COP27 in Ägypten: Sind Klimagipfel ein gefährliches Ablenkungsmanöver?

Seite 3: "Diese Art von Erpressung ist Teil der Verhandlungen"

Warum aber haben die Entwicklungsländer in Paris dem Paradigmenwechsel zugestimmt, den sie in Kopenhagen noch weitgehend abgelehnt hatten? Für den Sinneswandel gibt es eine Reihe von Gründen, etwa die veränderte Verhandlungssituation. So haben sich die Entwicklungsländer an die neue Praxis der freiwilligen und unverbindlichen nationalen Beiträge für alle Länder seit Kopenhagen gewöhnt.

Der Hauptgrund war aber, dass die Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens erkennen mussten, dass sie von den Industrieländern, insbesondere den USA und der EU, kein anderes Angebot erhalten würden.

Schon zwei Jahre nach Kopenhagen, auf dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban, forderten die beiden großen Schwellenländer China und Brasilien eine zweite Kyoto-Periode mit verbindlichen Zielen für die Industrieländer als Voraussetzung dafür, dass die Verhandlungen in Paris überhaupt beginnen können. Das änderte sich. Im Jahr 2014 kündigte sich die Wende an.

In einer gemeinsamen Erklärung verbreiteten die USA und China Optimismus, dass Paris dort erfolgreich sein würde, wo Kopenhagen noch scheiterte. Das Kyoto-Modell wurde aufgegeben, auch wenn man es nicht so formulierte. Ein Beobachter drückte es so aus:

In Paris war das Kyoto-Protokoll ein Hund, der nicht mehr bellte. Es sieht so aus, als soll das Abkommen sanft in die historische Nacht entschwinden.

Die Erwartungen der Entwicklungsländer wurden also in Paris "realistisch". Was letztlich bedeutet, dass sie das diplomatische Machtspiel aufgaben. Bodansky stellt fest, dass die Entwicklungsländer in Paris "die Abkehr von der Zweiteilung nur widerwillig akzeptierten".

Zudem sorgten die USA gemeinsam mit der EU lange vor dem Pariser Gipfel dafür, dass sich das Debakel von Kopenhagen nicht wiederholen würde. Ab 2009 fanden eine Reihe von hochrangigen diplomatischen Treffen mit der chinesischen Führung statt, die 2015 in der gemeinsamen Erklärung zum Klimawandel gipfelten.

Es war die übliche "Zuckerbrot und Peitsche"-Methode. So boten die USA und die EU China Finanzmittel und Technologien zur Bekämpfung von Smog in Städten an – eines Problems, das die kommunistische Partei im eigenen Land unter Druck setzte, was die USA mit der Veröffentlichung von Smog-Daten noch beförderten. Damit sollte die Forderung Chinas und der G77-Allianz der Entwicklungsländer ausmanövriert werden, wonach die Industrieländer 1,5 Prozent ihres BIP, also 500 Milliarden Dollar pro Jahr, als Klimafinanzierung an die Entwicklungsländer zahlen sollten.

In seiner detaillierten Analyse der Klimadiplomatie kommt der Politikwissenschaftler Fuzuo Wu zu dem Schluss, dass China und Indien mit ihren Zugeständnissen und dem Durchwinken des Pariser Abkommens auf die

asymmetrische Abhängigkeit von den Industrieländern bezüglich Technologietransfer für Emissionsreduktion reagieren mussten. Das Gleiche gilt für andere Entwicklungsländer.

Beide Länder seien auch "unter Druck gesetzt" worden, um ihren Status im internationalen System zu sichern. Ein Druck, der auch "durch das asymmetrische Verhältnis zu den Industrieländern, insbesondere der EU und den USA, gekennzeichnet ist."

Asad Rehman, damals Leiter der internationalen Klimapolitik bei Friends of the Earth, wies auf der Konferenz in Paris auf die Verhandlungsmacht der USA hin:

Die Entwicklungsländer wehren sich gegen den Versuch der Vereinigten Staaten, die Regeln neu zu schreiben und den rechtlichen Schutz aufzuheben. Denn es geht bei den Klimaverhandlungen vor allem um den Schutz der Armen, der am meisten gefährdeten und der ärmeren Länder der Welt. Doch die USA wollen diesen Schutz eliminieren. Sie wollen die Verantwortung für die Verschmutzung auf die Armen abwälzen. Das ist bisher von den Entwicklungsländern abgelehnt worden. Und in den nächsten 36 Stunden werden wir entweder sehen, wie die Erwartungen herabgesetzt oder die ärmeren Länder erpresst und bestochen werden, um die Verantwortung auf die Entwicklungsländer abzuschieben. Paris ist tatsächlich ein Tatort, und der Verbrecher sind die Vereinigten Staaten.

In einem Interview auf der COP 21 in Paris gab mir der ehemalige bolivianische Klimaverhandler Pablo Solón ein Beispiel, wie der Widerstand des Globalen Südens von den Industrieländern gebrochen werden kann. So hätten viele Länder bei der Klimakonferenz in Cancún, vor allem afrikanische, noch wenige Stunden vor der Abstimmung in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigt, dass sie das Abkommen nicht unterschreiben werden. Doch dann stimmten sie plötzlich zu, nur Bolivien blieb standhaft.

Solón fragte seine Kollegen, was geschehen sei. Einer der Unterhändler antwortete ihm, die EU habe seine Regierung angerufen und ihr mit dem Entzug finanzieller Unterstützung gedroht. "Diese Art von Erpressung ist Teil der Verhandlungen", erklärte Solón auf dem Gipfel.

Wie die klimadiplomatische Blockade in den USA und EU in letzter Zeit jedoch attackiert (und tatsächlich brüchiger) wird und warum Verhandeln weiter Sinn macht (auch wenn die Resultate mau sind), darum wird es im zweiten Teil des Artikels gehen, der am Montag erscheint. Auch die fatale Rolle der Medien wird darin zur Sprache kommen.

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