Civil War: Ein erschütternder Film, der die USA spaltet
Seite 2: Könnte es passieren?
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Ein Bürgerkrieg - bis vor einigen Jahren schien das für die USA eine fern zurückliegende Vergangenheit, 19. Jahrhundert, Sklavenbefreiung.
Dann verschärften sich die innenpolitischen Konflikte immer mehr, aus Gegnerschaft wurde Feindschaft. Schon die "Tea Party"-Bewegung der 1990er-Jahre bot zur Zeit von Präsident Bill Clinton einen Vorschein einer möglichen neuen Amerikanischen Revolution, diesmal von rechts.
Dann kam Donald Trump und nach seinem erzwungenen Abgang durch die verlorene Wiederwahl der 6. Januar 2021. "Civil War" ist also ein leider nur allzu aktueller Stoff. Heutzutage denken viele Leute, dass die USA wieder am Rand einer solchen Katastrophe stehen.
Ist das zutreffend? Ein Bürgerkrieg braucht vor allem kampfbereite Menschen – Im Vergleich zu früheren Krisenzeiten der Geschichte gibt es sie aber weniger. In den USA werden sich die Jahre 1850-1880 nicht wiederholen, sondern eher nordirische Szenarien.
Neben dem Sturm und Drang der wenigen radikalen Trump-Anhänger besteht MAGA vor allem aus Online-Konflikten, virtuelle Kämpfen, Wut-Tweets und Hassklicks die den Spießbürgern die Schlägereien und Bombenanschläge in der echten Welt ersetzen.
Die Mehrheit ist wie in Europa erfüllt von apathischer Müdigkeit und wachsendem Pessimismus: Man ist eher melancholisch als cholerisch, eher desillusioniert als fanatisch.
Der Sturm auf das Kapitol 2021 wird sich nicht wiederholen. Er geschah im zweiten Pandemiejahr, unter äußerst ungewöhnlichen Bedingungen und Belastungen, die die meisten Menschen noch nie zuvor erlebt hatten. Ein einmaliges Ereignis.
Könnte es passieren? Vielleicht. Aber zuerst müssten die Umstände anders sein als Biden-Trump, zweite Runde.
Wenn ein Faschist im Weißen Haus sitzt, ist der Bürgerkrieg gerechtfertigt
Die Lage ist unübersichtlich, die Ordnung in weiten Teilen der USA zusammengebrochen. "Civil War" ist ein kluger Film, ein guter Film, kurzweilig und differenziert. Zugleich fast eine Satire und Farce auf die politischen Verhältnisse.
Es gibt die Sezessionisten und die Sezessionisten sind die Guten in diesem Film. Es dauert eine Weile um, zu verstehen, dass diese Sezessionisten eher die "Guten" im Krieg sind, und der Präsident jedenfalls böse. Ziemlich früh schon sprechen Journalisten im Hotel fast ein bisschen zynisch darüber, dass dies wie die "Battle of Berlin" wäre, die "Schlacht um Berlin".
Hier wird natürlich dann auch damit gespielt, dass der Präsident faschistische Tendenzen hat, dass er eine Art amerikanischer Hitler ist. Er ist namenlos, mutmaßlich autoritär. In seiner dritten Amtszeit schafft er das FBI ab und bombardiert mit Flugstreitkräften die eigenen Landsleute aus der Luft. Trotzdem ist dieser Präsident keine eindeutig Trump-ähnliche Figur.
Vielleicht ist dies ein Fehler. Denn implizit stellt sich dieser Film auf die Seite der Feinde der Verfassung und der Rechtsstaatlichkeit. Er sagt: Wenn ein Faschist im Weißen Haus sitzt, ist der Bürgerkrieg gerechtfertigt.
Die Sezessionisten wollen auch eher Frieden, reden über Verhandlungen. Es sind also die Guten, die die Verhandlungen wollen. Ein Hinweis auf die Ukraine?
Ein politischer Film
"Civil War" zeigt Szenen extremer Brutalität – Massengräber, gefolterte Gefangene, Feuergefechte und Hinrichtungen – und bettet sie in die bekannten US-amerikanischen Landschaften von Einkaufszentren, Autowaschanlagen, "Old South" und den Säulen des Weißen Hauses ein. Wir Zuschauer sollen nicht nach detaillierten Erklärungen, wie wir hierhergekommen sind, fragen. Wir sollen nur darüber meditieren, wie leicht es hier passieren könnte.
Das auf den ersten Blick unglaubwürdige Bündnis der Sezessionisten aus dem traditionell linksliberalen "blauen" US-Bundesstaat Kalifornien und dem "roten", also republikanischen Arizona, zusammen mit dem umkämpften "Florida" ist schlau.
Damit vermeidet der Film vorschnelle Einordnungen in das bestehende Lagerdenken. Dieser Film positioniert sich nicht eindeutig politisch. Ist er deswegen "ein unpolitischer Film", wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt? Nein!
Das zu glauben wäre ein großer Irrtum. "Civil War" ist gerade deswegen ein politischer Film, weil er auf Eindeutigkeiten verzichtet, weil keine der Parteien und Figuren eindeutig zu den Guten gehört. Das ist die politische Aussage.
Indem der Film von aktuellen ideologischen Positionierungen befreit ist, ermöglicht er uns, die Antikriegsbotschaft ungebrochen zur Kenntnis zu nehmen. Es ist schlau, sich einer klaren politischen Haltung und leicht verdaulichen Antworten zu verweigern.
"Civil War" verurteilt Gewalt und zeigt doch den kommenden Aufstand gegen Trump. Oder gegen einen, der ihm zum Verwechseln ähnlich ist.
So ist Journalismus
Wenn Sie sich davon angesprochen fühlen, sind Sie nicht allein. ... es ist fesselnd, furchtbar packend. ... Es gibt keine erhabenen oder beruhigenden Reden in "Civil War", und der Film spricht nicht zu den besseren Engeln unserer Natur, wie es so viele Filme versuchen.
Hollywoods althergebrachter, zutiefst amerikanischer Imperativ für Happy Ends hält Filme eisern im Griff, selbst bei scheinbar unabhängigen Produktionen. In "Civil War" gibt es diese Möglichkeit nicht.
Schon die Prämisse von Garlands Film bedeutet, dass - egal was passiert, wenn oder falls Lee und der Rest Washington erreichen - ein Happy End unmöglich ist, was die Sache sehr schwierig macht.
Selten habe ich einen Film gesehen, in dem ich mich so unwohl gefühlt habe, oder das Gesicht eines Schauspielers gesehen, das, wie das von Dunst, die Seelenkrankheit einer Nation so eindringlich zum Ausdruck brachte, dass es mir wie ein Röntgenbild vorkam.
Manola Dargis, New York Times
Der Film endet mit der Tötung des Präsidenten. Last words of a president. "Lassen Sie nicht zu, dass die mich erschießen." Der Journalist hat sein Zitat: "This will do."
So ist das Leben. So ist Journalismus!