City of Gold
Seite 3: Ausblicke: Dubai, Middle East und weiter …
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- "Building Towers, Cheating Workers"
- Ausblicke: Dubai, Middle East und weiter …
- "The most important city on earth?"
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Durch die Finanzkrise ist die Flut an Neubauten in Dubai ins Stottern geraten. Etliche der Projekte waren noch während der Bauphase mit erheblichen Gewinnen mehrfach weiterveräußert worden. Der Einschnitt brachte eine Preisbereinigung bei Wohnobjekten in Größenordnungen von 30 bis 80 Prozent mit sich. Manches Vorzeigeobjekt aus dem oberen Preissegment wird heute glatt zur Hälfte dessen angeboten, was noch 2008 galt.
Die Preiseinbrüche bei den Fondsobjekten fallen unterschiedlich aus: Hier spielen die Lage, die Fertigstellung und damit die Vermietbarkeit, daneben auch der praktikable Zuschnitt der Objekte, zunehmend auch Details der Wohnungen und Appartements eine Rolle. Spürbar ist jedoch das Bestreben, angefangene Bauobjekte nicht zu Bauruinen verkommen zu lassen, sondern die Fertigstellung, wenn irgend möglich und finanzierbar, voranzutreiben. Im Innenstadtkern von Dubai City und in einigen Distrikten ist dies deutlich erkennbar. Bei allem sollte man die Zeitachse nicht vergessen: Genau genommen hat Dubai sich binnen zwanzig Jahren zu einer der modernsten Metropolen der Welt entwickelt.
Fraglich erscheint bei näherem Hinsehen die sich hartnäckig haltende Aussage, Dubai stehe finanziell am Abgrund. Das Emirat ist und bleibt trotz aller Krisen ein Paradies für Baulöwen. Baugenehmigungen erteilt der Emir, Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, zugleich Premierminister und Vizepräsident auf VAE-Bundesebene, höchstpersönlich für Projekte, die ihm zusagen. Das Herrscherhaus kontrolliert auch die großen Finanzgesellschaften wie Emaar (gegr. 1997) oder Nakheel (gegr. 2003). Nach Fertigstellung werden die meisten Großprojekte zügig privatisiert.
Und hier wird "vom Reißbrett" gekauft: Viele der qualitativ und preislich hochwertigen Objekte wecken schon während der Planung die Kauflust von Anlegern. Ein Ende ist auch nicht abzusehen, denn der Emir hat mit Dubai (immer noch) Großes vor: Fast täglich werden neue außergewöhnliche Bauprojekte vorgestellt. Ohne Zweifel, das schöne neue Leben in Dubai hat ebenso wie andere Bauplätze der Welt einen herben Einbruch erlitten, als die Finanzkrise ausbrach.
Der kleine aber feine Unterschied scheint zu sein, dass sich an der Ausrichtung Dubais nicht viel geändert hat. Unverändert besitzen die Visionen der herrschenden Klasse Gültigkeit - nur wird eben alles mit gebremstem Schaum gefahren. Manches, das muss man zugeben, bleibt allerdings auch ein gut gehütetes Geheimnis in der Glitzerstadt am Golf. Kommentatoren in West und Ost beurteilen die Lage daher durchaus nicht einheitlich.
Eine von der OECD erstellte Prognose für den Zeitraum der nächsten 20 Jahre stellt als Hauptprofiteure den Mittleren Osten und den asiatisch-pazifischen Raum dar. Da man dem Ölfluss nur noch eine begrenzte Dauer zuspricht, hat sich Dubai, wie geschildert, längst von dieser Einnahmequelle abgekoppelt und sich den Bereichen Internationaler Handel und Tourismus als künftigen Wachstumsträgern verschrieben. Und es gibt eine Reihe guter Argumente, die hier zum Tragen kommen.
Die Region besitzt das weltweit größte Flottenwachstum bei Flugzeugen. Ein erheblicher Anteil entfällt dabei auf die Fluglinie Emirates in Dubai. Die zahlreichen Bestellungen von Großraum- und Langstreckenflugzeugen ermöglichen neben den bereits bestehenden Direktverbindungen nach Australien nun auch das Erreichen der amerikanischen Westküste. Dubai kann in Zukunft seine geographische Lage mehr als jeder andere Staat ausspielen.
Hierzu muss man sich nur die geostrategische Lage Dubais vor Augen führen. In dieser Region leben mehr als 1,3 Milliarden Menschen! Die Flugzeiten in die Regionen Asiens liegen zwischen einer und vier Stunden, der Flug nach Frankfurt oder München dauert fünf bis sechs Stunden. Dubai ist im Begriff, seine Rolle als internationales Drehkreuz zwischen drei Kontinenten noch auszubauen. Was schon zu einem für uns Europäer unvorstellbaren Flottenausbau allein mit Langstreckenfliegern geführt hat.
Zu den groß angelegten Infrastrukturprojekten gehören auch die beiden Tiefseehäfen Jebel Ali und Port Rashid mitsamt ihren technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und Ressourcen, die konsequent darauf ausgelegt sind, für die Nach-Erdöl-Zeit zu sorgen. Jebel Ali Free Zone (JAFZ), 40 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, ist der Name der Freihandelszone im Emirat von Dubai. Die JAFZ wartet mit niedriger Besteuerung und lukrativen Handelsoptionen auf und bietet auch rechtlich optimale Bedingungen für Fertigung und Geschäft. Neben dem größeren Hafen Jebel Ali – dem größten künstlichen Hafen der Welt – wird auch der innenstadtnahe kleinere Port Rashid von hier aus verwaltet; unter den Containerhäfen weltweit nimmt er immerhin den 13. Rang ein. Niedrige Arbeitskosten und visafreie Anheuerung der nicht organisierten ausländischen Arbeitskräfte machen den Standort zusätzlich attraktiv.
Themenfelder wie Arbeitsmarkt, Tourismus, Freihandelszonen und deren überragende Bedeutung für den Handel, die geostrategische Position Dubais im Mittleren Osten (hierzu gehört der Flugbetrieb ebenso wie der Seehandel), beflügeln die Phantasien und markieren zugleich reale Chancen einer weiteren Entwicklung. In der Rückblende wird klar, dass der Bauboom mit den sich ständig nach oben peitschenden Preisen den Immobiliensektor ungesund aufgebläht hat. Immer dann, wenn in einem Markt exorbitante Gewinnmöglichkeiten entstehen, hat dies zur Folge, dass die Spekulation noch weiteres Kapital ins Land holt. Auch in Dubai war das der Fall. Aus der Sicht vieler Beobachter gibt es gegenwärtig zwar keinen Grund mehr zu überschäumendem, wohl aber zu einem gesunden und nachhaltigen Optimismus. Die Nachfrage nach Immobilien nimmt derzeit wieder zu. Analysten schätzen den durchschnittlichen Verkaufspreis von 2.160 Euro pro Quadratmeter (Wohnimmobilien) im internationalen Vergleich als günstig ein.
Dubai, das heißt auch: Ein spannendes Ziel für Ferien und Kurzurlaub. Andere Menschen, andere Sitten, andere Sprache, andere Schriftzeichen und obendrein noch eine für Januar/Februar ungewöhnliche Temperatur von schon mal bis zu 30 Grad. Das Dubai Department of Tourism and Commerce Marketing (DTCM) hat die Fortschritte von Dubais Tourismus-Sektor in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 veröffentlicht; die Statistiken zeigen, dass die Zahl der Hotelgäste in Dubai zwischen Januar und September 2010 auf rund sechs Millionen (5.991.660) geklettert ist, eine Steigerung um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und man ist hier absolut überzeugt davon, das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.
Wer per Taxi den Flughafen verlässt, um sein Hotel zu erreichen, gewinnt schnell den Eindruck: Dubai scheint nur Superlative zuzulassen. Hier herrschen eigene Regeln und Gesetze, wenn auch die globalen Strukturen unverkennbar geworden sind. Beispiel Krisenmanagement: Die Art von Rettungsschirm(en), wie man sie in Deutschland, Europa und den USA für richtig hält und erlebt, wird in den Vereinigten Emiraten abgelehnt. Deutlicher formuliert: Die VAE-Staaten lassen sich nicht von in Not geratenen Banken vorschreiben, mit welchen Unsummen an neuer Liquidität wer gerettet werden muss - und dies letztendlich auf Kosten der Steuerzahler. Fazit: Die in Schwierigkeiten geratenen Fonds werden es selbst schaffen müssen, mit Glück, Erfindungsreichtum und (vermutlich eher selten:) Einsicht die Krise zu bewältigen.
Und Glück scheint in jedem Fall dazu zu gehören: "Börsen in Dubai, Katar und Abu Dhabi brechen ein", meldete im Januar die deutsche Presse. Demzufolge ließ sich Anfang des Jahres an den Handelsplätzen der krisenbedrohten Region beobachten, wie die Kurse auf breiter Front ins Rutschen kamen. "Die Unsicherheit veranlasst ausländische Investoren, ihre Präsenz auf unseren Märkten in Frage zu stellen", wird der Analyst Madsched Assam aus Dubai zitiert. Manche Investoren reagierten nervös, wahllose Verkäufe waren die Folge.
"Geduld bringt Geld", sagen die anderen mit Blick auf die arabische Welt. Allein der Staatsfonds Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) gilt mit etwa 875 Milliarden US-Dollar als größter Fonds der Welt. Widersprüchlich die Berichte: Immer wieder sorgen die Unruhen in der Region für Turbulenzen an den Börsen. Rund um den Persischen Golf schließen Aktienhandelsplätze mit Verlusten; ohne klar erkennbare Zeichen der Stabilisierung der Verhältnisse zögern Investoren mit Anlagen im Nahen Osten und in Nordafrika.
"Die Risiken für Anlagen in der Region dürften noch eine ganze Weile größer als die Chancen sein", urteilt ein Analyst. Während an der ägyptischen Börse die Handelsaussetzung wegen der politischen Unruhen mit Beginn der letzten Februarwoche erneut verlängert wurde, sinnieren Anleger daher gegenwärtig vor allem über die konjunkturellen Risiken. Könnte es zu Unruhen etwa auch in Dubai kommen? Das Heer der Arbeiter in den Vereinigten Emiraten ist ethnisch bunt gemischt und nur vorübergehend im Land. Eine ernsthafte politische Willensbildung ist hier daher kaum zu erwarten. Dubai bietet im Staatenverband der Vereinigten Nachbaremirate vielen der gänzlich Chancenlosen aus armen Ländern Arbeit und Brot - und als gigantische Show eine unerreichbare Gegenwelt. So wird es auf absehbare Zeit wohl kaum zu einer Revolution "von unten" kommen, es sei denn, die ganze Region ginge in Flammen auf.