Bundeswehr sucht den Superstar

Abklatsch vom Abklatsch: "Star Search" zwischen Schülerbands und Jugendfanfaren-Korps

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Die Zukunft Deutschlands mag zwar mit einer modernen Truppe am Hindukusch verteidigt werden, angeworben indes wird sie noch daheim. Im beschaulichen Dillingen findet Mitte September ein den TV-Formaten nacheifernder "nationaler Musikwettbewerb" namens Bw-Musix '03 statt. Laut Presseinfo "können" - gemeint ist sollen - "die Jugendlichen (dort auch) erste Eindrücke von den Karrierechancen und Perspektiven bei der Bundeswehr gewinnen". Untergebracht werden sie in einem "Jugend-Camp" der örtlichen Luitpold Kaserne, wo auch im Musikzelt der "Groß-Event für junge Musiktalente" (Bundeswehr) lärmt.

Das Screensaver-Motiv "Klassik" aus dem Angebot: "Groovige Grüße, fetzige Klingeltöne, coole Screensaver

Wir erinnern uns: Alles begann im Schulunterricht, als der Bundeswehr-Jugendoffizier vorbei kam und neue Rekruten anwarb. Zudem gab und gibt es dröge Waffenschauen vonseiten der Militärs, die oft, ebenso wie die immer öffentlicheren Gelöbnisse, von Friedensaktivisten und Linksradikalen gestört werden (vgl. etwa: Bundeswehrausstellung mit Panzern gestürmt). Ansonsten wirbt die Bundeswehr mit dem hippen Jugendblättchen "Infopost", verschiedenen PR-Touren sowie einer speziellen Homepage um Nachwuchs. Nun aber beschreitet das ehemalige Bundes- und heutige Hindukuschministerium der Verteidigung "neue Wege im Jugendmarketing" (Pressemitteilung). Es marschiert in die Popkultur ein (Pop goes Krieg).

Schon der TV-Sender RTL hatte mit seiner als Talentwettbewerb getarnten Dauerwerbesendung "Deutschland sucht den Superstar" nur eines im Sinn: den eigenen Nutzen. Die Militärs starten nun also eine ähnliche Sause und suchen dafür noch "musikbegeisterte junge Leute im Alter von 14 bis 24". Insgesamt gibt es fünf Kategorien: Schülerbands, Discjockeys, Jugendblasorchester, Jugendbläser-Ensembles. Jugendspielleute- und Jugendfanfaren-Korps. Statt Dieter Bohlen bewerten indes im Schützengraben an der Soundfront Musikoffiziere der Bundeswehr und "prominente" Vertreter der Branche die Auftritte der Newcomer. Gewinnern drohen "attraktive Preise: Von der eigenen CD-Produktion und Live-Auftritten mit der Bundeswehr Big Band bis zu Ausbildungsaufenthalten bei Musikkorps der Bundeswehr".

Fraglich ist noch, ob dies alles nicht ein Fall für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ist, befindet sich die Bundeswehr doch in Gewalt verherrlichenden Auslandseinsätzen. So wird etwa die Propaganda- und Rekrutierungsshow verniedlichend angekündigt: Der Nachwuchs treffe sich zum "musizieren, Party machen, neue Freunde kennenlernen" - Scheißkonservative alte Rechtschreibung, Alta! -, "sich informieren, entspannen". Ganz begeistert von derlei Amüsement und Chill-Out-Zonen ist denn auch Oberbürgermeister Hans-Jürgen Weigl, der laut Militärs sein Dillingen für ein Wochenende zur "Musikhauptstadt" Deutschlands erklärt - wegen, so der Sozialdemokrat, der "vielen musikbegeisterten jungen Menschen in unserer schönen Stadt".

Abgesehen davon und um den Kreis zu schließen: Da unser aller Zukunft am Hindukusch verteidigt wird und wir via Medien erfahren durften, wie beliebt die Bundeswehr-Soldaten der ISAF-Truppen in der afghanischen Hauptstadt Kabul bei der Bevölkerung sind, wäre die Teilnahme mit international tauglichen Songs ratsam. Vorschlag: Nicoles Klassiker "Ein bisschen Frieden" als hinlänglich bekannte englischsprachige Version. Es ginge aber auch subtiler. Die US-Prügelmetaler Slayer sangen 1990 in ihrem Song "War Ensemble" die putzmunteren Zeilen: "The final swing is not an drill / It's how many people I can kill." Sollte Harry da nicht schon mal den Wagen holen...?