City of Gold
Seite 2: "Building Towers, Cheating Workers"
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- "Building Towers, Cheating Workers"
- Ausblicke: Dubai, Middle East und weiter …
- "The most important city on earth?"
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Wie in den übrigen sechs Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist der gigantische Bauboom Dubais nur durch ein Heer von Arbeitsmigranten zu bewerkstelligen. Dubai besitzt nur einen Anteil von 4 Prozent am Erdölvorkommen und von unter 2 Prozent am Erdgasvorkommen der VAE.
In den Schlüsselministerien von Abu Dhabi und Dubai hat man längst erkannt, was die Stunde geschlagen hat. Die Lebensdauer der kostbaren Ressourcen ist begrenzt – Schätzungen zufolge auf 30 bis 40 Jahre, einige Prognosen liegen sogar zum Teil noch deutlich darunter. Das Land umzubauen und vom Öl unabhängig zu machen ist in Dubai längst keine Spekulation mehr. Immer mehr Geld wird heute schon in den Sektoren Handel, Finanzen, Transport und Kommunikation, im Restaurant- und Hotelgewerbe und im produzierenden Gewerbe verdient. Das kleine Emirat erwirtschaftet inzwischen nur noch unter 10 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in der klassischen Ölindustrie.
Der Stadtstaat ist zudem bekannt als herausragender Umschlagplatz für Gold. Der Goldhandel hat sich allein 2008 hier um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf einen Rekordstand von 29 Milliarden US-Dollar ausgeweitet.
Der kleine Staat beansprucht zur Bewältigung seiner gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen eine Unmenge an Ressourcen - auch an menschlichen Arbeitskräften. Wie in so vielen anderen Bereichen, auch hier kursieren jede Menge Gerüchte. Unbestreitbar ist, dass in Dubai - wie in keinem anderen Land dieser Welt - der vorhandene Reichtum in extremer Manier zur Schau gestellt wird. Unübersehbar auch, dass es anhaltend eine krasse Scheidung zwischen Privilegierten und Nichtprivilegierten gibt. Die im Straßenbild Dubais zu sehenden Bauarbeiter ("low budgets") kommen aus Afrika, Pakistan, aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka. Arbeitsbedingungen und Entlohnung weisen aus europäischer Sicht gravierende Mankos auf.
Bauarbeiter erhalten einen Monatslohn, der zwischen 106 und 250 US-Dollar liegt. Der nationale Durchschnittslohn liegt dem gegenüber bei 2.100 bis 2.400 US-Dollar pro Monat (das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen betrug 2005 rund 28.000 US-Dollar).
"Schattenseiten der Wüstenwunderstadt" nannte das Handelsblatt die Verhältnisse 2008. Schon ein unscheinbares Inserat des Emirats in Indien oder Pakistan genügt, um Hunderte anzulocken. "Arbeit in Dubai" ist der Slogan und eine Verheißung für die Armen. Was folgt? "Sie haben wenige Rechte, hausen in Baracken, müssen auch noch bei 40 Grad Hitze sechs Tage die Woche ran und werden oft um ihren Lohn gebracht – das [ist das] Leben der Gastarbeiter in der Stadt der Superreichen und der milliardenschweren Investmentprojekte".
Soziale Verbesserungsmaßnahmen haben in den letzten Jahren bescheiden Platz gegriffen und wenigstens einige der allergröbste Mängel beseitigt. Aber noch im November 2006 beklagte Sarah Leah Whitson, Leiterin der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch (HRW): "Hunderte von strahlenden Hochhäusern wurden von Migranten unter Bedingungen erbaut, die durch ein hohes Maß an Ausbeutung geprägt sind."
Der 71-seitige HRW-Bericht Building Towers, Cheating Workers basiert auf ausführlichen Gesprächen, die mit Arbeitern, Regierungsbeamten und Vertretern der Industrie geführt wurden. Er zeigt, dass in allen Vereinigten Arabischen Emiraten die Rechte von Bauarbeitern durch Arbeitgeber ernsthaft verletzt wurden. Dazu zählen extrem niedrige oder nicht ausbezahlte Löhne, jahrelange Verschuldung von Arbeitern gegenüber schnoddrigen Vermittlungsagenturen, das Einbehalten von Reisepässen und riskante Arbeitsbedingungen, die eine hohen Anzahl von Verletzungen und Todesfällen nach sich ziehen. Allerdings wurden im Emirat Dubai - dem einzigen Emirat, in dem Todesfälle von Arbeitsmigranten registriert werden - basierend auf den Berichten von sechs Unternehmen in jenem Jahr im Baugewerbe "lediglich" 34 Todesfälle verzeichnet – gegenüber Hunderten von Fällen im gesamten Bereich der VAE.
Einheimische in Dubai sind in der Minderheit, sie stellen nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Dies sind die Reichen. In Dubai gibt es laut dem World Wealth Report über 68.000 US-Dollar Millionäre und damit eine der höchsten Millionärsdichten der Welt. Man lässt die Arbeit von den Gastarbeitern unter den beklagenswerten Arbeitsbedingungen erledigen, während die einheimische Bevölkerung, in der Regel auch die Gruppe der hochqualifizierten Arbeitsmigranten aus Europa und Nordamerika, gut dasteht. Und die Rechnung geht auf: Viele der Ärmsten der Armen, die hier auf den Baustellen schuften, würden daheim nur die Hälfte oder noch weniger verdienen. Und was die Kluft noch größer macht: Zehntausende der "Oberen" müssen in Dubai überhaupt nicht arbeiten.
Nicht übersehen sollte man die religiöse Vielfalt in dem relativ kleinen Staat. Mehr als 100 Nationalitäten sind allein in Dubai vertreten - sie kommen anscheinend ohne größere Differenzen miteinander aus. Was jedoch auffällig bleibt, ist die strikte Ablehnung der Integration von Ausländern von Staats wegen: Sozialer Sprengstoff inbegriffen. Da vorrangig jüngere kräftige Männer für gering qualifizierte Arbeiten (vor allem die am Bau) angeworben werden, sind zeitweise nur etwa ein Viertel aller Einwohner Dubais weiblich. Dieses Missverhältnis dürfte sich erst entspannen, wenn den Arbeitsmigranten erlaubt wird, ihre Angehörigen nachkommen zu lassen.
Für das Emirat Dubai zeigen die Zahlen 2009 1,327 Millionen männliche und nur 395.000 weibliche Einwohner, das sind 1,722 Millionen gesamt. Auf die Metropole Dubai City konzentrieren sich circa 99 Prozent der Bevölkerung.