Bundestagsgutachten stützt Kritik an geplanter Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Seite 2: Unbehagen in Regierungsfraktionen, Kritik aus der Opposition

Selbst in den Regierungsfraktionen sorgte dies am Dienstag offenbar für Unbehagen. "Im weiteren Verfahren werden wir noch mal intensiv prüfen, dass neben dem Inzidenzwert weitere Kriterien herangezogen werden", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Auch aus der oppositionellen FDP-Fraktion wurde Kritik laut. "Das Gesetz soll an die nackte Inzidenzzahl als Tatbestand geknüpft sein. Die aber ist unzuverlässig und bildet die Lage vor Ort nicht ausreichend klar ab", sagte deren Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann der Tageszeitung Welt.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verteidigte die geplanten flächendeckenden Ausgangsbeschränkungen gegenüber der Augsburger Allgemeinen hingegen und verwies auf entsprechende Maßnahmen in Portugal, Großbritannien und Frankreich. Dort hätten Ausgangsbeschränkungen "eine wichtige Rolle bei der Eindämmung der Infektionen gespielt".

In seinem Gutachten hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags unter anderem auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen. Dort hatten die Richter im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, die Überschreitung des Schwellenwerts auf der jeweiligen Kreisebene als alleiniges Kriterium für die Verhängung eines Beherbergungsverbots heranzuziehen. Dafür sei eine weitere behördliche Begründung notwendig.

In einer anderen Entscheidung kritisierte dasselbe Gericht, dass dem In- bzw. Außerkrafttreten bestimmter Maßnahmen "keine erneute konkrete Gefährdungsbeurteilung des Verordnungsgebers zugrunde liege, sondern nur eine abstrakte Gefährdungsbeurteilung", schreiben die Bundestagsjuristen. Zudem seien Herleitung oder Begründung der Grenzwerte nicht nachvollziehbar.

Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte neben dem Inzidenzwert die "Einbeziehung aller anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände" gefordert. Die Lüneburger Richter hatten zugleich die Validität der Inzidenzwerte hinterfragt. Eine in Bund-Länder-Verhandlungen festgelegte "politische Zahl" sei rechtlich wohl nicht haltbar.

"Nur eine Anknüpfung an tatsächliche Gegebenheiten sei geeignet, die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie hervorgerufenen erheblichen Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen", gibt der Wissenschaftliche Dienst den Beschluss wieder.

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