Corona-Impfstoffe: Viel mehr Nebenwirkungen als gedacht?
Seite 2: Zweifel
Laut der Berliner Zeitung wandte sich ProVita nicht nur an das PEI, sondern schickte den Brief auch gleich an den GKV-Spitzenverband, die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Ständige Impfkommission und den BKK Dachverband. Skurrilerweise zog Letzterer gestern aber auf dem offiziellen Twitterkanal die ganze Auswertung in Zweifel:
Stellungnahme zur Veröffentlichung der @BKKProVita zu vermeintlichen #Impfreaktionen: Wir teilen mit, dass die Daten nicht wie gemeldet vom BKK Dachverband stammen. Inhaltlich nehmen wir dazu keine Stellung.
BKK Dachverband e.V., @BKKDV (24.2.2022, 12:11 Uhr)
Die kleine Krankenkasse – mit nach eigenen Angaben nur 125.478 Mitgliedern – bekommt also sogar von ihrem eigenen Dachverband Gegenwind. Hatte sie überhaupt Zugriff auf die Daten, auf die sie sich in ihrem Brief an das PEI und zahlreiche andere Stellen beruft? Es wäre, wie wir gesehen haben, nicht der einzige Patzer.
Hat also Dirk Heinrich Recht, wenn er der BKK ProVita eine PR-Aktion unterstellt? In der Pressemitteilung des Virchowbunds findet der Vorsitzende jedenfalls scharfe Worte für das Vorgehen der Krankenkasse: Deren Schlussfolgerungen seien "kompletter Unfug" und basierten entweder auf "peinlichem Unwissen" oder auf "hinterlistiger Täuschungsabsicht".
Aufmerksamkeit
Die kleine Krankenkasse hat jetzt auf jeden Fall sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Ob sich das für sie positiv oder negativ auswirkt, muss sich zeigen.
Klar ist, dass ihr Vorgehen Wasser auf die Mühlen der Impfgegner ist. Deren Befürchtungen, man täusche die Öffentlichkeit systematisch über die Häufigkeit von Impfnebenwirkungen, wurden nun bestätigt. Dabei liegen die unterschiedlichen Zahlen offensichtlich an unterschiedlichen Zählweisen – Äpfeln und Birnen eben.
Die zeitliche Dynamik lässt aber Fragen aufkommen: Dem PEI, einer bürokratischen Bundesbehörde, ließ man scheinbar kaum Zeit für eine Reaktion. Am Mittwoch, unmittelbar nach Verstreichen der Frist, kommt die Welt mit dramatischen Schlagzeilen. Am Donnerstag folgt dann ein erhebliches Medienecho, das viele Menschen verunsichern dürfte. (Und da war ja auch noch etwas mit Ukraine und Krieg.)
Ob ProVita wirklich von einer Lebensgefahr für Geimpfte ausging, ist Spekulation. Aber, wohlgemerkt, eine Spekulation nach allein in Deutschland rund 150 Millionen verabreichten Impfdosen. Wenn es einem um Aufklärung geht, nicht um Aufmerksamkeit, dann hätte doch ein sorgfältigeres Vorgehen nahegelegen.
Das PEI will sich nun immerhin die Daten der Krankenversicherungen näher ansehen, um das Risiko von Impfnebenwirkungen besser zu verstehen. Dann dürfte es auch noch von offizieller Seite eine Reaktion geben. Doch die kostet eben etwas Zeit. Nicht alle Fragen sind Reif für das Twitter-Zeitalter.
In der Zwischenzeit lohnt ein Blick auf die Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zum Zusammenhang zwischen Impfungen und Covid-Erkrankungen. Demnach (Stand 24. Februar) hatten beispielsweise in der Meldewoche 6 (also Anfang/Mitte Februar) von den Ungeimpften 18- bis 59-Jährigen rund 225 von 100.000 einen symptomatischen Covid-Verlauf. Bei den Geimpften waren es 191, bei denen mit Auffrischungsimpfung 118.
Gegen Krankenhausaufnahmen halfen die Impfstoffe noch viel deutlicher: So waren laut RKI unter den Menschen ab 60 Jahren bei den Ungeimpften rund 22 von 100.000 mit Covid im Krankenhaus. Bei den Geimpften waren es nur noch fünf und bei denen mit Auffrischungsimpfung nur noch zwei von 100.000.
Mit anderen Worten: Ohne die Impfungen war die Wahrscheinlichkeit für eine Krankenhausaufnahme rund zwölfmal so hoch! Nach wie vor scheint also dies der beste Schutz gegen schwere Covid-Verläufe zu sein: die Impfungen.
Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors