COP27 in Ägypten: Gibt es einen Ausweg aus dem globalen Klima-Versagen?

Seite 3: Klimagipfel scheitern, weil wir sie scheitern lassen

Aber all das ist nahezu bedeutungslos, wenn die Emissionen nicht sofort und schnell Richtung null gesenkt werden. Und das ist nicht der Fall, die Emissionen steigen sogar weiter an. In Bezug auf den Klimanotstand, in dem wir uns befinden, stellt Glasgow ein totales Versagen dar, wie die COPs zuvor. Die Menschheit steht buchstäblich am Rande des Abgrunds, aber die mächtigsten Staaten tun so, als ob man das Problem ad ultimo aussitzen könne.

Nach 26 COPs sind die Emissionen, wie schon erwähnt, nun um rund 60 Prozent gestiegen, nicht gesunken. Um also auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Sind Klimakonferenzen schlicht nutzlos? Haben sie gar eine schädliche Wirkung, wie der bereits verstorbene SPD-Politiker und Mitverfasser des international einflussreichen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Herman Scheer einmal sagte, weil die UN-Klimadiplomatie konsensorientiert ist und letztlich die nationalen Ambitionen verwässert?

Sicherlich ist die Kritik an der bestehenden Klimadiplomatie und einigen Fehlkonstruktionen innerhalb des Verhandlungssystems berechtigt. Aber nicht das UN-Klimasystem ist für die Untätigkeit verantwortlich – oder für die Verhandlungsergebnisse, die meist nur heiße Luft beinhalten. Immerhin hat das Pariser Abkommen den Multilateralismus am Leben erhalten – also das Prinzip einer international abgestimmten und fairen Lösung, ohne die global kein wirksamer Klimaschutz gelingen kann.

Die Klimadiplomatie und der UNFCCC-Verhandlungsrahmen enthalten auch sinnvolle Elemente wie die Verantwortungsteilung, Klimafinanzierung, die Festlegung einer Temperaturobergrenze, die Verwaltung der nationalen Reduktionsziele, Überprüfungsmechanismen, Orientierung an der Wissenschaft und dem Gerechtigkeitsprinzip. All das ist vorhanden, es muss nur noch mit den richtigen Inhalten gefüllt werden. Das macht den politischen Kampf viel einfacher. Die Industrieländer müssen "nur" unter Druck gesetzt werden, sich an die Prinzipien und ihre Rhetorik zu halten.

Klimakonferenzen schaffen auch Öffentlichkeit sowie Mobilisierung und ermöglichen es Entwicklungsländern, Wissenschaftlerinnen, Umweltschützern, Bewegungen und der Zivilgesellschaft, Druck auf die Regierungen auszuüben – weshalb die Staaten, die die Gipfeltreffen ausrichten (siehe Ägypten), versuchen, Klimaproteste zu unterdrücken. Es ist ein Forum, das wegfallen würde, wenn es keine Klimakonferenzen mehr gäbe.

Und dann: Ohne die Zugeständnisse hinsichtlich der 1,5 bis zwei Grad-Celsius-Grenze auf der Pariser Konferenz wären Protestbewegungen wie Fridays for Future nicht in der Lage gewesen, die Industrieländer später darauf festzunageln und vor Gericht Erfolge zu erzielen. Auf diese Weise können Regierungen und Parlamente vor ihren eigenen Wähler:innen in die Defensive gedrängt werden.

Aber natürlich können Verhandlungen und Klimakonferenzen keinen eigenen Wandel herbeiführen, wenn die mächtigen Industriestaaten ihn blockieren. Die Klimadiplomatie ist im Grunde ein Machtkampf zwischen armen und reichen Ländern, zwischen großen und kleinen Emittenten, zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden.

In diesem Kampf haben die Industrieländer große Vorteile, während die ärmeren Länder keine wirklichen Druckmittel haben. Der Wandel muss daher vor allem aus Staaten wie den USA oder den europäischen Ländern selbst kommen. Die Zivilgesellschaften müssen dort ihre Regierungen dazu zwingen, sich den wissenschaftlichen Realitäten und den notwendigen Maßnahmen zur Unterstützung der armen Länder zu stellen. Nur so kann ein echter und schneller Wandel herbeigeführt werden.

Man könnte also sagen, dass die die Klimagipfel, keineswegs zum Scheitern verurteilt sind. Aber sie werden scheitern, wenn wir sie scheitern lassen. Das gilt auch für die anstehende COP in Ägypten.

Vor allem die intellektuelle und politische Klasse, die oberen 20 Prozent, die gut ausgebildet sind und über verschiedene Formen des Einflusses verfügen, können den Unterschied ausmachen, wenn sie wollen. Vor allem die Massenmedien haben eine große Verantwortung, der sie aber bisher nicht gerecht werden, auch wenn die Berichterstattung im Zuge der Klimaproteste seit 2019 besser geworden ist.

An der Seitenlinie zu verharren ist keine Option mehr. Es ist nicht einmal eine moderate Position. Wie der US-Historiker und Dissident Howard Zinn einmal sagte: "Man kann in einem fahrenden Zug nicht neutral sein". Vor allem, wenn er sich kurz vor dem Abgrund befindet.

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