COP27 in Ägypten: Sind Klimagipfel ein gefährliches Ablenkungsmanöver?

Seite 2: Von wegen "historisch": Der erpresste Klimadeal von Paris

In Kopenhagen 2009 versuchte der Block der Industrieländer unter Führung der USA schließlich, die Entwicklungsländer zu einem Abkommen zu drängen, das einerseits keine verbindlichen Ziele für die reichen Länder enthielt und andererseits eine ungerechte Verteilung des verbleibenden Zwei-Grad-Kohlenstoffbudgets vorsah.

Das South Centre stellte in einem Bericht fest, dass mit diesem Plan (dem so genannten dänischen Text, der während des Gipfels durchgesickert war) die Industrieländer etwa 30 bis 35 Prozent des verbleibenden Kohlendioxids erhalten würden, obwohl sie nur 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen (und ihr Budget bereits in der Vergangenheit überzogen hatten). Gleichzeitig würden die historische Klimaschulden (die sich aus den Emissionen der Vergangenheit ergeben) implizit gestrichen, während der globale Süden gezwungen wäre, die Lücke zur Stabilisierung des Klimas durch harte Emissionssenkungen zu schließen, ohne dass der Norden dafür finanziell aufkommt.

Die Vereinbarung bedeutete auch eine Abkehr vom Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedenen Verantwortung" hin zu einer "universellen Verantwortung". Das bedeutet, dass alle Länder die gleiche Verantwortung tragen und ähnliche Verpflichtungen erfüllen müssen, unabhängig davon, wie sehr sie zur Klimakrise beigetragen haben.

Ein Jahr nach dem Kopenhagener Gipfel gaben die von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen Aufschluss darüber, wie vor allem die USA mit Spionage, Drohungen und finanziellen Hilfszusagen versuchten, die politische Unterstützung einzelner Entwicklungsländer für ein Abkommen in Kopenhagen zu erzwingen.

Die EU spielte mit. So traf sich beispielsweise die für den Klimawandel zuständige EU-Kommissarin Connie Hedegaard am 11. Februar 2009 in Brüssel mit ihrem Amtskollegen Jonathan Pershing, dem stellvertretenden US-Beauftragten für den Klimawandel. Hedegaard soll Pershing gegenüber geäußert haben, dass die Allianz der kleinen Inselstaaten angesichts ihres Finanzierungsbedarfs "unsere besten Verbündeten" sein könnten.

Doch die Rechnung von USA und EU ging nicht auf. Die Vertreter der ärmeren Länder waren über die geheime Verhandlungsstrategie und den Versuch verärgert, den Verhandlungsrahmen jenseits der UN-Prinzipien zu ändern.

Boliviens damaliger Präsident Evo Morales verlangte in einer Rede vor den Delegierten, dass die reichen Länder ihre Klimaschulden zurückzahlen müssen, und forderte eine Begrenzung der Temperatur auf ein Grad Celsius. Außerdem schlug er die Einrichtung eines internationalen Gerichtshofs für Klimaverbrechen vor.

Außerdem wurde von Vertreter:innen aus Afrika, Lateinamerika oder Südostasien während der Konferenz immer wieder das Emissionsgefälle zwischen den USA und den EU-Ländern auf der einen und dem globalen Süden auf der anderen Seite thematisiert.

Die Verhandlungen scheiterten am Ende. Nach Kopenhagen stiegen die Emissionen global weiter an. Auch im sogenannten Klimamusterland Deutschland nahmen die Emissionen erstmals nach zwei Jahrzehnten wieder leicht zu und stagnierten fast zehn Jahre lang auf gleichem Niveau.

In Paris wurde 2015, sechs Jahre nach Kopenhagen, dann doch noch ein Abkommen erzielt. Die Medien und viele Umweltorganisationen waren euphorisch und nannten es einen historischen Moment und einen Durchbruch. Doch dem war keineswegs so, wie Klimawissenschaftler:innen betonten. So zeigten Studien, dass die Nationally Determined Contributions – also die auf der Konferenz von den Staaten eingereichten "freiwilligen Selbstverpflichtungen" – die Erde weiter um mehr als drei Grad Celsius erwärmen werden.

Die gängige Meinung sei, so Dan Bodansky, dass "Kopenhagen ein Desaster und Paris ein Triumph war". Eine seltsame Sichtweise, meint der Co-Direktor des Center for Law and Global Affairs an der Arizona State University, der die Klimadiplomatie seit langem beobachtet. Das Pariser Abkommen habe lediglich das "Bottom-up-Paradigma" (d. h. das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung) der Kopenhagener Konferenz formalisiert.

Die wesentlichen Elemente wie die Zwei-Grad-Celsius-Obergrenze, die unverbindlichen nationalen Beiträge, die Ankündigung, öffentliche und private Mittel für die Klimafinanzierung zu mobilisieren, die tendenzielle Gleichstellung von Industrie- und Entwicklungsländern sowie die Einbeziehung aller Emissionen, auch der der Entwicklungsländer und nicht nur der der Industrieländer, waren bereits in Kopenhagen enthalten. Bodansky spricht daher von Copenparis und kommt wie andere Kommentatoren zu dem Schluss:

Im Kern knüpft das Pariser Abkommen nur ein Vertragsband um die Hauptelemente der Kopenhagener Vereinbarung.

Bei näherer Betrachtung ist der Weg von Kopenhagen über die Klimakonferenzen in Cancún und Durban bis nach Paris tatsächlich ein Erosionsprozess, der die Grundlagen der Klimadiplomatie seit den 1990er Jahren aufgeweicht hat.

Das Prinzip der "gemeinsamen, aber differenzierten" Verantwortung für die Klimakrise, die Einteilung in Industrieländer (Annex 1) und Entwicklungsländer (Nicht-Annex 1) – bestimmend für Kyoto, in Kopenhagen noch in einer Reihe von Bestimmungen enthalten – wurde in Paris schließlich ganz aufgegeben. Seitdem gibt es nur noch ein System zur Verwaltung der Reduktionen ("reporting", "verification", "inventory"), das unterschiedslos für alle gilt, während nicht nur Industrieländer für die Klimafinanzierung aufkommen sollen.

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