Bundestags- und andere Mandate

Wo Abgeordnete noch etwas dazu verdienen

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Zahlreiche Politiker sind mit ihrem Bundestagsmandat offenbar nicht ganz ausgelastet oder brauchen noch ein Zubrot. Sie sitzen in allen möglichen Aufsichts- und Verwaltungsräten sowie Unternehmens- und Stiftungsvorständen. Ein Streifzug durch das Handbuch des 15. Deutschen Bundestages - natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt freilich auch viele "Nur"-Abgeordnete

Bundestagsabgeordnete bekommen genügend Geld, um ihre Aufgabe als Volksvertreter

unabhängig erfüllen zu können. Dabei ist die freie Mandatsausübung durch entsprechende Schutzklauseln gewährleistet. Kein Abgeordneter darf wegen seiner Mandatsausübung an seinem Arbeitsplatz benachteiligt werden. Im Abgeordnetengesetz heißt es dazu in § 44,2:

Eine Kündigung oder Entlassung wegen der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Eine Kündigung ist im übrigen nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ der Partei oder mit Einreichung des Wahlvorschlags. Es gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort.

Soweit das Gesetz und der Schutz des Abgeordneten vor willkürlichem Rauswurf durch seinen bisherigen Arbeitgeber. Die Praxis zeigt, dass die Abgeordneten ganz andere Sorgen plagen - keiner von ihnen muss um seinen früheren Job fürchten. Im Gegenteil: Viele kommen ganz offensichtlich durch die Mandatsausübung beruflich erst richtig in Fahrt - sie sammeln Aufsichtsratsposten wie andere Briefmarken. Einfacher Arbeiter war vor seinem Bundestagsmandat nur ein einziger Abgeordneter - der Maurer Anton Schaaf. Er sitzt bis heute auch in keinem Aufsichtsrat oder Firmenvorstand.

Der SPD-Abgeordnete Uwe Karl Beckmeyer ist Geschäftsführer seiner Firma UWE BECKMEYER GmbH Projekt-Consulting und Unternehmensberatung, Bremerhaven und Mitglied im Aufsichtsrat der Bremer Lagerhaus Ges. AG, Bremen, sowie im Beitrat der Karl Könecke GmbH & Co KG Fleischwarenfabrik Bremen.

Der Kölner CDU-Abgeordnete Rolf Bietmann sitzt, wenn nicht gerade im Bundestag, dann vielleicht in seiner Anwaltskanzlei bei der GEW RheinEnergie AG, Köln, (Vorsitzender des Aufsichtsrates) oder (u.a.) bei der: Köln Musik Betriebs- und Servicegesellschaft mbH, Köln,(Mitglied des Aufsichtsrates), bei der SKI Standort Köln-Immobilien GmbH & Co. KG, Köln,(Mitglied des Beirates) Provinzial Rheinland Holding Düsseldorf (Mitglied des Verwaltungsrates), im Rheinischer Sparkassen- und Giroverband, Düsseldorf, (Mitglied des Verbandsvorstandes und der Verbandsversammlung) sowie bei der Stadtsparkasse Köln, Köln, (Vorsitzender des Verwaltungsrates und Mitglied in Vorständen der SK-Stiftungen). Gegen Bietmann laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Kurt Bodewig (SPD), Ex-Bundesverkehrsminister, ist bei der Duisport-Duisburger Hafen AG, Duisburg, Vorsitzender des Aufsichtsrates, und bei INEA Solutions GmbH, Hamburg, Vorsitzender des Beirates, außerdem verdient er bei der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin als Senior Adviser noch etwas dazu. Während sie den ausgesonderten SPD-Minister beschäftigt, spendet die KPMG schon mal 12.000 Euro für die CDU. So freuen sich beide Seiten.

Der CDU-MdB und Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert ist ebenfalls nicht nur im Parlament anzutreffen. Außer auf seinem eigenen Hof findet man ihn bei der Dolff Beteiligungs AG, Düsseldorf (Vorsitzender des Aufsichtsrates) sowie bei dem Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster, Münster/Westf. (Vorsitzender des Aufsichtsrates), der LVM-Krankenversicherungs AG,Münster/Westf. (Vorsitzender des Aufsichtsrates), der LVM-Lebensversicherungs AG, Münster/Westf. (Vorsitzender des Aufsichtsrates), dem LVM-Pensionsfond AG, Münster/Westf. (Mitglied des Aufsichtsrates) und der LVM-Rechtsschutzversicherungs AG, Münster/Westf. Mitglied des Aufsichtsrates).

Der CSU-Abgeordnete und ehemalige Bundesminister Wolfgang Bötsch sitzt bei der BI-LOG AG, Aktiengesellschaft für Logistiklösungen, Bamberg, im Aufsichtsrat und ist bei Com & Con AG, Grünwald, Vorsitzender des Aufsichtsrates. Für EUTOP, Gesellschaft für europäisches Marketing, Beratung und Führungsschulung mbH, München, ist Bötsch "gelegentlich" als persönlicher Berater der Geschäftsführung tätig. Bötsch berät außerdem die InfraTec Consult GmbH, Eisingen, sowie die MS Management-Service AG, St. Gallen (Schweiz). Für die SUP-Societät für Unternehmensplanung GmbH, Frankfurt am Main, nimmt Bötsch "Verbindungsaufgaben zwischen SUP und ihren Klienten wahr." Was immer das heißen mag: Vielleicht haben die kein Telefon - und von Telekommunikation versteht der frühere Postminister ja etwas.

Auch Laurenz Meyer (CDU) hat neben seinem Bundestagsmandat und seiner Funktion als Generalsekretär der Christlich Demokratischen Union Deutschlands auch noch andere Aufgaben. So ist er beim Dachdecker Einkauf West eG, Hamm (Mitglied des Aufsichtsrates), bei der Gesellschaft zur Verwertung von Grundbesitz der Erben Christian Nölle mbH, Hamm (Geschäftsführer), und bei der Investitionsbank NRW, Zentralbereich der WestLB, Düsseldorf (Mitglied des Beirates). Sollte Frau Merkel ihn fallen lassen, hat also auch Herr Meyer noch etwas zu tun. Ob er dann allerdings weiterhin billigen Strom und Gas beziehen kann ist unklar. Einer Darstellung der Berliner Zeitung zufolge bekam Meyer bisher beides.

Der ehemalige Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) ist ebenfalls gut beschäftigt und nicht unbedingt auf weitere Diätenerhöhungen angewiesen. Der Unternehmensberater ist u.a. Geschäftsführer der F + T GmbH, Beratung zu Forschung und Technologie, Frankfurt am Main. Er ist Mitglied des Aufsichtsrates: Altana AG, Bad Homburg, EVOTEC OAI AG, Hamburg, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt/Main, Henkel KGaA, Düsseldorf, Kabel Deutschland GmbH, München, Beiratsmitglied der Frankfurter Versicherungs-AG, München, und bei Karstadt Quelle New Media AG, Essen. Verwaltungsrat bei HBM Bio Ventures AG, Baar/Schweiz, Mitglied des Investorenbeirats der Heidelberg Innovation BioScience Venture II GmbH & Co. KG,Heidelberg. Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei: InSynCo AG Management- und IT-Beratung Hamburg, VfW AG Logistik und Rücknahmesysteme, Köln, Aufsichtsratsmitglied bei Vodafone GmbH, Düsseldorf.

Daneben war Riesenhuber gutachterlich, publizistisch oder mit Vortragstätigkeiten für die IHK für München und Oberbayern, München, Public Relations / Public Affairs, Frankfurt am Main, KSB Aktiengesellschaft, Frankenthal, Veranstaltungsforum Verlagsgruppe Holtzbrinck, Berlin, dr. reese - beckmann + partner gbr, Bad Neustadt, Kreissparkasse Aschersleben - Staßfurt, Aschersleben, IHK Cottbus, Cottbus, Ramsauer & Guillot,Mannheim, Bonn, Berlin, (drei Vorträge, im Mai und Juni 2003) Mettenmeier GmbH,Paderborn, ZENTEC GmbH Aschaffenburg,

Christian Freiherr von Stetten (CDU) ist außer mit dem Bundestag, vor allem mit der Verwaltung der -wie auch immer von seiner Familie gesammelten -Besitztümer beschäftigt. Er ist Geschäftsführer der Residenz Dienstleistungsgesellschaft mbH, Stetten Bau GmbH, Hohenloher-Ticket-Netz GmbH, Hohenloher-Ticket-Service GmbH, Künzelsauer Burgfestspiele Schloß Stetten gGmbH, Messe- und Betriebsgesellschaft mbH, Ökologische Energie- und Versorgungs-GmbH, Künzelsau sowie Prokurist, der Dr. v. Stetten Grundstücks KG, Residenz Schloß Stetten GmbH, Künzelsau und Aufsichtsratsvorsitzender der Schloß Stetten Betreuungs AG,Künzelsau,

Der ehemalige Bundesminister Matthias Wissmann (CDU) ist außer in seiner Rechtsanwaltskanzlei auch noch bei der Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe, Mitglied des Beirates und bei Rolls-Royce Plc., London, Mitglied des europäischen Beirates, bei der Seeburger AG, Bretten, Aufsichtsratsmitglied und bei Sirocco Aerospace International, London, ebenfalls Mitglied des Beirates.

Die CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl ist Geschäftsführerin, der DACA Parkhausverwaltungs GmbH, Nürnberg, sowie Mitglied des Aufsichtsrats bei der NÜRNBERGER Lebensversicherung AG, Nürnberg und bei der Tetris Grundbesitz GmbH & Co. KG und Tetris Beteiligungsgesellschaft mbH, Reichenschwand, Mitglied des gemeinsamen Beirates sowie an der DACA Parkhausverwaltungs GmbH, Nürnberg, und der MiDa Parkverwaltungs- und Werbegesellschaft mbH, Nürnberg, beteiligt.

Ein absolutes Paradebeispiel für - natürlich völlig legale - Nebenverdienste eines frei gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages war der inzwischen verstorbene Günter Rexrodt (FDP). Außer dem Aufsichtsratsvorsitz in seinem Unternehmen AGIV Real Estate AG, Hamburg, saß Rexrodt auch bei der AWD Holding AG, Hannover, im Aufsichtsrat. Daneben war er Mitglied des Aufsichtsrates bei der Berliner Effektengesellschaft AG Berlin, DTZ Zadelhoff Holding AG, Frankfurt/Main, Gerling Versicherungs-Beteiligungs AG, Köln, Landau Media AG, Berlin, bei der medführer GmbH, Darmstadt, war er Mitglied des Beirates, bei vc Trust Venture Capital AG, Berlin, Mitglied des Anlagenausschusses, sowie als Nachfolger des von ihm bekämpften Jürgen W. Möllemann (FDP) Präsident der Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie e.V. (GHORFA - Arabisch-Deutsche Handelskammer), Berlin.

Diese Auflistung will nur einen Einblick geben und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Aufgenommen wurde nur, wer mehr als drei Beteiligungen oder Jobs angegeben hat.

Bezahlte Brötchen

Trotz ausreichenden Diäten von mittlerweile 7009 Euro brutto und einer kostenpauschale von 3.551,00 Euro lassen sich manche Abgeordnete auch schon mal im eigenen Haus, dem Reichstag, sogar das Frühstück bezahlen. So geschehen beispielsweise vor der Beratung als über die "Die Neustrukturierung der VEAG und der Laubag in der Vierten Kraft" getagt wurde. Zum Frühstück hatte zwar Reinhardt Schulz eingeladen, bezahlt und geschmiert (gemeint sind die Brötchen) wurde aber von der HEW, Hamburger Electrizitätswerke, heute ein Teil des Vattenfall-Konzerns.

Auf Schulzens Einladung heißt es wörtlich: "Die HEW erlaubt sich, die Kosten des Frühstücks zu übernehmen." Das war 2001 - und heute ist der Abgeordnete Schulz nicht nur Inhaber und Geschäftsführer der Schultz Projekt Consult, Everswinkel, und Mitglied im Aufsichtsrat der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Kreises Warendorf mbH, Ennigerloh, sondern auch im Aufsichtsrat der Vattenfall Europe Mining AG, Senftenberg. Natürlich wäre er das auch ohne das Frühstück geworden, aber nett ist es schon, wenn man seinen eigenen Vertreter im Bundestag hat. Gewählt wurde Schulz aber eigentlich über die SPD-Landesliste NRW - damit er die Interessen seiner Wähler vertritt.