rudolf Hundstorfer, der im letzten Jahr für seine datenschutzfeindliche Politik als Arbeits- und Sozialminister den Negativpreis Big Brother Award verliehen bekam, landete mit 10.9 Prozent noch hinter Khol.

An diesem Ergebnis kann sich zwar noch etwas ändern, wenn am Montag die Briefwahlstimmen ausgezählt werden - aber nicht mehr sehr viel.

Wahlgewinner fordert Ausweitung der Anti-NS-Gesetze auf IS

Auf Platz Eins kam mit 35,4 Prozent der Stimmen und deutlichem Abstand vor allen anderen Bewerbern Norbert Hofer, den die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aufgestellt hatte, die auf europäischer Ebene mit Marine Le Pens Front National und der italienischen Lega Nord zusammenarbeitet. Hofer hatte für Volksabstimmungen geworben und gefordert, dass die Gesetze gegen den Nationalsozialismus auf die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) ausgeweitet werden.

Der FPÖ-Kandidat erreichte damit fast überall in Österreich eine relative Stimmenmehrheit - außer in Wien. Seine 35,4 Prozent sind das mit großem Abstand beste Wahlergebnis das die FPÖ jemals auf Bundesebene erzielte - das zweitbeste erreichte sie mit 27,53 Prozent bei den Europawahlen vor 20 Jahren, damals noch mit Jörg Haider.

In Wien siegte gestern der Grüne Alexander van der Bellen mit 33 Prozent und sammelte dort die Stimmen ein, die dafür sorgten, dass er in die Stichwahl kam. Hofer wurde in der österreichischen Bundeshauptstadt mit 27,8 Prozent Zweiter. Und obwohl in Wien die Sozialdemokraten regieren, kam auch hier Hundstorfer nur auf 11,9 Prozent.

Promi-Bauunternehmer "Mörtel"-Lugner mit "Kasperl"-Image gescheitert

Bundesweit erreichte von der Bellen mit voraussichtlich 21,3 Prozent nur knapp mehr als die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss, die auf 19 Prozent kam. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission hatte der Regierung schwere Versäumnisse in der Migrationspolitik vorgeworfen. Sie wollte bislang keine Wahlempfehlung abgeben und überlegt, eine neue "Bewegung" aufzubauen.

Der ebenfalls zur Wahl angetretene Bauunternehmer und Reality-Show-Promi Richard "Mörtel" Lugner hatte offenbar gehofft, eine Art österreichischer Donald Trump werden zu können, scheiterte aber mit nur 2,3 Prozent der Stimmen und bedauerte gestern Abend sein "Kasperl"-Image.

Als vierten Verlierer neben SPÖ, ÖVP und Lugner wertete der ORF gestern die Meinungsforscher, die noch kurz vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwischen Hofer, van der Bellen und Griss vorhergesagt hatten.

Hofer will eventuell Regierung entlassen

Nun findet am 22. Mai eine Stichwahl statt, in die Hofer mit einem deutlich besseren Ergebnis geht als van der Bellen. Dass der FPÖ-Kandidat diese Stichwahl gewinnt, ist trotzdem keine ausgemachte Sache: Seine 35,4 Prozent liegen knapp oberhalb der 31 bis 33 Prozent, die für die FPÖ in Parlamentswahlumfragen gemessen werden. Er muss also Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten für sich überzeugen (was ihn am ehesten bei denen von Irmgard Griss gelingen könnte) - oder hoffen, dass diese wenigstens zu Hause bleiben und nicht für van der Bellen stimmen, der öffentlich verlautbarte, dass die Karten jetzt "neu gemischt" würden.

Gewinnt Hofer die Stichwahl, hat er bereits angekündigt, das (in Österreich ebenso wie in Deutschland) weitgehend repräsentative Amt des Bundespräsidenten aktiver auszuüben als seine Vorgänger und eventuell auch eine Regierung zu entlassen, wenn diese "nicht richtig arbeitet" und die großen Probleme nicht angeht. Gewinner solch einer Regierungsauflösung könnten die Freiheitlichen sein, die in den aktuellen Umfragen mit zehn Prozentpunkten Abstand stärkste Partei sind darauf hoffen, die nächste Regierung anzuführen.

Als Koalitionspartner kämen dabei sowohl die ÖVP als auch die SPÖ in Frage. Die ÖVP koalierte mit der FPÖ auf Bundesebene zwischen 2000 und 2005, die SPÖ zwischen 1983 und 1987 (also vor der Ära Haider). Derzeit schließen die Sozialdemokraten eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen auf Bundesebene zwar aus, koalieren aber seit dem letzten Jahr im Burgenland mit ihnen (vgl. Burgenland: Neuauflage der Chianti-Koalition [Update]).