Cannes 2023: Filmfest zwischen Streaming Wars und Ukraine-Krieg

Bild (2017): Gil Zetbase / CC BY-SA 4.0

In Cannes ist Filmkunst nur die eine Seite. Die zwei anderen Pole sind das Geschäft und der Medienbetrieb. Und dann ist da noch die nie endende Krise.

Am Samstagabend gingen die 76. Filmfestspiele von Cannes mit der Vergabe der Goldenen und Silbernen Palmen – den neben dem Oscar wichtigsten Filmpreisen der Welt – zu Ende. Der Wettbewerb von 21 Filmen wurde allgemein als stark empfunden, ohne allerdings formal oder erzählerisch Zukunftsweisendes zu bieten.

Zivilisationsverluste

Tatsächlich gewannen die zwei besten Filme im Wettbewerb auch zwei der wichtigsten Preise: In "Pot-au-Feu" von Tran Anh Hung (Silberne Palme für die "Beste Regie"), einem aus Vietnam stammenden Franzosen, denkt ausgerechnet ein Einwanderer der ersten Generation über den grassierenden Kulturverlust westlicher Gesellschaften nach und bringt eine engagierte Verteidigung der europäischen Zivilisation auf die Leinwand.

Der Brite Jonathan Glazer zeigt in seiner Verfilmung des Martin-Amis-Romans "The Zone of Interest" (Silberne Palme "Grand Prix du Jury") die schwarze Seite dieser Zivilisation: Es geht darin um den privaten Alltag des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss, seiner Frau Hedwig, den fünf Kindern und drei Dienstboten.

Dies fand 1940 bis Ende 1943 direkt neben dem Vernichtungslager statt, nicht etwa ungestört, sondern in einem schizophrenen Nebeneinander von Grauen und Normalität, in dem Menschen nicht etwa nur gegenüber dem Leiden anderer abgestumpft sind – wie Europäer in der Flüchtlingsfrage –, sondern gegenüber den eigenen Morden und Verbrechen.

Kinder plantschen im Pool, Erwachsene laden zu Gartenpartys, während über die meterhohe Mauer immer wieder Hundegebell, Befehle, Schreie und Wehklagen zu hören sind, und vor allem der Höllenlärm des Dauerbetriebs der Verbrennungsöfen, deren Feuerschein hier auch die Nacht zum Tage macht.

Dies ist auch der abgründigste Auftritt in der bisherigen Karriere der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller, deren Hedwig Höss sich so regelmäßig Pelzmäntel und Damenwäsche der Ermordeten liefern lässt, wie heute der Durchschnittsdeutsche die Amazon-Pakete. Alles, was der Film schildert, ist so unglaublich und bizarr, wie im Detail belegbar. Es war einmal im Osten.

Der zweite Hüller-Film kann mit diesem Meisterwerk zwar nicht mithalten, gewann aber – offenbar als passender Jurykompromiss zwischen dem Kino exzessiver Opulenz und dem kühler Askese – die "Goldene Palme": "Anatomie d'une Chute" von Justine Triel ist ein Gerichtsdrama. Der Mann einer Schriftstellerin wird nach einem Fenstersturz tot aufgefunden. Obwohl es nur Indizien gibt, aber weder Tatwaffe noch klare Motive, muss sich die Gattin einer Mord-Anklage stellen.

Die französische Regisseurin möchte vor allem unsere Vorstellung von eindeutiger Wahrheit erschüttern - als ob das in Zeiten von Fake News noch nötig wäre. Hüllers Auftritt trägt einen Film, der solide ist, aber mehr an gehobenes Fernsehen erinnert.

In Cannes ist aber immer schon die Filmkunst nur die eine Seite des Festivals. Die zwei anderen Pole in diesem extrem reichen, vielfältigen Festival sind das Geschäft und der Medienbetrieb. Alles drei gehen im besten Fall Hand in Hand.

1,4 Millionen Euro für einen Auschwitz-Film

Der Filmmarkt – auch dies der wichtigste der Welt und das ökonomische Herz der globalen Filmindustrie – ist stärker denn je zurück, und versammelte die Rekordzahl von 13.500 Akkreditierten. Es war eine Szenerie, die an die schönen Tage vor Corona erinnerte.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der erwähnte "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer. Ein erstaunlicher Betrag ging da über den Tisch: Der Münchner Medienkonzern Leonine hat für die deutschen Rechte an "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer 1,4 Millionen Euro bezahlt – eine immense Summe, wenn man bedenkt, dass in der Regel Cannes-Sieger in Deutschland kaum je auf eine halbe Million Zuschauer kommen. Und erst dann hätte sich die Summe einigermaßen wieder eingespielt und die Gewinnzone erreicht.

Von anderen deutschen Marktteilnehmern, die sich ebenfalls um die Filmrechte beworben hatten, hörte man entweder den nüchternen Befund, die gezahlten Summen seien komplett unrealistisch, und "eine Großkotz-Nummer" (so ein deutscher Fernsehredakteur), man wolle der Branche zeigen, dass man "die dicksten E..." habe (ein Einkäufer); der Film werde gerade mal 20.000 Zuschauer bekommen. Oder Verärgerung: "Die machen den Markt kaputt."

Aber wer ist hiermit gemeint? Die, die diese Summen bezahlen, weil sie es sich leisten können? Oder das US-amerikanische Studio A24, der im Augenblick wichtigste Branchenplayer für US-Independent-Filme.

Letzterer zumindest macht eigentlich nur genau das, was sich alle in der Filmbranche wünschen und gerade die, denen das Kino am Herzen liegt, mit Recht verlangen: Film muss etwas wert sein. Und nur wer diesen Wert auch bereit ist, zu bezahlen, wertschätzt die entsprechende Arbeit. Wem Film am Herzen liegt, der muss auch entsprechende Summen bezahlen.

Deutsch-Amerikanische Verleihpartnerschaft

Dieser Ankauf steht im Zeichen einer neuen Kino-Offensive und Marketingstrategie von Leonine: Bereits zu Festivalbeginn hatte Leonine die Gründung eines gemeinsamen Filmverleihs mit A24 verkündet.

Damit wird die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen auf Dauer gestellt. Mittelfristiges Ziel dürfte es dabei auch sein, in Deutschland gemeinsame deutsch-US-Produktionen umzusetzen und die zahlreichen Möglichkeiten der deutschen Filmförderung zur Co-Finanzierung ausländischer Filme (Branchenjargon: "stupid German money") auszunutzen.

Fred Kogel, Ex-Programmgeschäftsführer bei SAT1, Ex-Vorstandschef der Constantin Film und Gründer von Leonine, wird bei Screen wie folgt zitiert:

Die mutige Erzählweise von A24 und ihre Leidenschaft für herausragende, qualitativ hochwertige Inhalte, die niemals konventionell und immer einzigartig sind, sind spektakulär. Es ist ihnen gelungen, ein neues Publikum in die Kinos zu locken, was ein großer Erfolg ist. Diese Partnerschaft passt perfekt zu unserer Vision und unserem Engagement für den Vertrieb und die Lizenzierung von Premium-Inhalten in jeder Form.

Fred Kogel

Boomender Markt

Auch sonst schwenkt die Filmbranche nach zwei Jahren, die durch Corona-Isolationen und Kultur-Shutdown massiv gestört waren und einem weiteren Jahr sehr zögerlicher Wiederbelebung, wieder zurück auf die alte Normalität, die die Filmbranche so bitter ersehnt hatte.

Der Marché du Film, der Filmmarkt von Cannes, der sich im Palais des Festivals im unteren Stockwerk befindet, wie ein Symbol des materiellen Unterbaus, der die Basis der Filmkunst luftigerer Gefilde bildet, zeigte rund 4.000 Filme und hielt mehr als 100 öffentliche Konferenzen ab.

Das Angebot reicht von den Filmkunst-Titeln des Cannes-Programms bis hin zu Genre-Filmen, B-Ware und noch unfertigen Projekten, die auf der Suche nach einer internationalen Co-Finanzierung sind.

Aber der Optimismus der Brache ist noch zögerlich. Zwar gibt es weltweit kaum noch staatliche Covid-Einschränkungen, aber die Wirtschaft, kommt nach Monaten sanktionsbedingter Inflation einstweilen nicht auf die Beine. Medienunternehmen schließen, verhängen einen Einstellungsstopp oder kürzen ihre Budgets im Zuge eines unsicheren Marktes.

Vor den "Streaming Wars"

Insbesondere die lange gehypten Streaming-Unternehmen erleben gerade eine massive Krise.

Die Anbieter konzentrieren sich auf Kostensenkung und darauf, ihre Inhalte zu monetarisieren. Seit Anfang 2022 verlangsamt sich das Streaming-Wachstum massiv. Der Aktienkurs von Netflix ist um über 70 Prozent gefallen, auch der Aktienkurs von Disney, das zuletzt stark ins Streaming investiert hat, ist um fast 40 Prozent gesunken ist. Der von Warner Bros. Discovery um 45 Prozent.

Unternehmen haben bereits damit begonnen, Mitarbeiter zu entlassen und neue Projekte einzuschränken, um die Kosten zu senken.

Nach Angaben von Indiewire hat Disney im Jahr 2021 fast 25 Milliarden Dollar für Inhalte ausgeben, Netflix 17 Milliarden Dollar und Amazon Prime 13 Milliarden Dollar. Im Jahr 2022 hat die kombinierte Plattform von Warner Media und Discovery Inc. 18 Milliarden Dollar ausgeben.

Da überrascht es nicht, dass nun bei Amazon Prime, Disney Plus, Hulu und Netflix die Zeit der Gebührenerhöhungen gekommen ist.

Laut Steven Cahall, Analyst bei Wells Fargo, sank die Zahl der Neuabonnenten bei den 12 großen Streaming-Plattformen von 42 Millionen im ersten Quartal 2021 auf 29 Millionen im ersten Quartal 2022 mit weiterer Abwärtstendenz seitdem. Der Markt ist gesättigt. Die Abokündigungen nehmen zu.

Die zeitgleiche Fragmentierung des Streaming-Marktes führt zu häufigen Abwanderungen und verschiedenen Formen der Piraterie. Zusammen mit den Preiserhöhungen und der globalen wirtschaftlichen Ungewissheit sind in dieser Lage Marktverwerfungen vorprogrammiert, und selbst die Zukunft großer Plattformen ist ungewiss.

James Huntsman, Eigentümer von Blue Fox Entertainment, wies auf Kommentare verschiedener Studiochefs hin, die bekräftigten, dass in dieser Lage Kinoveröffentlichungen wieder von größter Bedeutung sind, während Amazon und Apple in Kinofilme für ihre Titel investieren.

Kinofilme werden nicht nur für größere Filme, sondern auch für Independent-Filme aller Genres wieder ins Gespräch kommen, weil es einen wachsenden Markt für dieses Publikum gibt.

James Huntsman

"Man sieht dieses Jahr eine Kombination aus der alten Garde, alten Legenden und aufstrebenden Filmemachern", wurden auch andere Branchen-CEOs zitiert. Es kamen viele hochwertige Titel auf den Markt.

Selbst für diejenigen, die nicht persönlich vor Ort sind, ist Cannes eine große Marketing-Pattform: So benutzen die Paramount-Studios das Festival geschickt, um den neuen Tom-Cruis-Blockbuster "Mission: Impossible 7" zu bewerben, der im Juli in die Kinos kommt.

Auf der riesigen LED-Leinwand vor dem legendären Carlton Hotel lief der Trailer zu "Mission: Impossible - Dead Reckoning Part 1" die ganze Woche über im Dauerloop.

"Cannes ist ein renommiertes Festival mit globaler Reichweite, weshalb wir uns entschieden haben, 'Top Gun: Maverick' dort zu zeigen." , sagt Marc Weinstock von Paramount in Variety, "Es ist der perfekte Ort, um einen Tom Cruise-Film zu präsentieren."

Chinesen und Saudis

Zurück in Cannes waren in diesem Jahr auch die Chinesen, bei denen der Start in die post-pandemische Kinozeit besonders holprig verlaufen ist.

Nach wie vor sind in China die Kino-Besucherzahlen schlechter als in anderen Teilen der Welt, die Menschen kommen dort nur zögerlicher ins Kino zurück. Doch auch hier gibt es ein neues Gefühl des Optimismus und die Kinozahlen im Frühjahr verliefen positiv.

Noch gilt allerdings, dass China zurzeit noch immer nicht so viel wie früher einkauft. Der Rückgang der chinesischen Gelder ist nach Angaben von Branchenkennern auf die Beschränkungen für nicht-chinesische Filme sowie auf das Fehlen eines robusten VOD-Modells in China zurückzuführen.

Ein neuer Player in der Filmindustrie mit überaus großen Ambitionen ist Saudi-Arabien. Das Königreich verfügt zweifellos über die Mittel, um diesen Markt zu erschließen. Der Wille, die eigenständige Filmindustrie zu entwickeln, ist Teil der Kulturpolitik des Landes, das seit mehreren Jahren konsequent in die gesamte Produktionskette sowie in die Einrichtung von Kinosälen investiert.

Unter der Ägide des Kronprinzen Mohammed bin Salman begann der Übergang 2017 mit der Wiedereröffnung der Kinosäle, die in den 35 Jahren zuvor geschlossen worden waren. In dem Wunsch, durch Unterhaltung eine bessere Lebensqualität im Königreich zu fördern, hat die Generalkommission für audiovisuelle Medien, die für die Regulierung von Kinos zuständige Behörde, beschlossen, bis 2030 2600 Kinoleinwände zu bauen.

Derzeit gibt es im Land 54 Kinos, von denen die meisten Multiplex-Kinos sind, die zusammen 482 Leinwände anbieten. Ein weiterer Schritt in Richtung Öffnung Saudi-Arabiens für die Filmwelt ist die Einrichtung mehrerer Filmfestivals. Das "Red Sea International Film Festival" feierte im Dezember 2021 sein Debüt; die zweite Ausgabe zog bereits über 30.000 Festivalbesucher an, die 138 Filme aus 67 verschiedenen Ländern sehen konnten, darunter 48 arabische "Premieren" und 27 Filme aus Saudi-Arabien.

Am Persischen Golf findet das Saudi-Filmfestival statt. Die Saudis tragen dort auch zur Finanzierung internationaler Werke bei und lernen dabei die Rezepte kennen, die sich in der westlichen Industrie bewährt haben. Ein gewinnbringender Austausch, von dem alle profitieren.

Grund für das neue Interesse Saudi-Arabiens an einer eigenen Filmindustrie ist aber ein politisches Ziel: Die globalen Narrative sollen verändert werden, und es soll selber mitgestaltet werden.

Antirussische Lobbyarbeit

Andere Probleme zeigen sich im Fall von Russland.

Auch wenn es in diesem Jahr keinen ukrainischen Film im Programm von Cannes zu sehen gab und zur Erleichterung vieler Besucher der ukrainische Präsident Selenskyj diesmal auf jeden Auftritt bei der Eröffnung oder an anderer Stelle auf dem Festival verzichtete, führte der russisch-ukrainische Krieg beim Filmfestival auch in diesem Jahr zu Kontroversen.

Offiziellen russischen Delegationen und Unternehmen mit Verbindungen zur Regierung war es zwar erneut untersagt, am Marché du Film in Cannes teilzunehmen. Zugleich lief der russische Film "Grace" von Ilya Povolotsky, der vor dem Beginn der Kämpfe mit der Ukraine gedreht und in der Quinzaine gezeigt wurde.

Für die Ukraine selbst gilt dagegen: "Die Industrie ist im Moment tot", so der Produzent Vladimir Yatsenko gegenüber Variety. Und das, obwohl Kinofilm für die Ukraine im ersten Kriegsjahr ein sehr nützliches Medium politischer Propaganda waren. Jetzt sind die ohnehin schon spärlichen Mittel der staatlichen ukrainischen Filmagentur zugunsten der Kriegsanstrengungen versiegt. Viele männliche Filmemacher kämpfen an der Front.

Laut Variety waren allerdings sehr wohl einige ukrainische Filme beim Festival eingereicht worden, hatten es aber nicht in die offizielle Auswahl geschafft haben. Ausnahme: Der Kriegsdokumentarfilm "In the Rearview" des polnischen Regisseurs Maciek Hamela - eine ukrainische Minderheitskoproduktion - der in der inoffiziellen ACID-Sektion lief.

Dafür verlegen die Ukrainer ihre Bemühungen in Cannes auf anti-russische Lobbyarbeit: In einem offenen Brief forderte die ukrainische Filmgewerkschaft die Teilnehmer des Filmmarktes auf, alle Geschäfte mit Russland einzustellen. In der Erklärung wird behauptet, dass die Veröffentlichung von Filmen in Russland einer "Unterstützung des Terrorismus" gleichkommt.

Die Autoren nannten explizit die Namen mehrerer führender internationaler Indie-Weltvertriebe, darunter Lionsgate, STXInternational, FilmNation, A24 und Pathé, deren Filme auch nach Beginn des Krieges in Russland veröffentlicht wurden.

"In Russland weiterhin Geschäfte zu machen, bedeutet, den russischen Terrorstaat mit Steuern zu unterstützen", heißt es in der Erklärung. "Diese Steuern werden dann in Waffen verwandelt, mit denen friedliche ukrainische Städte zerstört und unsere Freunde und Kollegen getötet und verstümmelt werden."

Obwohl viele Hollywood-Studios nach der Invasion in der Ukraine ihre Reihen geschlossen haben und Filme wie "The Batman" von Warner Bros. und "Morbius" von Sony aus den russischen Kinos zurückgezogen wurden, wurden nach Angaben des russischen Kinofonds, der den Kartenverkauf bei den Kinobetreibern des Landes verfolgt, im vergangenen Jahr dennoch mehr als 140 US-Filme in dem Land veröffentlicht.

Mehrere internationale Filme sind in Russland weiterhin gut im Geschäft, darunter "John Wick: Kapitel 4" von Lionsgate, der im Land und in den ehemaligen sowjetischen Gebieten der GUS-Staaten, bisher fast 14 Millionen Dollar eingespielt hat, und der Oscar-Preisträger "Everything Everywhere All at Once" von A24, der mehr als 2,3 Millionen Dollar einspielte.

Guy Ritchies Spionage-Action-Komödie "Operation Fortune", die von STXinternational weltweit veröffentlicht wurde, hat in Russland/GUS mehr als 9 Millionen Dollar eingespielt, und "Die drei Musketiere" von Pathé fast 8 Millionen Dollar.

Die Verträge für viele ausländische Filme, die nach Russland verkauft wurden, wurden vor dem Einmarsch in die Ukraine unterzeichnet. Andere finden ihren Weg in die Kinos des Landes auf verworrenen Wegen, oft über Tochtergesellschaften russischer Verleihfirmen mit Sitz in anderen Ländern oder über Drittverleiher. (Die russische Veröffentlichung von "John Wick 4" wurde beispielsweise von Unicorn Media, einem in Malta registrierten Unternehmen, abgewickelt).

Während die Zusammenarbeit mit Drittvertriebsfirmen und ähnlich umständliche Arrangements völlig legal sind, wenn keine sanktionierten Unternehmen beteiligt sind, bestehen erfahrene europäische Vertriebsmitarbeiter gegenüber Branchenmagazinen darauf, dass sie ausländischen Unternehmen einen bequemen Vorwand ("cover") bieten, um weiterhin ihre Kassenschlager auf dem sechstgrößten Kinomarkt der Welt zu präsentieren.

"Die Realität ist, dass es finanziell weitaus lukrativer ist, den Handel mit Russland fortzusetzen, als den Verlust zu erleiden, wenn die Filme raubkopiert werden", sagte der Vertriebsmitarbeiter, der anonym bleiben wollte.

Alle Facetten des Kinos

Cannes war auch in diesem Jahr der Ort für alle Facetten des Kinos. Natürlich ist dies ein Tempel der "siebten Kunst", ein Gipfel des Glamours mit den Stars aus Hollywood, es ist das ökonomische Herz der weltweiten Filmindustrie.

Aber dies ist auch ein Ort der Kennerschaft, der Reflexion, der Eleganz und der Anmut; des geistigen Austauschs, des produktiven Streits der Experten. Cannes ist eine sinnliche Erfahrung und es ist ein intellektueller Ort!