CDU rückt offenbar von schnellem Atomausstieg ab

Die Kernenergie sei ein Element vorausschauender Energieversorgung, so ein Papier aus dem Bundesvorstand

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Das Datum für einen möglichen Atomausstieg gehört derzeit wohl zu den heikelsten Themen innerhalb des Regierungslagers. Während einige, wie CSU-Parteichef Horst Seehofer, auf einen Ausstieg bis spätestens 2022 drängen, geht der Gesinnungswandel insbesondere den Vertretern der Wirtschaftsflügel der Regierungsparteien zu schnell. Berichte des Handelsblattes, wonach sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits auf ein konkretes Datum für den Ausstieg dränge, musste ein Regierungssprecher wieder einschränken. Noch steht nichts fest, auch ein Modell mit Restlaufzeiten ist durchaus möglich. In eine Beschlussvorlage des CDU-Parteivorstandes, die Greenpeace zugespielt wurde und Telepolis vorliegt, ist jedenfalls von einem schnellen Atomausstieg oder gar konkreten Terminen nichts mehr zu lesen.

Stattdessen ist in dem Entwurf, den der Bundesvorstand am kommenden Montag laut Greenpeace verabschieden soll, von lauten Bedenken gegen eine zügige Energiewende geprägt. Ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie würde "unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die Grundlage für soziale Sicherheit gefährden", so das Papier.

Bei der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre sei es nicht gelungen, "den zukunftsorientierten Gesamtansatz hin zu den Erneuerbaren Energien stärker in den Vordergrund zu stellen", so die schwache Selbstkritik, die eher dazu dient, die Fortschreibung der Energiepolitik des vergangenen Herbstes zu rechtfertigen. Trotzdem verschweigt der Entwurf die Gefahren der Kernkraft nicht vollständig, explizit werden mögliche Gefährdungen durch Terrorangriffe mit Flugzeugen oder Cyberangriffe genannt. Doch die Konsequenzen daraus sind mager und schwammig formuliert. Lediglich von einer "Neubewertung über unseren Umgang mit dem Restrisiko" ist die Rede.

"Heimische" Braunkohle neben Kernenergie als Favorit

Ein weiteres Problem ist laut dem Papier die Abhängigkeit von Energieimporten. Um diese zu mindern, soll nicht etwa ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden, sondern vielmehr wird die "heimische Braunkohle" zum wirksamen Mittel erklärt, die dank ihrer langfristigen Verfügbarkeit für eine "verantwortungsvolle Energiepolitik" unverzichtbar sei. Wie dies mit der im Beschlussentwurf immer wieder betonten Notwendigkeit des Klimaschutzes in Einklang zu bringen ist, darüber wird im Papier kein Wort verloren. Bemerkenswert dabei ist insbesondere auch, dass nicht einmal die von der Union sonst beständig hochgelobte CCS-Technologie auch nur Erwähnung findet. Die Pressestelle der CDU war am Abend zu einer Stellungnahme nicht mehr zu erreichen.

Sollte der Entwurf im Bundesvorstand der CDU tatsächlich am Montag verabschiedet werden, so dürfte dies das ebenfalls für Montag geplante Treffen von Angela Merkel mit den Spitzen der Oppositionsparteien stark belasten. Dabei sollen Regierungssprecher Steffen Seibert zufolge vor allem Verfahrensfragen bezüglich des Atomausstieges besprochen werden.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass der enge Zeitplan der Bundesregierung ins Wanken kommt. Ursprünglich sollte schon im Juni ein Gesetz verabschiedet werden, um den Umgang mit der Atomkraft rasch nach der Veröffentlichung der Ergebnisse von Reaktorsicherheitskommission und Ethikkommission zu regeln. Nun wird es voraussichtlich erst im Juli zu einer endgültigen Entscheidung in Bundestag und Bundesrat kommen. Da die Regierung im Bundesrat keine Mehrheit besitzt, muss sie zumindest einen Teil der Opposition auf ihre Seite ziehen. Immerhin geht der Bundestag am 8. Juli in die Sommerpause - und bereits Mitte Juni könnten die bisher abgeschalteten Atomkraftwerke wieder hochgefahren werden. Denn dann läuft Merkels Moratorium aus.